Paukenschlag im Silicon Valley: Mark Zuckerberg räumt ein, Facebook sei im US-Wahlkampf 2016 für politische Propaganda aus dem Ausland missbraucht worden. Nun will er den Ermittlern des US-Kongresses nicht nur Einblick in das fragliche Werbematerial gewähren. Zuckerberg verspricht auch, politisch motivierte Werbung auf seiner Plattform künftig generell besser kenntlich zu machen.
«Ich will nicht, dass jemand unsere Werkzeuge benutzt, um die Demokratie zu untergraben», so der Facebook-Gründer. Damit ändert er die Spielregeln für das politische Marketing grundlegend. Denn Social Media, insbesondere Facebook, gewann in den letzten Jahren in politischen Kampagnen immens an Bedeutung. Gleichzeitig wurden die Stimmen lauter, die vor einem Missbrauch dieser Möglichkeiten warnten.
Prominentestes Beispiel dafür ist die Kontroverse um Cambridge Analytica: Die britische Firma brüstete sich damit, Donald Trump zum Wahlsieg verholfen zu haben. Insgesamt soll sie Trumps Argumente auf Facebook in 175’000 verschiedenen Varianten ausgespielt haben – passgenau zugeschnitten auf Herkunft, Charakter und Vorlieben der Empfänger.
Auch in der Schweiz setzen die Parteien immer stärker auf Social Media. Mit einem sogenannten Microtargeting können sie bestimmte Wählergruppen identifizieren und sie anschliessend mit personalisierten Botschaften versorgen. «DarkAds» nennen sich diese Werbeanzeigen, die nicht für alle Nutzer sichtbar sind, sondern nur für jene, die speziell definierte Kriterien erfüllen.
«Bisher herrschten auf Facebook Wild-West-Zustände», sagt Adrienne Fichter, Journalistin und Autorin des soeben erschienenen Buchs «Smartphone-Demokratie». «Nun hat Mark Zuckerberg offenbar beschlossen, diesem Laissez-faire-Modus ein Ende zu bereiten.» Halte er sein Wort, werde politische Werbung auf Facebook bald massiv transparenter. «Es wäre ein Riesenfortschritt, wenn solche Anzeigen künftig für jedermann einsehbar wären.»
Weil diese Transparenz bisher nicht gegeben war, hatte Fichter im Frühsommer zusammen mit Kollegen aus Deutschland und Österreich die Aktion #PolitikAds lanciert. Die Gruppierung rief Facebook- und Twitter-Nutzer dazu auf, Screenshots von politischer Werbung zu erstellen und diese weiterzuverbreiten, damit die DarkAds an die Öffentlichkeit gelangen.
Die Beispiele, die unter dem Hashtag #PolitikAds zusammengekommen sind, zeigen etwa, wie die Jungen Grünliberalen mit einem Eintrag zu Food Waste gezielt Personen ansprechen, die sich für Greenpeace interessieren und in Zürich wohnen. Die Gegner des neuen Sozialhilfe-Gesetzes in Zürich richten ihre Anzeigen derweil an Menschen, deren Online-Nutzungsverhalten auf eine Nähe zur SP schliessen lässt. «Auch im Zuge der Abstimmung über die Rentenreform haben beide Seiten früh begonnen, diese Art von Werbung zu schalten», so Fichter.
#politikads pic.twitter.com/NGMVGqAi9L
— Cornelia Caviglia (@c_caviglia) 31. August 2017
Im internationalen Vergleich seien die Schweizer Parteien allerdings noch «relativ dilettantisch» unterwegs, so die 33-Jährige weiter. In unseren Nachbarländern schöpften die politischen Akteure die Möglichkeiten von Social Media bereits viel stärker aus. So zeigt ein weiterer Screenshot, wie eine österreichische Gruppierung die Fans des Aussenministers Sebastian Kurz gezielt mit negativen Berichten über den ÖVP-Politiker eindeckt.
Feindliche Facebook-Werbung › Brodnigs Blog https://t.co/6icTpPylcu via @adfichter pic.twitter.com/qkzwcdL0U6
— { Monah } 💡 (@monah) 14. September 2017
«Gerade wenn es um Schmutzkampagnen geht, ist es wichtig, dass zurückverfolgt werden kann, wer eine Werbung gebucht hat und wer sie alles zu sehen bekommt», findet Fichter. Sonst drohe die Demokratie Schaden zu nehmen. Es werde spannend zu beobachten sein, inwiefern die DarkAds nun an Attraktivität einbüssen. «Wenn der Absender geoutet wird, verpufft die Wirkung gewisser Kampagnen ja komplett.»
Die Verantwortlichen der Schweizer Parteien reagieren allerdings entspannt auf die Ankündigung. So sagt Matthias Leitner, Kampagnenchef der FDP: «Wir haben nichts zu verbergen. Bei personalisierter Facebook-Werbung geht es primär darum, die Mittel möglichst effizient einzusetzen.» Wenn künftig auch andere Nutzer Zugriff darauf hätten – «umso besser, solange dadurch keine Mehrkosten entstehen».
Er teilt Fichters Einschätzung, wonach die Nutzung von DarkAds in der Schweiz noch in den Kinderschuhen steckt. «Unsere Zielgruppen-Einschränkungen sind ziemlich banal und beschränken sich beispielsweise auf gewisse Altersklassen.» Auch Negative Campaigning sei hierzulande glücklicherweise kaum verbreitet.
Problematisch wäre es aus Leitners Sicht, wenn die Kennzeichnung politischer Werbung durch Facebook zu schrill ausfiele. «Eine rote Umrandung der Anzeigen oder ähnliches ginge zu weit.» Eine weitere Schwierigkeit sieht Leitner in der Abgrenzung: Nicht nur politische Parteien und Komitees machten Politik, sondern beispielsweise auch Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften oder NGOs. «Wichtig ist mir, dass kein politischer Absender bevorteilt oder benachteiligt wird.»