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Gesellschaft & Politik

Bundesratskandidaten, Carpooling und Rabattjäger: Die Themen der Sonntagspresse

Exemplare verschiedener Sonntagszeitungen liegen auf einem Tisch, aufgenommen in Zuerich, am Mittwoch, 30. Januar 2013. Die beiden Sonntagszeitungen "Der Sonntag" der Aargauer AZ Medien und  ...
Pornografie von Jugendlichen, schummelnde Hobbysportler und ein Bär in Luzern: Die Themen der Sonntagszeitungen.Bild: KEYSTONE

Bundesratskarussell, Tinder für Autofahrer und Rabatte: Das schreibt die Sonntagspresse

23.07.2017, 06:4423.07.2017, 12:06
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Cassis als Favorit

Trotz weiblicher Konkurrenz aus der Romandie durch die Waadtländer Staatsrätin Jacqueline de Quattro dürfte der Nachfolger von FDP-Bundesrat Didier Burkhalter Ignazio Cassis heissen. Davon geht CVP-Präsident und Nationalrat Gerhard Pfister aus. Der Tessiner Nationalrat Cassis sei so gut wie gewählt, sagt Pfister im Interview mit den Zeitungen «Zentralschweiz am Sonntag» und «Ostschweiz am Sonntag».

ARCHIVBILD ZUR NOMINATION VON IGNAZIO CASSIS ALS BUNDESRATSKANDIDAT DER FDP - Nationalrat Ignazio Cassis, FDP-TI, verfolgt die Debatte an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 1 ...
Er sei «so gut wie gewählt», meint Gerhard Pfister: Der Tessiner Nationalrat Ignazio Cassis.Bild: KEYSTONE

Seit Burkhalters Rücktrittsankündigung laufe alles auf den Tessiner hinaus. Der CVP-Präsident aus Zug sieht für Cassis nur einen Stolperstein: Da dieser schon jetzt als praktisch gewählt gelte, werde sich die Kritik von Medien und anderen Parteien voll auf ihn fokussieren, sagte Pfister. Bedingungen will der CVP-Präsident der FDP nicht stellen. In einer Konkordanzregierung sei es unsinnig, von einem Freisinnigen eine SP-, SVP- oder CVP-Politik einzufordern. Pfister erwartet, dass der neue FDP-Bundesrat für die Linie seiner Partei kämpfe, aber Kompromisse zu Gunsten des Gesamtwohls eingehe.

Ignazio Cassis verteidigte derweil in einem Interview mit «Le Matin Dimanche» den Anspruch des Tessins auf den Bundesratssitz. Zu Rufen nach einer Frauenkandidatur sagt Cassis, er glaube, die Geschlechterfrage sei zweitrangig. Er wäre als Frau verärgert – egal ob in der Politik oder in der Wirtschaft – wenn er bloss gewählt würde, weil er eine Frau sei.

Bei der bevorstehenden Ersatzwahl am 20. September stellen sich derweil wiederum Personen aus der Bevölkerung als wilde Kandidaten zur Verfügung. Bis am Samstag hatten sich vier Wilde zur Ersatzwahl für den abtretenden FDP-Bundesrat Didier Burkhalter gemeldet, wie die Parlamentsdienste auf Anfrage der «SonntagsZeitung» mitteilten. Ihre Namen werden der Öffentlichkeit jeweils nicht mitgeteilt.

Ihre Kandidatur öffentlich gemacht hat Verena Lobsiger aus dem bernischen Interlaken. Sie will vor allem auf die schwierige Situation von über 50-Jährigen aufmerksam machen, wenn diese wie sie selbst ihre Stelle verlieren. Es ist das Recht jeder wahlfähigen Schweizerin und jedes wahlfähigen Schweizers, sich als Bundesratskandidat aufstellen zu lassen.

Tinder für Autofahrer

Schweizer Autopendler sollen auf der Fahrt zur Arbeit vermehrt Platz machen für andere Mitfahrer. Dies will der Bund und plant laut «NZZ am Sonntag» eine «nationale Carpooling-Initiative». Deren Ziel ist es, die durchschnittliche Belegung im Stossverkehr von 1,1 auf 1,5 Menschen pro Auto zu erhöhen. Damit sollen das Verkehrsaufkommen und der Energieverbrauch um fast einen Drittel reduziert werden.

«Wenn wir nicht immer mehr Strassen bauen wollen, müssen wir versuchen, die bestehende Infrastruktur besser zu nutzen», sagt Christoph Schreyer, Leiter Mobilität im Bundesamt für Energie, der Zeitung. Versuche, Fahrgemeinschaften zu fördern, gab es schon mehrere. Der neue Anlauf zielt darauf ab, das Verhalten der Autofahrer zu ändern. Erreicht werden soll dies mit Smartphone-Applikationen, bei denen die Benutzer die Mitfahrer wie bei der Dating-App Tinder nach gewissen Kriterien aussuchen, aber auch mit Anreizen wie etwa billigeren Parkplätzen für Gemeinschaftspendler.

Der Bund will mit Akteuren aus der Wirtschaft bis Ende Jahr eine Konzeptstudie erstellen und danach über deren Start entscheiden. In die Arbeiten einbezogen ist auch die Dialogplattform Avenir Mobilité, in der sich grosse Firmen wie Coop, die Post, Swisscom, SBB, IBM oder Siemens engagieren.

Mehr neue Schweizer

In der Schweiz zeichnet sich bei Einbürgerungen im laufenden Jahr ein neuer Rekord ab. Bis zur Jahresmitte liessen sich in der Schweiz 20'851 Personen einbürgern, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Das sind sieben Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2016. Halte der Trend an, seien es Ende Jahr über 46'000 Personen. Einiges deute darauf hin, dass sich der Zuwachs noch verstärke. Der bisherige Rekordwert von 2006 steht bei 47'607 Einbürgerungen.

Grund für den Anstieg ist laut der Zeitung eine bevorstehende Verschärfung des Gesetzes. Ab 2018 wird eine Niederlassungsbewilligung C verlangt. Der Effekt werde zusätzlich verstärkt, weil es linke Kreise nötig gefunden hätten, alle Ausländer dazu aufzurufen, noch rasch ein Gesuch einzureichen, kritisiert FDP-Ständerat Philipp Müller. Er meint Politiker wie etwa die Zürcher SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch, die entsprechende Briefe an Ausländer verschickt hat.

Philipp Müller, Ständerat FDP
FDP-Ständerat Philipp Müller.

Jugendliche haben ein Porno-Problem

Immer mehr Schweizer Jugendliche machen sich der Pornografie strafbar. Im letzten Jahr waren es 224 Minderjährige, die verurteilt wurden, 2011 waren es erst 47 gewesen, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Die Zahl der Anzeigen habe sich ebenfalls fast verfünffacht. Sehr oft handle es sich um Jugendliche, die pornografische Videos und Bilder aus dem Internet in Klassenchats untereinander verschickten, erklärt Patrik Killer, leitender Zürcher Jugendanwalt.

Zum Verhängnis wird den Kindern ein Artikel, der es verbietet, an Personen unter 16 Jahren pornografische Inhalte zu senden. Fachleute halten das Gesetz für problematisch. Man könne sich fragen, ob damit nicht die Jugendlichen selbst kriminalisiert werden, die solche Inhalte unter Gleichaltrigen verschicken würden, wird Jugendanwalt Killer zitiert.

Niklaus Ruckstuhl vom Schweizerischen Anwaltsverband fordert, dass Jugendliche massiv milder bestraft würden, die «normale» Pornografie unter Gleichaltrigen teilen würden. Verbote und Strafen würden bei solchen Vergehen wenig Sinn machen. Oft ist den Teenagern offenbar nicht bewusst, dass sie illegal handeln. Das Thema werde an den Schulen leider vernachlässigt, sagt Esther Elisabeth Schütz, Leiterin des Instituts für Sexualpädagogik in Uster ZH. Vielen Lehrern fehle das fachliche Wissen.

Schweizer lieben Sammelpunktkarten

Die Schweizer sind ein Volk von Rabattjägern, obschon der Nutzen von Sammelpunktkarten minimal ist. Laut neusten Zahlen des Marktforschungsinstituts GfK Schweiz sind über 14,1 Millionen Kundenkarten im Umlauf, wie der «SonntagsBlick» berichtet. Die Wichtigsten sind dabei die «Supercard» von Coop mit 3,17 Millionen Kärtchen und «Cumulus» von Migros mit 2,95 Millionen Stück. Bei Migros werden 79 Prozent des Umsatzes mit «Cumulus» erfasst. Beim Rivalen Coop sind es 72 Prozent.

Doch der Lohn für die Hergabe der eigenen Konsumdaten sei mager, schreibt die Zeitung. Einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox zufolge erhalten die Kunden relativ wenig zurück. Bei den grössten Kundenkarten-Programmen mit über 600'000 Karten etwa von Coop, Migros, Ikea, Manor und PKZ sparten die Benützer in der Regel rund ein Prozent des Geldes ein, das sie ausgegeben hätten.

Schweizer leitet Rechtsextremen-Schiff

Ein Schweizer Armeeoffizier koordiniert offenbar ein Rechtsextremen-Schiff auf dem Mittelmeer, das vor der libyischen Küste Hilfsorganisationen blockieren und Flüchtlinge stoppen will. Wie der «SonntagsBlick» schreibt, ist ein Genfer Chefplaner der Aktion rund um das Schiff C-Star. Der 32-Jährige diente als Oberleutnant in der Schweizer Armee. Zusammen mit Aktivisten aus mehreren Ländern koordiniere er die Mittelmeer-Mission.

In den letzten Tagen trat er auf Sizilien öffentlich als einer der Köpfe der Aktion auf. In der Hafenstadt Catania, von wo aus die C-Star in den nächsten Tagen starten will, informierte er Journalisten über den aktuellen Stand des Projekts und gab Interviews über die Beweggründe. Er selbst will nicht an Bord gehen.

Er gehört zu den führenden Ideologen der völkischen Identitären, die das Schiff gechartert haben. In Frankreich amtet er als Landesleiter der Gruppierung und bildet angehende Kader aus. Über eine Crowdfunding-Webseite sammelten die Aktivisten knapp 125'000 Franken. Ein Teil des Geldes stammt der Zeitung zufolge aus der Schweiz. Hiesige Rechtsextreme hätten mehrere Tausend Franken gespendet.

Betrügerische Hobbysportler

Die Schummeleien von Hobbysportlern nehmen neue Ausmasse an. Inzwischen sind Bergläufe, Marathons und auch Veranstaltungen mit Kindern betroffen, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. «Betrügereien der Teilnehmer sind mittlerweile fast bei jeder grossen Veranstaltung für Läufer, Radfahrer oder Triathleten ein Thema», sagt Andreas Csonka, CEO der Firma Datasport, dem grössten Anbieter von Zeitmessungen für Grossveranstaltungen in der Schweiz.

Die Laeuferinnen starten zur 5 km Strecke am 31. Schweizer Frauenlauf, am Sonntag, 11. Juni 2017 in Bern. (KEYSTONE/Thomas Delley)
Wurde hier auch geschummelt? Berner Frauenlauf im Juni.Bild: KEYSTONE

Teils sind Läufer den Angaben zufolge plötzlich auf dem Velo unterwegs oder Radfahrer mit dem Auto. Der Lauf-Veranstalter Swiss Runners führte deswegen eine «schwarze Liste» mit fehlbaren Athleten ein.

In Luzern ist der Bär los

Im Kanton Luzern ist offenbar ein Bär gesichtet worden. Ein Landwirt aus der Gemeinde Flühli schilderte der «Zentralschweiz am Sonntag», wie er im Juni einen Braunbär beobachtete, der sich über das Gelände seiner Liegenschaft bewegte. Er sei sich zu hundert Prozent sicher, dass es sich beim Tier um einen Bären gehandelt habe, wird der Bauer zitiert.

Bei der zuständigen Dienststelle des Kantons hält man es für durchaus möglich, dass sich erstmals seit dem 19. Jahrhundert wieder ein freilebender Bär in Luzern aufgehalten hat. Ein gesicherter Nachweis, dass es sich tatsächlich um einen Bären gehandelt hat, liegt beim Kanton allerdings bislang nicht vor. So fehlen zum Beispiel Kotspuren oder die Aufnahme aus einer Fotofalle. (sda)

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Breel Embolo ist kein Kind von Traurigkeit. Schon mehrfach geriet der Natistürmer mit dem Gesetz in Konflikt. Im vergangenen Jahr wurde er wegen «mehrfacher Drohungen» schuldig gesprochen und zu einer hohen bedingten Geldstrafe verurteilt. Wegen Vermögensdelikten muss er in Basel bald wieder vor Gericht. Und unvergessen ist die Story, als er in Deutschland – er spielte damals für Gladbach – während Corona an einer illegalen Party teilgenommen hatte, dann vor der Polizei geflüchtet ist und sich angeblich in einer Badewanne versteckt hat.

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