Die Stühle stehen verlassen an den langen Tischen, auf die Leinwand, wo die definitiven Ergebnisse nun minütlich aktualisiert werden, schaut niemand mehr richtig. Es herrscht Katerstimmung in der Welle 7 in Bern, wo sich das Nein-Komitee am Abstimmungssonntag versammelt hat. Müde prosten sich ein paar Leute am Rand des Geschehens mit einem Glas Rotwein zu. Man spricht über das, was jetzt kommen mag – Pessimismus herrscht.
Niemand hier drin glaubt, dass die Versprechen von Bundesrätin Doris Leuthard umgesetzt werden können. Den Energieverbrauch reduzieren, ohne dass die Menschen davon beeinträchtigt werden? Erneuerbare Energien fördern, ohne dass dies massiv mehr kosten wird? Neue Windkraftwerke bauen, ohne dass die Landschaft verschandelt wird? Darüber können die Anwesenden nur den Kopf schütteln.
Einer von ihnen, Wolfgang Denk, der in den letzten Wochen mit dem «Komitee Energiegesetz – so nicht!» Seite an Seite mit der Physikerin Irene Aegerter für ein Nein gekämpft hat, zeigt auf den Bildschirm seines Computers. «Sehen Sie hier. In diesem Gesetzesartikel steht drin, dass die Leute überwacht und gebüsst werden, wenn sie zu viel Energie verbrauchen.» Er ist niedergeschlagen und versteht nicht, wie sich die Stimmberechtigten derart täuschen lassen konnten.
Demokratischer drückt sich FDP-Nationalrätin Doris Fiala aus: «Wir haben hart gekämpft, wir haben verloren. Jetzt müssen wir schauen, dass es in eine gute Richtung weitergeht.» Sie greift in ihre Handtasche und sucht nach dem Lippenstift. Kaum eine halbe Minute Zeit hat sie, um sich kurz frisch zu machen, schon muss sie zum nächsten Interviewtermin.
Bei den Befürwortern, die ihren Sieg nur wenige hundert Meter entfernt feiern, ist geradezu heiss ist im Raum. Die Sonne brennt auf das Gebäude und heizt die Stimmung zusätzlich an. Fast schon symbolisch mutet der Temperaturunterschied zum Lager der Gegner an: Hier ist nicht nur die Laune im Keller, auch der Saal ist auf Kellertemperaturen heruntergekühlt.
Plötzlich kommt doch noch Bewegung in die müde Gesellschaft. Endlich kommt der, auf den alle gewartet haben: SVP-Präsident Albert Rösti. Hände werden geschüttelt und tröstende Worte ausgetauscht: «Es ist nicht vorbei, nein, jetzt erst recht.» – «Danke, für deinen Einsatz.» – «Wir haben getan, was wir konnten.»
Er sei froh, dass dieses Referendum ergriffen worden sei, sagt Rösti. So habe man den Befürwortern Versprechen abringen können. An diesen könne man sie nun messen.
Er findet es richtig, dass die SVP nicht idealistisch von neuen Technologien geredet habe, sondern gefordert hat, lieber einen Schritt zurück zu gehen und genau hinzuschauen.
Die grosse Diskussion dreht sich jetzt um die Versorgungssicherheit. Für Rösti ist diese nicht sichergestellt.
Während sich die Reihen im Saal leeren, bleibt auf einem Tisch hinter Rösti beinahe unangetastet ein Obstkorb zurück. Äpfel und Kiwis warten auf Abnehmer. Von den Bananen, die laut den Gegnern von der Energiestrategie bedroht sein sollen, fehlt bereits jetzt jede Spur.