Noch gar nicht so lange her: SVP-Kampagne gegen den Mutterschaftsurlaub im Jahr 2004.Bild: KEYSTONE
Die 14-wöchige Babypause für arbeitende Mütter ist heute auch im rechten Lager weitgehend unbestritten. Das war nicht immer so: 2004 bekämpfte die SVP die Mutterschaftsversicherung mit Argumenten, die nun im Kampf gegen den Vaterschaftsurlaub ein Revival erleben.
26.10.2017, 08:4026.10.2017, 18:56
Folge mir
Vier Wochen Vaterschaftsurlaub? Keine gute Idee, findet der Bundesrat. Letzte Woche gab er bekannt, dass er eine entsprechende Initiative von Travail.Suisse und weiteren Organisationen ablehnt. Als Hauptgrund führte er die Kosten an, «welche die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beeinträchtigen würden».
Schützenhilfe erhielt er unter anderem von der NZZ. In einem Kommentar mit dem Titel «Populismus für Papi» fragte Inland-Redaktor Lucien Scherrer rhetorisch: «Kann ‹Papi› wirklich nur dann ein guter ‹Papi› sein, wenn ihm der Staat 20 freie Tage spendiert? Und ist es gerecht, wenn die Allgemeinheit dafür aufkommen muss?»
Stösst auf Widerstand: Die Initiative für einen bezahlten Vaterschaftsurlaub.Bild: KEYSTONE
Eine ganz ähnliche Diskussion führte die Schweiz vor etwas mehr als einem Jahrzehnt bereits einmal. Anlass damals: Die Einführung eines Mutterschaftsurlaubs. Als letztes Land Europas rang sich die Schweiz 2004 dazu durch, Frauen nach der Geburt den Lohn fortzuzahlen – während 14 Wochen, zu 80 Prozent, finanziert über die Erwerbsersatz-Ordnung.
Dem Entscheid war ein jahrzehntelanges Ringen vorausgegangen. 1974, 1984, 1987 und 1999 hatte das Stimmvolk vier Varianten einer Mutterschaftsversicherung an der Urne versenkt. Im Abstimmungskampf 2004 stellte sich von den grossen Parteien dann nur noch die SVP quer. Dies tat sie allerdings resolut – und mit Argumenten, die jenen in der heutigen Debatte zum Verwechseln ähnlich sehen.
Die Familie ist Privatsache
Jürg Stahl Anfang der 2000er-Jahre.Bild: KEYSTONE
2004: Jürg Stahl (SVP)
«Die private Angelegenheit Schwangerschaft, welche in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich in unserem Land gut funktioniert hat, muss nicht mit neuen Sozialversicherungen angereichert werden.»
Im Parlament über den Mutterschaftsurlaub
2016: Regine Sauter (FDP)
«Letztlich handelt es sich beim Vaterschaftsurlaub um ein privates Bedürfnis. Es ist den jungen Vätern zuzumuten, auf den Zeitpunkt der Geburt hin Ferien zu beziehen oder unbezahlten Urlaub zu nehmen.»
Im Parlament über den Vaterschaftsurlaub
Die Wirtschaft würde übermässig belastet
Rachel Grütter war Nationalratskandidatin der Zürcher SVP.Bild: KEYSTONE
2003: Rachel Grütter (SVP)
«Die geplante Mutterschaftsversicherung würde die Wirtschaft, vor allem kleinere und mittlere Betriebe, finanziell stark belasten. Wenn eine Arbeitnehmerin während 14 Wochen nicht arbeitet, so ist das für den Arbeitgeber ein grosser Verlust.»
An der Delegiertenversammlung ihrer Partei
2017: der Bundesrat
«Ein solcher [Urlaub] würde die Wirtschaft mit zusätzlichen Abgaben belasten und die Unternehmen vor grosse organisatorische Herausforderungen stellen.»
In seiner Stellungnahme zur Vaterschaftsurlaubs-Initiative
Die Sozialwerke sind schon jetzt am Anschlag
Jasmin Hutters Warnung verhallte ungehört.Bild: KEYSTONE
2004: Jasmin Hutter (SVP)
«Wir befinden uns in einer Zeit, in welcher es darum geht, die bestehenden Sozialwerke zu sichern. Einen Sozialausbau zwecks dieser Mutterschaftsversicherung können wir uns nicht leisten!»
In einem Gastkommentar im «St.Galler Tagblatt»
2017: Verena Herzog (SVP)
«Einer weiteren Belastung der Sozialausgaben kann nicht zugestimmt werden. Viel eher ist dringend eine Konsolidierung im Bereich der Sozialversicherungen, dem grössten Kostentreiber unseres Staatshaushaltes, erforderlich.»
Im Parlament zum Thema Elternurlaub
Die anderen Länder sind auf dem Holzweg
This Jenny 2003 im Parlament.Bild: KEYSTONE
2003: This Jenny (SVP)
«Wir sind auf dem besten Wege, Fehler, die unsere Nachbarländer vor zehn bis fünfzehn Jahren in der Sozialpolitik gemacht haben, nun ebenfalls zu begehen. Das ist gelinde gesagt grobfahrlässig.»
Im Parlament zum Thema Mutterschaftsurlaub
2017: NZZ
«Mehr ‹Papizeit› ist möglich, ohne dass die Schweiz auf einen überbordenden Nanny-Staat nach deutschem oder schwedischem Vorbild zusteuert.»
Inlandredaktor Lucien Scherrer in einem Kommentar zum Vaterschaftsurlaub
Die Firmen sollen's richten
Jürg Stahl zum Zweiten.Bild: KEYSTONE
2002: Jürg Stahl (SVP)
«Brancheninterne Lösungen scheinen mir wesentlich sinnvoller zu sein als die hier vorliegende sozialpolitische Lösung.»
Im Parlament über den Mutterschaftsurlaub
2017: NZZ
«Gefragt sind Lösungen, die auf die Eigenverantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern setzen.»
Inlandredaktor Lucien Scherrer in einem Kommentar zum Vaterschaftsurlaub
Problematische Anspruchshaltung
Auch der Chef äusserte sich zum Thema.Bild: KEYSTONE
2003: Christoph Blocher (SVP)
«Es ist falsch, die eigenen Probleme über den Staat lösen zu wollen. Da machen wir nicht mit.»
In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» über die Mutterschaftsversicherung
2017: «Finanz und Wirtschaft»
«Hinter der Forderung nach einem obligatorischen Vaterschaftsurlaub steht ein problematisches Staatsverständnis und Menschenbild. Demnach hat der Staat den Bürger möglichst rundum und von der Wiege bis zur Bahre zu betreuen und für sein individuelles Glück und Wohlergehen zu sorgen.»
Es droht ein Dammbruch
Jasmin Hutter im Bild mit Parteikollege Toni Brunner.Bild: KEYSTONE
2004: Jasmin Hutter (SVP)
«Und es werden neue Begehrlichkeiten kommen. Deshalb sage ich: Wehret den Anfängen.»
Im «Blick» über den Mutterschaftsurlaub
2015: Sebastian Frehner (SVP)
«Der Staat muss bei solchen Dingen nicht eingreifen, sonst werden als Nächstes auch noch bezahlte Flitterwochen gefordert.»
Im «Boten der Urschweiz» über den Vaterschaftsurlaub
Bald 20 Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub?
Video: srf
Und jetzt: Die wohl peinlichsten Eltern der Welt
1 / 13
Und jetzt: Die wohl peinlichsten Eltern der Welt
Mit Papi auf Safari.
Bild: imgur Das könnte dich auch interessieren:
Das könnte dich auch noch interessieren:
Die Flucht vor dem Wintereinbruch in den Süden hat am späten Donnerstagnachmittag vor dem Gotthard-Nordportal viel Geduld erfordert. Die Autos stauten sich zwischen Erstfeld und Göschenen UR auf einer Länge von sieben Kilometern.