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Zur Einstimmung auf die Kurzfilmtage Winterthur: Diese 7 Perlen lehren Sie das Gruseln und Staunen neu

«The Horror of Dracula» (läuft in der Sektion «Dark Delights»)
«The Horror of Dracula» (läuft in der Sektion «Dark Delights»)Bild: Dalibor Baric
Cineastische Schnupperstunde

Zur Einstimmung auf die Kurzfilmtage Winterthur: Diese 7 Perlen lehren Sie das Gruseln und Staunen neu

Mick Jagger ätzt, Korallen träumen von Transen, und eine Schildkröte widersteht dem Exorzismus: Am Dienstagabend beginnen die 18. Internationalen Kurzfilmtage Winterthur. Perfekt für alle, die kurzweilige Kino-Häppchen lieben. Insgesamt 231 Beiträge sind am Start – hier eine kleiner Vorgeschmack.
03.11.2014, 15:5403.11.2014, 19:00
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Crazy Crowd

Keine Ahnung, was genau da geschieht, aber der Soundtrack – «irgendein Monochord-Stablaut», sagt unser redaktionseigener Profimusiker – der in einer ätzenden Endlosschlaufe über den Bildern liegt, ist von Mick Jagger. Der Elfminüter «Invocation of My Demon Brother» von Kenneth Anger inklusive Albino-Engel und allerlei fragwürdigen Ritualen ist schon älter, er stammt von 1969, und man wünscht sich für die Filmer von heute sofort all die Drogen zurück, die Anger und Jagger damals genommen haben müssen. Ein Film wie ein surreales Kaleidoskop. Länger als elf Minuten wärs nicht zum Aushalten, es wäre schlicht zu reich. 

«Invocation of my Demon Brother» («Dark Delights»), vertont von Mick Jagger.
«Invocation of my Demon Brother» («Dark Delights»), vertont von Mick Jagger.Bild: Kenneth Anger

«Invocation of My Demon Brother»

Noch einmal Dämonbruder.
Noch einmal Dämonbruder.Bild: Kenneth Anger

Leer gebissen

Was auch für den kroatischen Dreieinhalbminüter «The Horror of Dracula» von (2010) von Dalibor Baric gilt, ein traumhaftes Schnipselwerk aus Leerstellen und Bildern hinter den Bildern, Zitaten des Unheimlichen, gruselig, ohne grusig zu sein. 

«The Horror of Dracula» oder Der Schrecken der leer(gebissen)en Stelle.
«The Horror of Dracula» oder Der Schrecken der leer(gebissen)en Stelle.Bild: Dalibor Baric

Wem die Fratze reisst

Im Gegensatz zu «All Flowers in Time» des Kanadiers Jonathan Caouette (2010) mit Indie-Superstar Chloë Sevigny. Der Frau also, die sich in New York eine ganze Wohnung bloss für ihre Kleider gemietet hat. Sie suhlt sich lachend im Monströsen, das Kinderspiel des Fratzenreissens geht bei ihr so weit, bis die Fratze wirklich reisst. 

It-Girl I: Chloë Sevigny mal ganz anders in «All Flowers in Time» («Dark Delights»).
It-Girl I: Chloë Sevigny mal ganz anders in «All Flowers in Time» («Dark Delights»).Bild: Jonathan Caouette

Trailer zu «All Flowers in Time»

Mädchen am Meer

Was für eine Erholung dagegen Lindsay Lohan im Kunstvideo «First Point» von Richard Philipps und Taylor Steele (2012), eine Arbeit, die normalerweise in Galerien ausgestellt wird und auch schon an der Art Basel zu sehen war. Das ist mal einfach so Lindsay, auf schönen Wellen surfend und schön am Strand liegend und ein bisschen verschreckt durch die Nacht laufend, wahrscheinlich auf der Flucht vor Paparazzi. Lindsay halt. Immer eine Art Kunstwerk. Und hier so absurd gesund, wie sie es im echten Leben schon lang nicht mehr ist.

It Girl II: Lindsay Lohan ungewohnt gesund in «First Point» (Sektion «Girlz Gone Wild») 
It Girl II: Lindsay Lohan ungewohnt gesund in «First Point» (Sektion «Girlz Gone Wild») Bild: Richard Philipps + Taylor Steele

Trailer zu «First Point»

Blumen der Tiefe

Zwei Korallen träumen dagegen von einer toten Transe, aus deren Augenhölen sie nun wachsen. Eine Idee, auf die auch erst einer kommen muss, hier war's der Amerikaner Lucas Leyva, sein Dreiminüter heisst «The Coral Reef Are Dreamig Again» (2013).

Die beiden Korallen Gregor und Harold, die unweit von Miami Beach im Meer leben und Lindsay Lohan vielleicht schon einmal beim Tauchen gesehen haben, träumen da also, wie sie die Skelette ihrer Ahnen und untergegangene Städte mit ihrem fluoreszierenden Gewusel überblüht haben. Ein bunter, glühender Tripp in der Tiefe.

Albanischer Exorzismus

Nicht dem Teufel, aber dem Herrn Jesus vom Karren gefallen, sind die beiden aparten Albanerinnen aus «Release the Flying Monkeys» (2009), die es sich zur Mission gemacht haben, London auf eine Wiederkunft Christi vorzubereiten. Sie finden ihn in allerlei verbrannten Toastscheiben und Flecken, doch vor allem sind sie gutgelaunte Hobby-Exorzistinnen. Eine Schildkröte, die Death Metal liebt, wird zu ihrem Opfer. Aber keine Angst, no animals were harmed. Ein irrsinnig lustiger Film von Alex Taylor, der zum Glück fast zehn Minuten lang ist.

Schildkröte vor Exorzismus in «Release the Flying Monkeys» («Girlz Gone Wild»)
Schildkröte vor Exorzismus in «Release the Flying Monkeys» («Girlz Gone Wild»)Bild: Alex Taylor

Trailer zu «Release the Flying Monkeys»

Tristes Thüringen

Auch in Susann Maria Hempels schon öfter preisgekröntem Film «Sieben Mal am Tag bekagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen» (2013) geht es um eine überbordende Religiosität, jetzt allerdings um eine altmodisch-provinzielle, um einen, die den Menschen zum leidvollen Dulder macht.

Erzählt werden mehrere Passionsgeschichten aus der thüringischen Provinz, von missbrauchten Kindern, von Erwerbsunfähigen, verpackt in die Niedlichkeit einer seltsam dysfunktionalen Bastelarbeit. Ein elender Aufwand an Schriftbändern, die sich abrollen wie verdreckte Verbände, und an verrückten Tüfteleien zwischen Grabgestecken, Puppenstuben und Folterkammern. Siebzehneinhalb Minuten Horror, der wahr sein könnte.

«Sieben Mal am Tag beklagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen» (Sektion «Internationalen Wettbewerb»)
«Sieben Mal am Tag beklagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen» (Sektion «Internationalen Wettbewerb»)Bild: Susann Maria Hempel
Eine besonders blutige und traurige Seite aus Hempels «Andachtsbuch» aus Thüringen.
Eine besonders blutige und traurige Seite aus Hempels «Andachtsbuch» aus Thüringen.Bild: Susann Maria Hempel

Die 18. Internationalen Kurzfilmtage Winterthur

3708 neue Kurzfilme wurden für diesen Jahrgang eingereicht. Viele davon laufen im internationalen und im Schweizer Wettbewerb, wo sie Preise zwischen 10'000 und 12'000 Franken gewinnen können. Daneben gibt es Fokus-Programme zu Europa, der deutschen Wende, dem Sonderfall Schweiz, aber auch zum indigenen Kino, zu Peter Sellars und zum Franzosen Yann Gonzalez, der am Sa, 8.11., um 11 Uhr eine Masterclass halten wird. Ebenfalls am 8.11. findet von 10.30 bis 17.30 Uhr der «Writer's Room» statt, wo in Zusammenarbeit mit SRF und anhand der Web-Serie «Güsel» alle Möglichkeiten der Drehbuchentwicklung und -förderung betrachtet werden sollen. Sehr zu empfehlen sind auch die Einzelprogramme, aus denen mehrere Beispiele unserer kleinen Einführung stammen.

Das ganze Programm vom 4. bis zum 9. November finden Sie hier.

(sme)

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