Ein erster Schuss vor den Bug war im November 2014 von der eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) gekommen. Sie hatte eine Beschaffungsprüfung beim Bundesamt für Energie (BFE) durchgeführt und festgestellt: Über 90 Prozent der Vergaben erfolgen freihändig, also ohne Ausschreibung.
Dieser Anteil, schrieb die Finanzkontrolle im Bericht, erscheine ihr «als zu hoch». Zudem thematisierte sie das Problem von Monopolen. Durch das «jahrelange Vergeben von Aufträgen an den gleichen Beauftragten» sei in gewissen Bereichen eine «Konzentration von Fachkompetenz (Monopolstellung)» entstanden. Damit stand, indirekt, die Frage im Raum, ob das BFE politisch Einfluss nehme.
Eine Frage, die neue Nahrung erhält. Diesmal gerät das BFE wegen des Programms EnergieSchweiz in den Fokus. Mit ihm fördert das BFE Energieeffizienz und erneuerbare Energien. In einer exzessiven Art, wie Bürgerliche finden. EnergieSchweiz sei «eine Kampagnenorganisation für das BFE, das als Bundesamt ja keine Kampagnen führen darf», sagt FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. «Sie arbeitet unter dem «Deckmantel von Aufklärung und ist viel zu mächtig geworden. Sie ist eine eigentliche Parallelorganisation zum BFE.»
Ähnlich sieht das SVP-Nationalrat Toni Brunner.
Jahrelang sei «gezielt ‹Überzeugungsarbeit›» geleistet worden, «die öffentliche Meinung beeinflusst» worden. Brunner glaubt an «eine Art Masterplan» für die Energiewende. «Er umfasst auch Lehre und Forschung.» Das sei ihm als SVP-Kampagnenleiter gegen das Energiegesetz aufgefallen: «Wir hinken in der Kampagne um Jahre hinterher.»
EnergieSchweiz war 2001 von Bundesrat Moritz Leuenberger als Nachfolgeprogramm von Adolf Ogis «Energie 2000» ins Leben gerufen worden. 2005 stand das Programm kurz vor dem Aus, doch 2012 beschloss der Bundesrat, es zu stärken. Das Budget wurde von 26.6 Millionen auf 55 Millionen erhöht. Sparrunden liessen es für 2017 aber auf 46 Millionen sinken. Die Geschäftsstelle mit fünf Personen ist dem BFE angegliedert.
Der Blick in Simap, das Informationssystem über das Beschaffungswesen der Schweiz, zeigt: Das BFE hat sich die Kritik mangelnder Transparenz der Finanzkontrolle zu Herzen genommen. Für EnergieSchweiz finden sich seit November 2014 Ausschreibungen in der Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags. Kernstück ist der Zuschlag, den die Medienagentur Mediatonic SA eben am 1. Mai als Agentur für die «Kampagnen von EnergieSchweiz» erhielt.
Der Budgetrahmen umfasst 13.5 Millionen – für den Grundauftrag mit je vier Werbekampagnen pro Jahr für 2.5 bis 3 Millionen zwischen 2017 und 2019, inklusive Option für 2020 und 2021. Unterschrieben worden seien aber erst 2 Millionen für das Jahr 2017, sagt BFE-Kommunikationschefin Marianne Zünd. Was danach geschehe, sei noch unklar. Solche Zuschläge umfassten stets Vorbehalte.
2016 vergab das BFE drei Mandate für EnergieSchweiz. Eines für die «Kampagne ‹Wir bauen Energiezukunft›». 1.3 Millionen seien per WTO ausgeschrieben worden, sagt Zünd. Doch es seien nur 600'000 genutzt worden. Ein zweites Mandat 2016 betrifft die «Kommunikation für Gemeinden 2017 bis 2019» (inklusive Optionen). Vorgesehen sind 3.6 Millionen.
Burson-Marsteller als Siegerin übernimmt dafür die nationale Kommunikation von EnergieSchweiz mit Gemeinden und Städten. Sie sollen in Fragen der Energieeffizienz und erneuerbarer Energien unterstützt werden. Als drittes kam 2016 das Mandat für eine «Infoline EnergieSchweiz» dazu, mit einem Kostendach von 1.3 Millionen für 2017 bis 2020.
2015 vergab das BFE ein Mandat für das «Energiesparjahr 2016» über 2.2 Millionen. Das Projekt wurde zusätzlich mit 2 Millionen von privaten Unternehmen unterstützt. Dazu kam ein Mandat über 1.1 Millionen für die Marktforschung in eigener Sache. Eine repräsentative Umfrage sollte zum Beispiel Auskunft geben über das Image von EnergieSchweiz.
Sehr umstritten bei bürgerlichen Politikern ist das Sponsoring, das von EnergieSchweiz überall an Anlässen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu sehen ist. 346'000 Franken wurden 2016 für 2016 und 2017 gesprochen. Dass zudem das Portal myNewEnergy mitfinanziert wird, stösst Wasserfallen sauer auf: «Das ist eine politische Kampagne in einer Art Umerziehung.» Der Vergleichsrechner für den Wechsel zu Ökostrom ist ein Spin-off von Comparis. Gemäss Zünd steuerte EnergieSchweiz 98'000 Franken oder 20 Prozent an die Aufbaukosten bei.
Das Programm basiere auf Energiegesetz und Bundesratsbeschluss von 2012.
«Der Auftrag gilt bis 2020», sagt sie, «unabhängig vom Abstimmungsergebnis zum neuen Energiegesetz». Das Programm wende sich seit Fukushima direkter an die Endkonsumenten und fokussiere auf Sensibilisierung, Information und Beratung, Aus- und Weiterbildung.Wie es für EnergieSchweiz nach 2020 weitergeht, ist unklar. In FDP- und SVP-Kreisen dürfte das Programm einen schweren Stand haben.
SVP-Nationalrat Thomas de Courten will die politische Rolle der Bundesämter Ende Jahr in der Geschäftsprüfungskommission (GPK) generell traktandieren lassen. Deren Publikationen dürften nicht politisch gefärbt sein, sagt er. Gebe es Hinweise, dass im Energie-Abstimmungskampf Steuergelder eingesetzt worden seien, werde er auch das in der GPK thematisieren.