Vor 25 Jahren, an der denkwürdigen Landsgemeinde in Hundwil vom 30. April 1989, hat Appenzell Ausserrhoden als zweitletzter Kanton das Frauenstimmrecht eingeführt. 18 Jahre nach dem Ja des Schweizer Volks von 1971 war auch Ausserrhoden reif für diesen Schritt.
Politikerinnen, Politiker und Prominente machten sich für die politische Gleichberechtigung der Frauen in Ausserrhoden stark. So forderte «Blick»-Kolumnistin Martha Emmenegger 1988 in einer 1.-August-Rede in Stein AR das Frauenstimmrecht als eine Selbstverständlichkeit.
Dennoch wurde die Abstimmung an der Landsgemeinde in Hundwil zur Zitterpartie: Nicht mit überwältigendem, aber mit erkennbarem Mehr stimmten die Ausserrhoder Männer Ja. Die Präsidentin der IG Frauenstimmrecht, Aline Auer, zeigte sich danach erleichtert. Dem Kanton sei viel Hässliches erspart geblieben.
Vor diesem historischen Entscheid hatte sich die Ausserrhoder Landsgemeinde zwischen 1970 und 1984 fünf Mal gegen das Frauenstimmrecht ausgesprochen. 1972 wurde zwar die Möglichkeit des Frauenstimmrechts auf Gemeindeebene gutgeheissen, das kantonale Stimmrecht aber gleichzeitig abgelehnt.
1976 und 1979 schickten die Ausserrhoder zwei weitere Initiativen bachab. Und 1984 sagte die Landsgemeinde Nein zu einer Urnenabstimmung über das kantonale Frauenstimmrecht.
An der Landsgemeinde Ende April 1990 in Trogen durften die Frauen dann erstmals im Ring mitentscheiden. Das Bild änderte sich wenig, die Frauen machten die Landsgemeinde etwas bunter, und das traditionelle Landsgemeindelied ertönte in neuer, zweistimmiger Version.
Acht Mal fand die Ausserrhoder Landsgemeinde mit Frauen und Männern statt. 1997 beschloss der Kanton in einer Urnenabstimmung die Abschaffung dieser direkt-demokratischen Tradition - ein Schritt, den einige Ausserrhoderinnen und Ausserrhoder bis heute bereuen.
Zum Lager der Landsgemeinde-Gegner gehörten SVP und SP, Frauenstimmrechtsgegner und Traditionalisten, aber auch Bürgerinnen und Bürger, die das Vertrauen ins politische System des Kantons verloren hatten. Ein wichtiger Kritikpunkt war, dass nicht alle (etwa Kranke, Gebrechliche oder Ferienabwesende) an der Landsgemeinde teilnehmen konnten.
Bemängelt wurden die fehlende geheime Stimmabgabe, Wahlmanipulation und Willkür. «Jetzt sind wir ein Kanton wie alle anderen auch», stellte Regierungspräsidentin und Landsgemeinde-Befürworterin Marianne Kleiner ernüchtert fest. Die FDP-Politikerin war 1997 Ausserrhodens erste Frau Landammann.
Appenzell Ausserrhoden war 1989 der zweitletzte Kanton, der das Frauenstimmrecht einführte. Nur der Nachbarkanton Innerrhoden verweigerte seinen Frauen die politische Gleichberechtigung noch länger. 1990 lehnten die Innerrhoder Männer an der Landsgemeinde in Appenzell das Frauenstimmrecht ab.
Aber noch im gleichen Jahr wurde dem kleinsten Schweizer Kanton das Frauenstimmrecht von oben verordnet. Das Bundesgericht hiess eine staatsrechtliche Beschwerde gut: Das reine Männerstimm- und -wahlrecht verletze die von der Bundesverfassung garantierte Gleichberechtigung von Frau und Mann, stellte es fest.
Im Gegensatz zu Ausserrhoden hielt Innerrhoden an der Tradition der Landsgemeinde fest. Der Kanton erneuerte schrittweise seine Verfassung und führte unter anderem 1994 die Gewaltentrennung zwischen Standeskommission (Regierung) und Grossem Rat (Parlament) ein.
Das Frauenstimmrecht in der Schweiz wurde 1971 in einer Volksabstimmung beschlossen. Die Schweiz war eines der letzten europäischen Länder, das den Frauen die vollen Bürgerrechte zugestand. Die meisten Kantone folgten 1971 und 1972 dem Beispiel des Bundes.
Einige Kantone hatten das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene schon früher eingeführt: Waadt und Neuenburg waren 1959 die ersten, 1960 folgte Genf, 1966 Basel-Stadt, 1968 Baselland, 1969 das Tessin.
Am konservativsten zeigten sich die Ostschweiz und die Innerschweiz: In der eidgenössischen Volksabstimmung vom Februar 1971 stimmte in St. Gallen, beiden Appenzell, Thurgau, Glarus, Schwyz, Obwalden und Uri die (männliche) Bevölkerung noch mehrheitlich gegen das Frauenstimmrecht. (sda)