Regisseur Hong Sangsoo mit dem Goldenen Leoparden.Bild: EPA/KEYSTONE
Filmfestival Locarno
15.08.2015, 16:0415.08.2015, 19:05
Überraschung am Festival del film Locarno: Der von Kritikern favorisierte israelische Beitrag «Tikkun» erhielt «nur» den Spezialpreis der Jury. Der Goldene Leopard ging an den südkoreanischen Film «Right Now, Wrong Then».
Dessen Regisseur Hong Sangsoo kann die goldene Trophäe neben den Silbernen Leoparden stellen, den er in Locarno 2013 für die beste Regie in «U ri sunshi» erhalten hat. In «Right Now, Wrong Then» erzählt er eine beginnende Liebesgeschichte in zwei Varianten, einer unehrlichen und einer ehrlichen. Der Film erhielt auch einen Silbernen Leoparden für den besten männlichen Darsteller, Yae-Young Jung.
Der Spezialpreis-Gewinner «Tikkun» von Avishai Sivan ist ein Schwarzweiss-Film um einen ultra-orthodoxen Musterschüler, der nach einem Nahtod-Erlebnis Appetit auf Popkultur und käufliche Liebe entwickelt. Der Film erhielt auch eine lobende Erwähnung für die Kamera von Shai Goldman.
Die wichtigsten Preise
Goldener Leopard: «Right Now, Wrong Then» von Hong Sangsoo, Südkorea
Spezialpreis der Jury: «Tikkun» von Avishai Sivan, Israel
Beste Regie: Andrzej Zulawski für «Cosmos», Frankreich/Portugal
Beste Darstellerin: Sachie Tanaka, Hazuki Kikuchi, Maiko Mihara und Rira Kawamura in «Happy Hour» von Ryusuke Hamaguchi, Japan
Bester Darsteller: Jae-Young Jung in «Right Now, Wrong Then»
Besondere Erwähnungen: Das Drehbuch von «Happy Hour» und die Kameraarbeit von Shai Goldman in «Tikkun»
Publikumspreis: «Der Staat gegen Fritz Bauer» von Lars Kraume, Deutschland
Variety Piazza Grande Award: «La belle saison» von Catherine Corsini, Frankreich
Der Silberne Leopard für die beste Regie ging an den polnischen Altmeister Andrzej Zulawski für «Cosmos», der von den seltsamen Erlebnissen zweier junger Versager rund um eine verstörende Familien-Pension handelt. Zulawski ist wie Hong Sangsoon ein Locarno-Habitué: 1981 leitete er die internationale Jury.
Die Silberne Auszeichnung für die beste Darstellerin teilt sich das Frauen-Ensemble des japanischen Films «Happy Hour», Sachie Tanaka, Hazuki Kikuchi, Maiko Mihara und Rira Kawamura. Der fünfstündige Film wurde von einer Kritikerin – nicht ganz unpassend – als «‹Sex and the City› auf Japanisch» bezeichnet. Der Film erhielt auch eine lobende Erwähnung für das Drehbuch von Ryusuke Hamaguchi.
Nur Trostpreis für «Heimatland»
Der einzige Schweizer Beitrag im Hauptwettbewerb, das Kollektivwerk «Heimatland», musste sich mit dem dritten Preis der Jugendjury zufrieden geben. Auch beim Publikumspreis, der für einen Piazza-Film vergeben wird, hatten Schweizer das Nachsehen: Weder Lionel Baiers «La Vanité» noch Barbet Schroeders «Amnesia» überzeugte die Zuschauer, sondern der deutsche Justiz-Thriller «Der Staat gegen Fritz Bauer».
Der Film erzählt die wahre Geschichte des Generalstaatsanwaltes, der 1957 dem israelischen Geheimdienst Mossad zur Ergreifung des Nazi-Schergen Adolf Eichmann verhalf und dabei Hochverrat beging. Im Film von Lars Kraume spielt der herausragende Burghart Klaussner die Rolle des einsamen Fritz Bauer. Der Film kommt am 1. Oktober in die Deutschschweizer Kinos.
Die Kritiker der Fachzeitschrift «Variety» vergaben ihren Piazza Grande Award an «La Belle Saison» der Französin Catherine Corsini: Er erzählt von einem Mädchen vom Land, das sich in Paris in eine Feministin verliebt.
Für Schweizer Beiträge fielen ausser in der nationalen Kurzfilm-Sektion, die ihnen vorbehalten ist, nur Brosamen ab. Neben den Jugend-Preis für «Heimatland» gewann die Koproduktion «Keeper» von Guillaume Senez mit Kacey Mottet Klein die Auszeichnung von Europa Cinemas Label, die seine Programmierung in den Kinos des Europa-Cinemas-Verband fördert.
Experimentelles bei den Newcomern
Den Goldenen Leoparden der Nachwuchssektion «Cineasti del presente» erhielt «Thithi» von Raam Reddy, eine Koproduktion von Indien, den USA und Kanada. Darin reagieren ein Sohn, ein Enkel und ein Urenkel auf ganz unterschiedliche Weise auf den Tod des 101-jährigen Sippenältesten Century Gowda.
Der Spezialpreis der Jury in dieser, der zweitwichtigsten Wettbewerbssektion, ging an die spanisch-französische Koproduktion «Dead Slow Ahead» von Mauro Herce. Er spielt auf einem Frachtschiff in einer unbestimmten Zeit, vielleicht ein letztes Überbleibsel einer untergegangenen Zivilisation.
Als bester Nachwuchsregisseur wurde der Chinese Gan Bi für «Kaili Blues» ausgezeichnet. In dem Film strandet ein Arzt aus Kaili in einer Kleinstadt, in der die Zeit nicht linear verläuft. (pbl/sda)
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