«Europaallee – urban wohnen mit Weitsicht», ist das Inserat auf der Immobilienplattform übertitelt. Wer Platz und Weite schätze, um den «persönlichen Wohnstil zu verwirklichen», sei in dieser Wohnung «genau richtig aufgehoben», heisst es weiter. Kostenpunkt der 3,5-Zimmer-Wohnung mit einer Grundfläche von 121 Quadratmetern: 5355 Franken pro Monat, Nebenkosten inklusive.
Es sind Wohnungen wie diese direkt neben dem Zürcher Hauptbahnhof, welche die städtebaulichen Diskussionen derzeit befeuern: Denn Vermieterinnen sind die SBB – und die Preise, die sie für die Apartments an bester Lage verlangen, können sich naturgemäss nur wohlsituierte Personen leisten.
Die Auswirkungen davon sind bekannt: Die Umgebung wird aufgewertet, auch an anderen Lagen verteuern sich die Immobilienpreise und die soziale Durchmischung des Quartiers verändert sich.
Gestern erneuerte der Bundesrat seinen Segen für die Immobilienpolitik der Bundesbahnen: In den finanziellen Zielen für die SBB 2015 bis 2018 – der Bund ist Allein-Aktionär – schreibt die Regierung, dass die Division Immobilien pro Jahr 150 Millionen Franken Gewinn abwerfen soll. Damit sollen die Infrastruktur unterstützt und die Pensionskasse saniert werden.
Von linker Seite regt sich nun Widerstand: Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen und Vizepräsident des Schweizerischen Mieterverbandes, spricht in einem Communiqué von einem «schlechten Aprilscherz», der einen Kurswechsel verlange. Für die SP manövrieren sich die SBB mit ihrer «Luxusimmobilien-Strategie aufs Abstellgleis».
Stein des Anstosses ist ein Positionspapier, das die SBB im vergangenen Dezember veröffentlicht haben: Darin schreiben sie, dass sich ihre Immobilienstrategie «grundsätzlich am Auftrag des Bundes und am Markt» orientiere. Von den 1200 Wohnungen im SBB-Portfolio befinden sich gemäss eigenen Angaben 1000 im preisgünstigen Segment. Doch das soll sich künftig ändern: Die SBB planen, 3000 bis 4000 neue Wohnungen zu bauen, der Anteil preisgünstiger Wohnungen soll langfristig bei rund einem Drittel liegen. Mit anderen Worten: Der grösste Teil der Immobilien, die in den nächsten Jahren entstehen, werden im oberen Preissegment angesiedelt sein.
Dass diese Strategie aufgehen kann, zeigen Zahlen von der Europaallee: Die 64 Wohnungen im Haus E sind allesamt vermietet. Auch für die Apartments, die derzeit erstellt werden und die ab 2017 bezogen werden können, gibt es Tausende Interessenten. Das zeigt: Im Gegensatz zu anderen Zürcher Neubauten im Hochpreissegment ist die Nachfrage für SBB-Immobilien an bester Lage durchaus vorhanden.
Für den Schweizerischen Mieterverband (SMV) ist dies kein ausreichender Grund: Indem der Bundesrat den SBB eine Immobilienpolitik vorgebe, die auf Gewinnmaximierung abziele, stehle er sich aus seiner wohnungspolitischen Verantwortung. «Gerade in den Städten ist es für Mieter besonders schwierig, eine preisgünstige Wohnung zu finden. Da sind die SBB und der Bund gefordert», sagt Mieterverbandspräsidentin und SP-Nationalrätin Marina Carobbio.
Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, will der SMV im Juni eine wohnpolitische Initiative lancieren. Man wolle den Bund verpflichten, für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, so Carobbio.
Die SBB ihrerseits weisen darauf hin, dass der Gewinn, den sie mit den Immobilien erzielten, ins Bahnsystem zurückfliesse und damit letztlich jeder Kunde – etwa, indem Tickets nicht verteuert werden müssen – profitiere. «Es ist uns bewusst, dass wir eine Verantwortung haben, deshalb bauen wir auch preisgünstige Wohnungen. Wir brauchen aber auch solche, die wir zu Marktwerten anbieten und entsprechend Gewinn machen», so Sprecherin Lea Meyer.