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«Feminismus ekelt mich an»: Wie diese junge Bloggerin einen Aufschrei auslöst und sich unsere Redaktorinnen deshalb in den Haaren liegen

«Feminismus ekelt mich an»: Wie diese junge Bloggerin einen Aufschrei auslöst und sich unsere Redaktorinnen deshalb in den Haaren liegen

10.04.2015, 16:2911.04.2015, 17:24
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Der Feminismus schaffe sich selbst ab, schreibt die deutsche Bloggerin Ronja Rönne. Und trifft damit einen Nerv: Über 12'000 Mal wurde der Kommentar der 23-Jährigen über Feminismus auf Welt.de geteilt, rund 200 Mal kommentiert. Rönnes Kernaussagen:

  • Feminismus sei nur noch Symptom einer Empörungskultur und kämpfe nicht mehr für Gerechtigkeit, sondern um Aufmerksamkeit. «In der Zwischenzeit machen Frauen, die sich nicht um den Feminismus scheren, Karriere.» 
  • «An die Stelle des Kampfes um Frauenrechte ist schon lange der Kampf des Individuums um sein Glück getreten». 
  • Lohnunterschiede seien keine Frage des Geschlechts, sondern ob man sich Geschlechterklischees entsprechend verhalte.
  • Vielleicht gebärde sich der deutsche Feminismus deswegen so seltsam, weil er nicht mehr gebraucht werde. Weil es «immer mehr eine Frage des Selbstbewusstseins und nicht des Geschlechts ist, eine Gehaltserhöhung zu fordern.»

Hat sie recht oder nicht? Braucht es Feminismus oder nicht? Die watson-Redakteurinnen Gina Schuler, 23, und Rafaela Roth, 27, streiten sich.

Gina Schuler, 23
Wie die Autorin habe ich, und viele in meinem Alter, nie mit diesem Problem gekämpft – weil vielleicht meine Generation eine der ersten ist, die nicht mehr mit den in Stein gemeisselten Rollenbildern aufgewachsen ist (ausser dass es natürlich immer noch die beschissenen Meitli- und Buebe-Abteilungen in den Läden gibt, aber das geht mir zu weit) und dementsprechend diese Probleme nicht kennt. Das ist ein gutes Zeichen für den Kampf um Gleichberechtigung.
Mir geht's nur auf den Senkel, dass ich als ignorant hingestellt werde, weil mir die Feminismus-Diskussionen auf den Senkel gehen.
Ich glaube an unsere Macher-Generation. Ich fühle mich gleichberechtigt. Und klar, man kann darüber diskutieren, wo überall noch Handlungsbedarf besteht. Aber dann kann ich gleich aufhören zu leben. Denn Missstände gibt es überall. Und sorry an alle, aber ich finde in meiner Lage, mit meinem Alter, in meiner Generation, ist Gleichberechtigung mein kleinstes Problem. 
Rafaela Roth, 27
Es ist nicht besonders cool, Feministin zu sein. Anders ist es nicht zu erklären, warum junge Frauen wie die Welt-Redakteurin Ronja von Rönne lieber keine sein wollen. Es ist viel cooler zu sagen, dass man diese ganze Debatte überhaupt nicht nötig hat. Das ist Mist, sehr verwöhnt und fernab der Realität. Solange Frauen rund um den Globus mit gleicher Ausbildung auf gleichem Posten weniger verdienen als Männer, haben wir ein gesellschaftliches Problem. Solange gefordert wird, dass Frauen sich – gerade bei Lohnverhandlungen – den Gepflogenheiten der Männer anpassen, läuft etwas schief. Solange überhaupt Forderungen nach Frauenquoten auftauchen, weil die Frauen angeblich nirgends aufzutreiben sind, haben wir ein strukturelles Problem. Hunger existiert, obwohl ich grad nicht hungere. Häusliche Gewalt existiert, auch wenn ich es Daheim friedlich habe. Ungleicheit zwischen den Geschlechtern existiert, auch wenn ich nicht darunter leide. Deshalb dürfen wir die Geschlechter-Debatte nicht auf radikale «Emma»-Autoren reduzieren und für überflüssig erklären. Feministin zu sein, heisst Humanistin zu sein. Und das ist verdammt cool.

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93 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dewar
10.04.2015 19:22registriert Januar 2015
Viele Leute - allen voran leider oft die Feministinnen selber - verwechseln Feminismus mit Männerhass. Man empört sich, aber diskutiert nicht auf der Sachebene und basht stattdessen pauschal auf die Männer ein. Dabei unterstützen hierzulande die meisten Männer das Konzept der Lohngleichheit, reagieren aber verständlicherweise gereizt auf die Vorwürfe. Frauen müssen sich aber auch in anderen Bereichen mit Gleichberechtigung auseinandersetzen. Wenn es z.B. um den Wehrdienst oder Sorgerechtsentscheide geht sind Frauen meistens bevorteilt. Gleichberechtigung funktioniert nicht als Einbahnstrasse!
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Adrian Bürgler
10.04.2015 17:24registriert Januar 2015
Ich finde Feminismus ist das falsche Wort. Schliesslich geht es um die Gleichstellung aller Menschen und nicht um eine Sonderbehandlung der Frauen. Da wäre Humanismus defintiv das passendere Wort. Und ja, es gibt noch Bereiche, in denen Frauen benachteiligt werden. Das gilt es zu ändern. Gleichzeitig gibt es aber auch auf der "anderen Seite" Bereiche, in denen Männern benachteiligt werden. Und dies gilt es genau so zu ändern.
Rönne hat aber mit der Aussage recht, dass mit dem empörten Anspruchsverhalten, das sich in einigen Köpfen eingeschlichen hat, auch nichts erreicht wird.
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8004 Zürich
10.04.2015 18:12registriert Februar 2015
Geschätzte Rafaela Roth. Wie Du implizierst, sollte man als Frau in jedem Fall Feministin sein. Wie ist denn das als Mann? Gibt es dafür überhaupt einen Begriff? Ich meine, ich unterhalte mich immer gerne über Gleichberechtigung, da "Humanismus", nennen wir es doch einfach Gerechtigkeit, ein wichtiges Thema ist. Bloss weshalb lösen sich diese Gespräche mit Frauen immer dann in Luft auf, wenn man sich der Gleichberechtigung in Aufenthaltsfragen von Trennungskindern (ca. 7250 von 7800 Entscheide zu Gunsten der Kindsmutter 2013 oder so). Gleichheit soll her - aber es wird nur vom Lohn gesprochen.
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