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«Der Goalie bin ig» ist der beste Schweizer Film und das ist total befriedigend

Ein aufgelöster Marcus Signer nimmt den Quarz als bester Hauptdarsteller von SRF-Direktor Ruedi Matter entgegen. Wenige Minuten später wird sein «Goalie» auch noch zum besten Film gekürt.Bild: KEYSTONE
Verleihung Schweizer Filmpreis 2014

«Der Goalie bin ig» ist der beste Schweizer Film und das ist total befriedigend

21.03.2014, 23:1022.03.2014, 16:58
Simone Meier
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Es ist verheerend, als Fan zu einer Preisverleihung zu gehen, man sollte sich das eigentlich verbieten, aber ausnahmsweise ist in diesem Fall (fast) alles gut. Denn «Der Goalie bin ig» von Sabine Boss hat sie (fast) alle gewonnen, die Preise, für die er nominiert war. Nicht alle sieben, aber vier und darunter die wichtigsten, die Trophäen für das Drehbuch, die Filmmusik, den Darsteller und den allerallerbesten Schweizer Film, den es in der ganzen Schweiz gerade zu sehen gibt. Das ist so befriedigend! Goaaaalie! 

Verkündet hat den Gewinner in der Kategorie bester Film übrigens ein echter Goalie, nämlich Marco Wölfli von den BSC Young Boys, der immerhin Ersatztorwart der Schweizer Nationalmannschaft ist. Er sprintete auf die Bühne, riss sich das Jacket auf, und auf seinem T-Shirt prangten «Der Goalie bin ig» und eine grosse Eins. Es hat ihn nur (fast) niemand erkannt, am Freitagabend im Zürcher Schiffbau, und er zog sich dann sehr schnell sehr scheu zurück. 

«Anna, i lieb di!»

«Hallo zusammen, letztens hat mir jemand gesagt, man vergisst sogar den Namen seiner Mutter, wenn man hier oben steht.»
Dimitri Stapfer

Die Reden waren so emotional, wie man sich das nur wünschen kann. Marcus Signer, der Goalie dankte «mim liebschte Schatz uf dere Wäut, mire Julia, mire zuekünftige Ehefrou.... Mim Mammi, womi gmacht hett zäme mit em Pappi.» War das jetzt etwa ein Heiratsantrag?

Der blutjunge Dimitri Stapfer, der für seine Rolle als Autist im welschen Film «Left Foot Right Foot» völlig zu Recht ausgezeichnet worden war (auch wenn Pascal Ulli als Drögeler im «Goalie» exakt genau so viel Recht gehabt hätte), sagte: «Hallo zusammen, letztens hat mir jemand gesagt, man vergisst sogar den Namen seiner Mutter, wenn man hier oben steht. Den weiss ich noch: Renate, du bist die beste, ... Zum Schluss noch was Kitschiges  – ich darf diesen Abend auch mit meiner Freundin zusammen feiern: Anna, i lieb di!» Was soll man da noch sagen?

Trailer zu «Left Foot Right Foot»

Zu den weiteren grossen Freuden des Abends gehören die beiden Preise für Peter Liechtis Dokumentarfilm «Vaters Garten – die Liebe meiner Eltern». Es ist dies ein berührender Versuch, sich einem halbfremd gebliebenen Vater endlich anzunähern und die Einsicht, dass die Beziehung der Eltern weit komplexer, weit trauriger und doch auch glücklicher ist, als sich der Sohn dies so gedacht hat. Leider war Peter Liechti krank und konnte nicht anwesend sein. Dass Benny Jabergs «The Green Serpent» jetzt offiziell als bester Kurzfilm gilt, ist ebenfalls eine Freude, Jaberg hat da sehr kühn die Liebe der Russen zum Wodka in äusserst berauschte Bilder übersetzt.

Und sonst? Vor der Preisverleihung mussten die Nominierten, die schon stundenlang vor dem Schiffbau oder im Foyer gestanden und mit allen Leuten geplaudert hatten, plötzlich in der Schiffbau-Tiefgarage verschwinden. Um Minuten später wieder in einer Sponsoren-Limousine vorzufahren. Ein Vorgang von einiger Absurdität, aber, so sagte ein Kenner, in Cannes wäre das genauso. Nur glamouröser. 

Wie Roben verblichener Missen

Durch den Abend führte übrigens ein recht geniales Wesen namens Maria Victoria Haas – wer regelmässig die rätoromanische Nachrichtensendung «Telesguard» schaut, kennt sie. Die Frau moderierte fliessend viersprachig, machte keinen einzigen Versprecher und trug auch noch ein ansprechendes Glitzerkleid. 

Sonst waren die modischen Höhepunkte rar an diesem Abend: Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch und die Frau von Bundesrat Alain Berset trugen beide schwarz und schulterfrei, unsere erste «Voice of Switzerland», Nicole Bernegger kam in einem knallroten Mantel und mit einer hübschen puderrosa Blüte im Haar, überraschend präsent war allerlei in schwarzer Spitze, und es gab die üblichen Entgleisungen, die alle aussahen, als wären es die abgelegten Abendroben verblichener Missen. 

Trailer zu «Vaters Garten – die Liebe meiner Eltern»

Wie bei der Oscar-Verleihung wurde auch beim Schweizer Filmpreis der Toten gedacht, doch leider hatte man nur vier gefunden, und die beiden Herren zwischen der Dokumentarfilmerin Jacqueline Veuve und dem Schauspieler Maximilian Schell, die blieben auch nach ihrer Ehrung so unbekannt wie vorher.

Ehrenpreis für Alexander J. Seiler

«Ich möchte betonen, dass ich das Filmemachen immer politisch verstanden habe.»
Alexander J. Seiler

Dafür nahm der 85-jährige Zürcher Dokumentar- und Spielfilmregisseur Alexander J. Seiler seinen Ehrenpreis von Alain Berset mit soviel Souveränität entgegen, wie sie den diesjährigen Oscar-Empfängern gut angestanden hätte: «Ich bin gerührt und berührt und habe eigentlich wenig zu sagen. Ich möchte betonen, dass ich das Filmemachen immer politisch verstanden habe», sagte er und dankte schliesslich den 240 Mitgliedern der Filmpreis-Academy, dafür, «dass der Ehrenpreis zum ersten Mal auch mit Geld verbunden ist.»

Denn Ehre ohne Geld würde einem Künstler nicht allzu viel nützen. Er hat damit, um die Metaphorik, die den ganzen Abend umwehte, noch ein bisschen zu strapazieren, ein scharfes Goal geschossen.  

Schweizer Filmpreis 2014

Die Preisträgerinnen und Preisträger sind:
Spielfilm (25'000 Franken je Nomination): «Der Goalie bin ig» von Sabine Boss.

Darstellerin (5000 Franken je Nomination): Ursina Lardi in «Traumland».

Darsteller (5000 Franken je Nomination): Marcus Signer in «Der Goalie bin ig».

Darstellung in einer Nebenrolle (5000 Franken je Nomination): Dimitri Stapfer in «Left Foot Right Foot».

Dokumentarfilm (25'000 Franken je Nomination): «Vaters Garten – die Liebe meiner Eltern» von Peter Liechti.

Kurzfilm (10'000 Franken je Nomination): «The Green Serpent» von Benny Jaberg.

Animationsfilm (10'000 Franken je Nomination): «The Kiosk» von Anete Meleke.

Drehbuch (5000 Franken je Nomination): Jasmine Hoch, Sabine Boss und Pedro Lenz für «Der Goalie bin ig».

Filmmusik (5000 Franken je Nomination): Peter Von Siebenthal und Richard Köchli für «Der Goalie bin ig».

Kamera (5000 Franken je Nomination): Denis Jutzeler für «Left Foot Right Foot».

Montage (5000 Franken je Nomination): Tania Stöckli für «Vaters Garten – die Liebe meiner Eltern».

Spezialpreis der Akademie für eine herausragende künstlerische oder technische Leistung (5000 Franken): Françoise Nicolet für die Kostüme in «Left Foot Right Foot» und «Les grandes ondes (à l'ouest)».

Ehrenpreis (30'000 Franken): Alexander J. Seiler.

Alle weiteren Informationen finden Sie unter schweizerfilmpreis.ch

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