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Das riskierst du, wenn du den Belästiger auf Twitter outest

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Bild: KEYSTONE

#VerpfeifDeinSchwein und #MeToo – das riskierst du, wenn du den Grüsel auf Twitter outest

Nach dem Weinstein-Skandal berichten auf den sozialen Medien Tausende Frauen von sexueller Belästigung und Übergriffen. Gewisse nennen auch den Namen des Täters – und müssen dabei mit Konsequenzen rechnen.
19.10.2017, 18:2920.10.2017, 08:56
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«Ein Chefredaktor, grosser Radiosender, schmaler Flur, packt mich am Hals: ‹Einmal werde ich dich ficken, ob du es willst oder nicht›.» Erlebnisberichte wie dieser der französischen Radio-Journalistin Giulia Foïs liest man zurzeit überall auf den sozialen Netzwerken. 

Ausgelöst hat die Welle der Entrüstung der Skandal um den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein, der über Jahrzehnte hinweg Frauen sexuell belästigte und damit davon kam – bis jetzt. 

Weinstein ist lange kein Einzelfall. Frauen auf der ganzen Welt werden von Männern begrapscht oder unflätig angemacht.

Unter den Hashtags «MeToo» und «VerpfeifDeinSchwein» nennen manche Frauen nun auch die Namen der Belästiger.

Angefangen hat alles mit der französischen Journalistin Sandra Mueller. Von ihr stammt die wenig vornehme Verschlagwortung «balancetonporc»

#Balancetonporc, Verpfeif dein Schwein! Erzähl auch du detailliert, wie du an deinem Arbeitsplatz sexuell belästigt wurdest und oute deinen Belästiger mit Namen. 

Nur wenige Stunden nach diesem Tweet erzählt Muller selbst, wie ihr früherer Vorgesetzter ihr zugeraunt habe: «Du hast grosse Brüste, du bist mein Typ. Ich werd's dir die ganze Nacht besorgen.» Dabei nennt die Journalistin den vollen Namen des Täters. 

In der Schweiz spricht sich unter anderem die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger für ein «Outing» der Täter aus.

Es klingt einleuchtend: Der ehemalige Chef, Lehrer oder Partykollege könnte so seine verdiente Strafe erhalten und müsste sich in aller Öffentlichkeit in Grund und Boden schämen. Oder wichtiger: Andere Frauen wären vor ihm gewarnt. 

Doch was riskiert man in der Schweiz, wenn man jemanden auf Twitter und Co. namentlich der sexuellen Belästigung beschuldigt?

Medienanwalt Andreas Meili erklärt auf Anfrage: «Wenn die Person nicht beweisen kann, dass ihre Anschuldigung wahr ist oder sie zumindest ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, riskiert sie, sich der üblen Nachrede strafbar zu machen.» Ein solches Vergehen könne mit einer Geldstrafe von bis zu 540'000 Franken bestraft werden. 

Die beschuldigte Person könnte in einem solchen Fall auch Anklage wegen Persönlichkeitsverletzung erheben, sagt Meili. Hier drohen zusätzlich Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen. Dasselbe gelte für Anschuldigungen, in denen die Person nicht namentlich gennant wird, Dritte sie jedoch aufgrund anderer Merkmale erkennen können.

Selbst wenn man das auf der sozialen Plattform beschriebene Verhalten beweisen kann oder der Täter dafür verurteilt wurde, darf man ihn grundsätzlich nicht online an den Pranger stellen. «Das hängt davon ab, ob es sich um einen schweren oder leichten Fall handelt und wie bekannt die beschuldigte Person ist», sagt Meili. Je schwerer der Fall oder bekannter die Person, umso mehr müsse sie sich Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte gefallen lassen.

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Palatino
19.10.2017 19:22registriert Juli 2015
Dazu kann ich nur sagen, es gab einen guten Grund, den öffentlichen Pranger vor langer Zeit abzuschaffen. Wer Opfer sexueller Übergriffe wurde, soll sich mit den Mitteln wehren, die vom Rechtsstaat zur Verfügung gestellt werden. Auch wenn diesbezüglich noch Verbesserungsbedarf besteht, gab es doch in den letzten Jahren entscheidende Verbesserungen (etwa dass Frauen von Frauen befragt werden).
Die öffentliche Abstrafung eines (möglicherweise unschuldigen) Mitmenschen in den sozialen Medien bedarf nur eines Mausklicks, aber es kann das reale Leben für alle Beteiligten zur Hölle machen
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raues Endoplasmatisches Retikulum
19.10.2017 19:14registriert Juli 2017
Jaaaa, wer will schon in einem Rechtsstaat leben, wenn es auch wie im Mittelalter geht.
Wetzt die Heugabeln, entzündet die Fackeln, der Mob ist los und der Mob will Blut sehen.
An den digitalen Pranger mit ihnen.

Meine Güte, fällt denen nicht auf, dass hier auch total unbescholtene Personen einfach angeklagt und öffentlich diskreditiert werden könnten? Medienkompetenz und so? Aber nein, es geht ja um eine gute Sache und sie stehen ja auf der richtigen Seite!
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Menel
19.10.2017 19:13registriert Februar 2015
Schutz der Persönlichkeitsrechte ist richtig und wichtig. Unser Rechtsstaat ermöglicht jedem auf dem Rechtsweg gegen Angriffe auf die eigenen Persönlichkeit vorzugehen. Pranger war im Mittelalter und nur weil er jetzt digital ist, heisst das nicht, dass man ihn wieder hervor holen soll.
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