Schweiz
Gesellschaft & Politik

Sexting-Fall: Täter kassiert viereinhalb Jahre Gefängnis

Der Angeklagte E.C* (im weissen Lieferwagen) auf dem Weg ins Horgener Gericht.
Der Angeklagte E.C* (im weissen Lieferwagen) auf dem Weg ins Horgener Gericht.Bild: Sven Zaugg
«Skrupellos und eiskalt»

Sexting-Fall: Täter kassiert viereinhalb Jahre Gefängnis

Am Bezirksgericht Horgen ist ein 22-Jähriger wegen Vergewaltigung, sexueller Handlung mit Kindern und Pornografie verurteilt worden. Der Angeklagte hatte Mädchen mit Nacktbildern erpresst. 
07.05.2014, 13:4425.06.2014, 09:51
No Components found for watson.skyscraper.
Gelöschter Benutzer
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Eine solche Tat und das Vorgehen des Beschuldigten seien einzigartig. So etwas habe es in der Schweiz noch nie gegeben, erklärte die Staatsanwaltschaft zum Prozessauftakt. Tatsächlich ist der Fall des 22-jährigen E.C.*, der am Mittwoch in Horgen verhandelt wurde, ein spezieller. Noch nie kam ein solch gravierender Sexting-Fall vor ein Schweizer Gericht.

«Ich frage mich, wie ich so etwas tun konnte. Wieso es soweit gekommen ist.»
Angeklagter E.C
Sexting
Der Ausdruck Sexting setzt sich aus den beiden englischen Wörtern sex und texting zusammen und bezeichnet den Austausch selbst produzierter intimer Fotos von sich oder anderen via Internet oder Mobiltelefon. (sza)

Die Staatsanwaltschaft forderte sechs Jahre Gefängnis für E.C. Der Angeklagte habe «skrupellos und eiskalt» gehandelt, begründete sie die Höhe des Strafmasses. Dennoch fiel das Urteil milder aus: Zwar wurde der 22-Jährige der mehrfachen sexuellen Nötigung, mehrfachen Vergewaltigung, mehrfachen sexuellen Handlung mit Kindern und der Pornografie schuldig gesprochen. Damit folgte das Gericht den Anträgen der Staatsanwaltschaft.

Die Gefängnisstrafe jedoch beträgt «nur» viereinhalb Jahre und wird zu Gunsten der Einweisung in eine Einrichtung für junge Erwachsene aufgeschoben. Darüber hinaus muss der Angeklagte der Hauptgeschädigten eine Genugtuung von 25'000 Franken entrichten. Die Staatsanwalt zeigte sich nach der Urteilsverkündung irritiert. Man werde das Urteil ans Obergericht weiterziehen. Für eine mehrfache Vergewaltigung sei das Strafmass zu niedrig. Es handle sich um eine lebensferne Rechtssprechung, die dem Vergehen des Täters in keiner Weise gerecht werde.

Strafmildernd wirkt sich das Geständnis des Angeklagten aus. Bereits bei der Hafteinvernahme habe der Beschuldigte sein Vergehen eingestanden, so der Gerichtspräsident. Es handle sich tatsächlich um einen speziellen Fall mit einer neuen Dimension. Sexting sei ein neues Phänomen. Das Internet sei aus der Welt nicht mehr wegzudenken, das berge für Jugendliche grossen Gefahren. Junge Menschen müssten sich bewusst machen, dass heikle Bilder immer zu Missbrauch einladen.

Staatsanwaltschaft zieht Urteil weiter

Dieser Prozess sei ein Lehrstück für die Zukunft und ein negatives Beispiel dafür, wie der Glauben eines Chatpartners hinterhältig ausgenützt werden kann, so der Gerichtspräsident weiter. «Sie haben das Vertrauen der Geschädigten missbraucht, einzig und alleine, um ihre sexuellen Trieben zu befriedigen.»

Ob er sich nie bewusst gewesen sei, was er den Opfern angetan habe, wollte der Gerichtspräsident von E.C. zudem wissen. Es habe Momente gegeben, in denen er sich das überlegt habe, antwortete der Beschuldigte. «Es war ein Schock für mich, als mir bewusst wurde, was ich getan habe.» – «Dennoch haben Sie sich bei den Opfern noch nicht entschuldigt», konstatierte der Gerichtspräsident. Weil er sich eben schäme, antwortete E.C, «ich werde das noch nachholen».

E.C forderte immer heftigere Bilder

Das Unheil nahm im Sommer 2011 seinen Lauf. Der Angeklagte E.C. lernte über eine Chatkollegin eine damals 15-jährige Sekundarschülerin kennen. Er spielte sich als Kuppler auf, erzählte dem Mädchen, dass ein sympathischer Kollege sehr gut zu ihr passen würde.

Voraussetzung für ein Treffen mit dem Kollegen sei jedoch, dass sie ihm, dem Angeklagten, im Voraus Bilder von ihren Beinen in engen Hosen und von ihrem nackten Oberkörper via Smartphone schicken sollte. Das Mädchen stieg darauf ein, machte Bilder von ihren Beinen und teilweise entblösster Brust und versandte das Bildmaterial dem Angeklagten. 

Das sollte der Anfang einer monatelangen Erpressung sein. In den folgenden drei Monaten, bis zum 16. Geburtstag des Mädchens, forderte der Angeklagte unentwegt neues Bildmaterial. Die Bilder sollten immer expliziter werden. E.C. forderte Bilder der Geschlechtsteile, in aufreizender Stellung fotografiert. Laut Anklageschrift liess das Mädchen dem Beschuldigten in kurzer Zeit etwa 700 Nacktbilder und fast 100 Videoaufnahmen zukommen, auf denen es seine Geschlechtsteile «übergross zur Schau» stellen und sich befriedigen musste. 

Am Telefon befriedigt

Damit hatte die Drangsalierung des Hauptopfers aber erst begonnen. Laut Staatsanwaltschaft soll E.C. der jungen Frau fast täglich gedroht haben, er werde die bereits erhaltenen Nacktbilder ihren Eltern, ihren Klassenkameraden oder ihrem Freund zukommen lassen. Alles Flehen des Mädchen, er möge die Bilder löschen – was er ihr versicherte zu tun –  und die Drohungen zu unterlassen, half nichts.

Er schickte ihr im Gegenzug Bilder seines erigierten Penis, um sie laut Staatsanwaltschaft «zur Aufnahme weiterer Nacktbilder zu motivieren». Gleichzeitig versprach er aber jeweils, alle Bilder sofort zu löschen, wenn sie ihm nur noch einmal welche sende. Sein Versprechen hielt der junge Baselbieter nie. 

Zudem soll E.C. sein Opfer etwa 100-mal dazu gebracht haben – immer unter Androhung, er werde das Bildmaterial veröffentlichen –, ihn am Telefon bis zur Ejakulation sexuell zu stimulieren. Unter dem Vorwand, die Bilder nun endgültig zu löschen, kam es in den Folgemonaten, just als das Mädchen 16 wurde, zwei Mal zu Geschlechtsverkehr. Auf die Forderung, sich ein drittes Mal zu treffen, ging das Mädchen nicht mehr ein.

Derweil hatte E.C. bereits Kontakt mit dem zweiten Opfer aufgenommen – einer 18-jährigen Chatkollegin. Das Spiel begann von vorn, doch als sich sein neues Opfer wehrte und mit der Polizei drohte, liess E.C. von ihr ab. Von einer weiteren 18-jährigen Chatkollegin erhielt er ebenfalls Bild- und Videomaterial, das die junge Frauen nackt und bei der Selbstbefriedigung zeigte. Im Mai 2013 flog E.C. auf und wurde inhaftiert

Enormer psychischer Druck

Der Beschuldigte habe die Mädchen mit seinen Forderungen nach immer neuem Bildmaterial in hohem Masse erpressbar gemacht, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die Opfer seien dadurch in eine Zwangslage gebracht worden, in der sie bereit waren, fast alles zu tun. Das Schamgefühl, Eltern und Freunde könnten die Bilder sehen, habe einen enormen psychischen Druck evoziert. Waren die Mädchen einmal gefangen, gab es kein Entrinnen mehr, so die Staatsanwaltschaft.

E.C. verleitete die jungen Mädchen nicht nur dazu, pornographische Bilder von sich zu schiessen. Nein, sie mussten auch noch Geschlechtsverkehr mit dem Beschuldigten haben, führte die Staatsanwaltschaft aus. Ein Opfer habe sogar suizidale Gedanken gehegt. Das zeige klar, welch ein enormer psychischer Druck auf den Opfern lastete.

Sex im «gegenseitigen Einvernehmen»

Zwar zeichnete die Verteidigung in ihrem Plädoyer ein nicht gänzlich anderes Bild. Doch in einem entscheidenden Punkt wich sie klar von der Version der Staatsanwaltschaft ab. Es handle sich hier um die Geschichte von jungen Menschen, die nicht wissen, was sie tun. E.C. hätten eine romantische Beziehung geführt, die aus dem Ruder gelaufen sei. Man habe sich oft per SMS und WhatsApp unterhalten.

Der Beschuldigte habe das Mädchen sogar einmal Zuhause besucht. Dort sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen. Einvernehmlich, wie die Verteidigung betont. Sie, die Hauptgeschädigte, habe ihn zwar nicht geliebt, dennoch sei es ihr bewusst gewesen, dass es beim Treffen mit grosser Wahrscheinlichkeit zu sexuellen Handlungen kommen werde. Der Sex sei nicht gegen ihren Willen passiert. Der Beschuldigte hat laut Verteidigung keine Gewalt angewendet. Viereinhalb Jahre seien angemessen, da keine Vergewaltigung erkennbar sei, so die Verteidigung. Insgesamt kam es zweimal zu Geschlechtsverkehr.

*Name der Redaktion bekannt

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Von 1 bis 16 Franken pro 100 Gramm – so krass variieren die Osterhasen-Preise
Fast drei Osterhasen verputzen Herr und Frau Schweizer im Durchschnitt pro Jahr. Wie viel sie dafür berappen, variiert gewaltig. Denn der Luxus-Osterhase vom Chocolatier ist fast 16 Mal teurer als die Billigstvariante aus dem Discounter.

Auch in diesem Jahr werden an Ostern wieder haufenweise Osterhasen aus Schokolade verdrückt. Nach Schätzungen von Chocosuisse, dem Verband der Schweizer Schokoladefabrikanten, werden in der Schweiz pro Jahr allein für den Inlandmarkt rund 20 Millionen Osterhasen produziert – das sind fast drei Osterhasen pro Kopf. Rund 7 Prozent des jährlichen Schokoladenabsatzes in der Schweiz gehen auf das Konto der Osterfeiertage.

Zur Story