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Und dann war das Model zu dick ... Der Zürcher Fotograf Walter Pfeiffer im Film

«Walter Pfeiffer – Chasing Beauty»
Der Fotograf und die jungen Männer. Walter Pfeiffer beschäftigt sich mit seinem Lieblingsmotiv.Bild: LookNow!

Und dann war das Model zu dick ... Der Zürcher Walter Pfeiffer lebt im Glamour-Himmel

Er fotografiert Cara Delevingne oder Clown Pennywise aus «It». Er jettet um die Welt und jobbt für Dior und die «Vogue». Mit 71. Zeit für eine kleine Liebeserklärung. Und einen Dokfilm!
19.11.2017, 17:5820.11.2017, 10:53
Simone Meier
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Walti, was ist dein Trick? «Wenn die Leute schön sind, dann gibt’s auch schöne Fotos.» – «Das ist alles?» – «Ja.» Zu den schönen Leuten, mit denen Walter Pfeiffer an einem ganz normalen Tag arbeitet, gehören zum Beispiel Cara Delevingne oder Bill Skarsgard, der Mann unter der Maske von Pennywise in der neuen «It»-Verfilmung. Den hat er grad in London für «Dazed» geshootet. Mit vielen bunten Ballonen. Denn Walters Welt ist bunt, schön und leicht. Entspannte Bilder von happy people.

Schnappschuss mit Cara Delevingne (Mitte) und Walter Pfeiffer (links).
Schnappschuss mit Cara Delevingne (Mitte) und Walter Pfeiffer (links).bild: via facebook/walter pfeiffer

Und er selbst? Nimmt er die 14-Stunden-Tage für ein «Vogue»-Shooting auch so leicht? Mit seinen 71 Jahren? «Entspannt wär schön, ich kann nicht schlafen vor einem Shoot», sagt er, «aber ich will auch nicht zu viel wissen vorher. Du musst da hin und dann alle unterhalten. Und am Schluss für eine selbstironische Pointe sorgen, damit die Models gelöst und glücklich nach Hause gehen.» Damit eine Cara Delevingne sagt: «Walter, with you anytime!»  

Sowas vergisst Walter nicht. Er lebt ein bisschen von Komplimenten. «Und wie ist der Film?», fragt er immer wieder, während wir in der Kronenhallen-Bar sitzen. «Walti, der Film ist super!» Der lustvolle Dokfilm über Leben und Werk des Walter Pfeiffer von Iwan Schumacher, einem Freund und Weggefährten.

Trailer zu «Walter Pfeiffer – Chasing Beauty»

Walter glaubt nicht, dass der Film super ist. Aus zwei Gründen. Der eine heisst Walter, der andere Alter: «Ich hätte mich lieber ein bisschen geschminkt oder das Gesicht mit ein paar Pflästerchen glatt geklebt. Es ist schon schwer, sich ab einem gewissen Alter anzuschauen.» Apropos Gesicht: Kann man als Fotograf das Gesicht eines Models eigentlich schon zu oft auf den Bildern anderer gesehen haben? «Nein, ich hab gern bekannte Gesichter. In der Schulbibliothek schaute ich mir immer die ‹Vogue› an.»  

Der Kellner in der Kronenhallen-Bar gefällt ihm. Und dem Kellner gefällt, dass er dem berühmten Walter Pfeiffer gefällt.

Ewig unterhalten sich die beiden über die Papieruntersetzer mit einem Krönchen drauf. «It’s nice! Das muss ich gleich mitnehmen!» So geht das schon, seit Walter denken kann. Dass ihm schöne Männer gefallen.

Fotografie war seine Rettung. «Bevor ich anfing zu fotografieren, gab’s nur Drama. Ich hatte kein Mittel, meine Faszination umzusetzen. Ich war verliebt! Meine Freundinnen mussten sich immer vollheulen lassen. Die Telefonseelsorge für mich lief heiss. Durch das Zeichnen und das Fotografieren fand ich ein Mittel, mich zu distanzieren.» Und gleichzeitig, die Essenz aus all der Schönheit für sich zu horten. Ein bisschen wie ein Vampir? «Ja genau.»  

jeans for jesus
Die Band Jeans for Jesus, wie Walter Pfeiffer sie sieht.bild walter pfeiffer

Walter fixiert ein Stück Kunst an der Wand der Bar: «Von wem ist dieses hässliche Bild?» Von Warhol. «O Gott, was hat er denn da wieder gemacht?!» Natürlich kennt er Warhol bestens. Denn als Walter Pfeiffer ein junger Künstler war in den 60er- und 70er-Jahren, da war Warhol Gott. Und seine Factory in New York eine Starfabrik. Walter versuchte, zu Warhol zu gelangen, er liess ihm einen Fotoband vorbeibringen, aber Warhol sagte, er solle ruhig weitermachen, bloss anders, das sei ihm alles viel zu «dirty».

Das Problem: Im Fotoband befanden sich nackte Männer. Genauer: Männer mit Schwänzen dran.

Nackte Frauen in allen Details waren kein Problem, die waren ja kunsthistorisch etabliert. Aber nackte Männer, sowas ging damals gar nicht, auch nicht bei Warhol.    

Walter Pfeiffer, Jäger des Schönen, Meister der leuchtenden Farben und leicht überbelichteten Körper, arbeitet am liebsten ungeheuer schnell. Hat eine spontane, aber bestechend klare Idee, wie er einen Menschen mit einem Stoff, einer Blume, einer Frucht kombinieren kann. Es sind recht einfache, aber optisch enorm wirkungsvolle und befriedigende Paradiesvorstellungen, die er hat. Die Bilder triggern ein sofortiges Glücksgefühl. Wirken wie eine Sommernachtsparty. Sind so puristisch, aber zugleich ironisch, dass sie über Jahrzehnte gleich schön bleiben. Natürlich ist sowas ideal für Modefotografie.

«Walter Pfeiffer – Chasing Beauty»
Blättern im Bildertagebuch von früher.Bild: LookNow!

Seit gut 10 Jahren, seit das Fotomuseum Winterthur ihm eine Riesenschau widmete (zu der Walter mit mehreren ultraglamourösen Model-Jungs erschien), ist er einer der begehrtesten Modefotografen der Welt. Walti, wo arbeitest du am liebsten? «Paris oder London. Aber in Mailand ist das Catering viel besser, mmmmhh, ist das fein! Im Gegensatz zu Paris, wo alle immer nur ihre Salätchen essen.»   

Wahrscheinlich war dann wohl auch das italienische Gourmet-Catering dafür verantwortlich, dass bei Walters Auftrag für Ferragamo das Model zu dick für die Kleider war.

Walters Gegenwart ist sowas wie die glitzrige Schaumkrone seiner Karriere. Er hat jetzt endlos Fame. Er kann sich alles wünschen. Wenn er in Paris für seine Fotos nach einer weissen Katze samt Diamanthalsband wie im Bond-Film verlangt, schickt Cartier die Diamanten mit ein paar Bodyguards vorbei. Früher war das anders. Begonnen hat er sein Erwerbsleben als Dekorateur. Bei Globus. In der EPA. Wo er von den Verkäuferinnen viel lernte, was Stil und Intrigieren betrifft.

«Walter Pfeiffer – Chasing Beauty»
Models. Man muss sie unterhalten.Bild: LookNow!

Erst dann kam die Kunsthochschule. Und danach das sehr bescheidene Künstlerleben in der Einzimmerwohnung, wo er auf Auftrag Porträts zeichnete und schöne junge Männer fotografierte, besonders all die sackeitlen Zürcher Popper. Die natürlich alles andere als schwul waren und sich über Walter lustig machten. Doch sie liebten seine Fotos, er liebte seine Models, «passiert» ist zwischen ihnen nichts, es hätte sich zu schnell rumgesprochen, alles wäre vorbei gewesen.    

Von all den früheren Jahren erzählt der Film. Von einem Zürich vor der offenen Drogenszene und vor Aids. Viele von Walters Freunden sind da ums Leben gekommen.

Walti, war Zürich früher so aufregend und glamourös, wie ich mir das gerade vorstelle? Als deine gute Freundin Lady Shiva, die berühmteste Prostituierte der Stadt, vergoldete Wasserhähne in ihrem Bad hatte? Als du verknallten Damen halfst, Liebesbriefe an Bryan Ferry zu gestalten? Als Warhol in der Kronenhalle dinierte? «Kein bisschen. Die ganz Jungen von heute werden bald einmal denken, dass das Zürich aus deiner Jugend glamourös war.»

«Walter Pfeiffer – Chasing Beauty»
Aus diesen Puscheln wird bestimmt was Schönes.Bild: LookNow!

Entsteht Glamour etwa immer nur retrospektiv? «Ich schwelge nie», sagt Walter. Er ist bei all seinen Capricen nicht sentimental. Lebt sein Leben in Phasen, die sich ablösen. «Mein Leben ist eine Rakete, die verglüht. Dann kommt die nächste Stufe», sagt er im Film. Er bedauert nichts. Höchstens, dass er früher ein so miserabler Buchhalter war und heute keine Chance mehr hat, die Käufer seiner frühen Werke ausfindig zu machen.  

Die Sucht nach dem Jetzt, seinem Licht, seinen Farben und seinen perfekten Schönheiten, seine radikale Ablehnung von allem, was ihm «langweilig» vorkommt, ist es, was Walter Pfeiffer immer schon zum Verbündeten der Jugendkultur gemacht hat. Und weshalb ihn die Luxushochglanzmagazine heute zum Chronisten modischer Jugendkultur machen.

Und wie ein sehr junger Mensch behauptet er in jeder Sekunde des Tages, dass ihn keiner wirklich ernst nimmt. Niemand. Nie. Ach, Walter, du lieber alter Falter!

Der Film «Walter Pfeiffer – Chasing Beauty» von Iwan Schumacher läuft ab 23. November im Kino.

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