Intensive Diskussionen während der Frühlingssession: Natalie Rickli von der SVP mit SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Bild: KEYSTONE
Das Parlament will den Internetzugang zu in der Schweiz nicht zugelassenen Online-Geldspielen sperren. Das hat nach dem Ständerat am Mittwoch auch der Nationalrat entschieden, und dies überraschend deutlich.
Auch der Bundesrat befürwortet solche Sperren. Leicht machte es sich die grosse Kammer mit der umstrittenen Frage nicht: Sie diskutierte in der mehrstündigen Debatte zum Geldspielgesetz nicht weniger als vier Konzepte. Eines hatte die Rechtskommission erarbeitet, drei wurden in Minderheitsanträgen eingebracht.
Netzsperren forderten SP, FDP und CVP mit einem Minderheitsantrag ein, der deutlich angenommen wurde, mit 147 zu 32 Stimmen und 7 Enthaltungen. Im Unterschied zu Bundesrat und Ständerat wollen sie die Fernmeldedienst-Anbieter für den Aufwand entschädigen, den die Sperrungen verursachen.
«Sperren liegen in unserem Interesse, da wir Regeln für den Umgang mit den Spielerträgen haben und einen stärkeren Spielerschutz wollen», sagte Evi Allemann (SP/BE). Der Rat habe ja auch beschlossen, dass nur Casinos mit Schweizer Sitz eine Online-Konzession erhalten dürften.
Der Aufwand, nicht zugelassene Online-Spiele zu sperren, sei vertretbar, sagte Karl Vogler (CSP/OW). Das öffentliche Interesse überwiege, und es bestehe darin, die öffentliche Gesundheit zu schützen und Straftaten zu verhüten. «Sperren wirken. Das zeigen Erfahrungen aus dem Ausland», sagte Thierry Burkart (FDP/AG).
SVP und Grüne verwahrten sich mit Minderheitsanträgen gegen Sperren – obwohl die Mehrheit der SVP dann doch für die Sperren stimmte. Sperren entsprächen nicht dem freiheitlichen, demokratischen Gedankengut, mahnte Franz Grütter (SVP/LU). «Das tun Diktaturen.» Er warnte vor einer neuen Welle des Protektionismus. «Beschliessen wir den Dammbruch, ist das der Anfang von noch viel mehr.»
Sibel Arslan von den Grünen will bei Suchmaschinen den Hebel ansetzen. Bild: KEYSTONE
Die Grünen schlugen vor, dass Suchmaschinen verbotene Spiel-Angebote nicht anzeigen dürften. Ausserdem dürfte auf Suchmaschinen für diese Angebote nicht geworben werden. Das sei ein Kompromiss zwischen Sperre und der abwartenden Haltung der Mehrheit der Rechtskommission (RK), sagte Sibel Arslan (BS).
Denn auch eine knappe Mehrheit der RK betrachtete Internet-Sperren als unverhältnismässig und wandte ein, dass sie leicht zu umgehen seien. Sie wollte aber, dass die Spielbankenkommission gegen nicht zugelassene Angebote vorgehen und den Markt beobachten würde.
Falls nötig, sollte der Bundesrat fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes technische Massnahmen beschliessen können, dabei aber die Informationsfreiheit respektieren müssen.
Für diesen Weg plädierte Beat Flach (glp/AG): Bis in fünf Jahren werde sich die EDV weiterentwickelt haben, sagte er. «Die Situation wird anders sein als heute.» Dann könne etwas getan werden, das tauglich sei.
Justizministerin Simonetta Sommaruga wiederum plädierte für Netzsperren. Von den Gegnern der Sperren wollte sie wissen, wie sie mit Anbietern von verbotenen Spielen umgehen wollten, die keine Konzession hätten.
Corrado Pardini von der SP ist skeptisch, wenn es um ausländische Anbieter geht. Bild: KEYSTONE
Durchschnittliche Spieler seien froh, wenn sie beim Öffnen einer Seite einen Hinweis bekämen, dass das Angebot illegal sei und der nicht konzessionierte Anbieter nicht kontrolliert werde und auch nicht überprüft werde, ob er etwa Gewinne wirklich ausbezahle. Ebenso sei dieser Spieler dankbar für Hinweise auf legale Angebote.
Wie der Ständerat entschied der Nationalrat auch, dass nur Casinos mit Schweizer Sitz Online-Spiele anbieten und ihre Konzession entsprechend erweitern lassen dürfen. Eine Minderheit hätte zusätzlich separate Konzessionen für Internet-Anbieter einführen wollen. Sie argumentierten mit Wettbewerb und einem breiteren Angebot.
Mit diesen Konzessionen hätten auch ausländische Anbieter legal Online-Spiele anbieten können. Die Kommissionsmehrheit hielt dies jedoch für problematisch. Mögliche Bewerber für Online-Konzessionen wären Firmen, die von Offshore-Standorten aus operierten, sagte Sprecher Corrado Pardini (SP/BE).
Diese Firmen akquirierten Schweizer Kunden und setzten sich bewusst über Schweizer Vorschriften hinweg. Schweizer Spielbanken dagegen hätten einen engen Bezug zur Schweiz und seien an einer nachhaltigen Geschäftsentwicklung interessiert.
In den insgesamt sieben Stunden Debatte am Mittwoch konnte der Nationalrat die mit zahlreichen Minderheitsanträgen versehene Vorlage nicht zu Ende beraten. Noch offen ist darum, ob Glückspilze, die im Casino oder im Lotto Gewinne einstreichen, dem Fiskus Geld abliefern müssen. Die Frage ist umstritten.
Der Ständerat will Gewinne aus Sportwetten und Lotterien bis zu 1 Million Franken steuerfrei halten. Die Nationalratskommission und der Bundesrat wollen alle Gewinne aus Geldspielen steuerfrei halten.
Minderheiten im Nationalrat beantragen allerdings Besteuerungen. Eine vollständige Steuerbefreiung würde bei Bund, Kantonen und Gemeinden zu Steuerausfällen von insgesamt rund 104 Millionen Franken pro Jahr führen. Das hat der Bundesrat in der Botschaft errechnet.
Die Debatte über das Geldspielgesetz wird voraussichtlich am 15. März, in der dritten Sessionswoche, fortgesetzt. (sda)
Sowohl das neue Geldspielgesetz als auch die Vollgeldinitiative würden derzeit von einer Mehrheit des Volks abgelehnt. Das zeigt die erste Tamedia-Umfrage zu den eidgenössischen Abstimmungen vom 10. Juni. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.
Wäre Ende April entschieden worden, hätten 53 Prozent der Befragten «eher Nein» oder «Nein» gestimmt zum Geldspielgesetz. Dieses sieht vor, dass Schweizer Casinos künftig Geldspiele im Internet anbieten dürfen, ausländische Online-Casinos aber gesperrt werden. Weil dafür Netzsperren nötig wären, ergriffen Jungparteien das Referendum.
Gemäss der Tamedia-Umfrage würden zurzeit nur 42 Prozent der vom Parlament verabschiedeten Vorlage bestimmt oder eher zustimmen. 5 Prozent der Befragten haben sich …