Keine Ahnung, was genau da geschieht, aber der Soundtrack – «irgendein Monochord-Stablaut», sagt unser redaktionseigener Profimusiker – der in einer ätzenden Endlosschlaufe über den Bildern liegt, ist von Mick Jagger. Der Elfminüter «Invocation of My Demon Brother» von Kenneth Anger inklusive Albino-Engel und allerlei fragwürdigen Ritualen ist schon älter, er stammt von 1969, und man wünscht sich für die Filmer von heute sofort all die Drogen zurück, die Anger und Jagger damals genommen haben müssen. Ein Film wie ein surreales Kaleidoskop. Länger als elf Minuten wärs nicht zum Aushalten, es wäre schlicht zu reich.
Was auch für den kroatischen Dreieinhalbminüter «The Horror of Dracula» von (2010) von Dalibor Baric gilt, ein traumhaftes Schnipselwerk aus Leerstellen und Bildern hinter den Bildern, Zitaten des Unheimlichen, gruselig, ohne grusig zu sein.
Im Gegensatz zu «All Flowers in Time» des Kanadiers Jonathan Caouette (2010) mit Indie-Superstar Chloë Sevigny. Der Frau also, die sich in New York eine ganze Wohnung bloss für ihre Kleider gemietet hat. Sie suhlt sich lachend im Monströsen, das Kinderspiel des Fratzenreissens geht bei ihr so weit, bis die Fratze wirklich reisst.
Was für eine Erholung dagegen Lindsay Lohan im Kunstvideo «First Point» von Richard Philipps und Taylor Steele (2012), eine Arbeit, die normalerweise in Galerien ausgestellt wird und auch schon an der Art Basel zu sehen war. Das ist mal einfach so Lindsay, auf schönen Wellen surfend und schön am Strand liegend und ein bisschen verschreckt durch die Nacht laufend, wahrscheinlich auf der Flucht vor Paparazzi. Lindsay halt. Immer eine Art Kunstwerk. Und hier so absurd gesund, wie sie es im echten Leben schon lang nicht mehr ist.
Zwei Korallen träumen dagegen von einer toten Transe, aus deren Augenhölen sie nun wachsen. Eine Idee, auf die auch erst einer kommen muss, hier war's der Amerikaner Lucas Leyva, sein Dreiminüter heisst «The Coral Reef Are Dreamig Again» (2013).
Die beiden Korallen Gregor und Harold, die unweit von Miami Beach im Meer leben und Lindsay Lohan vielleicht schon einmal beim Tauchen gesehen haben, träumen da also, wie sie die Skelette ihrer Ahnen und untergegangene Städte mit ihrem fluoreszierenden Gewusel überblüht haben. Ein bunter, glühender Tripp in der Tiefe.
Nicht dem Teufel, aber dem Herrn Jesus vom Karren gefallen, sind die beiden aparten Albanerinnen aus «Release the Flying Monkeys» (2009), die es sich zur Mission gemacht haben, London auf eine Wiederkunft Christi vorzubereiten. Sie finden ihn in allerlei verbrannten Toastscheiben und Flecken, doch vor allem sind sie gutgelaunte Hobby-Exorzistinnen. Eine Schildkröte, die Death Metal liebt, wird zu ihrem Opfer. Aber keine Angst, no animals were harmed. Ein irrsinnig lustiger Film von Alex Taylor, der zum Glück fast zehn Minuten lang ist.
Auch in Susann Maria Hempels schon öfter preisgekröntem Film «Sieben Mal am Tag bekagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen» (2013) geht es um eine überbordende Religiosität, jetzt allerdings um eine altmodisch-provinzielle, um einen, die den Menschen zum leidvollen Dulder macht.
Erzählt werden mehrere Passionsgeschichten aus der thüringischen Provinz, von missbrauchten Kindern, von Erwerbsunfähigen, verpackt in die Niedlichkeit einer seltsam dysfunktionalen Bastelarbeit. Ein elender Aufwand an Schriftbändern, die sich abrollen wie verdreckte Verbände, und an verrückten Tüfteleien zwischen Grabgestecken, Puppenstuben und Folterkammern. Siebzehneinhalb Minuten Horror, der wahr sein könnte.
(sme)