Ein Model wälzt sich im Sand, es hat ein Sixpack, einen grossen Busen, die reinste Haut und keine einzige Falte – weiter unten auf dem Werbeplakat steht: retuschiert. Genau das wird in Frankreich gerade Realität. Ab dem 1. Oktober muss Werbung, bei der die Figur des Models digital bearbeitet wurde, mit «Photographie retouchée» gekennzeichnet werden.
Damit will die Regierung die Verbreitung von unerreichbaren Schönheitsidealen verhindern und der Magersucht bei Jugendlichen vorbeugen.
Urs Kiener, Kinder- & Jugendpsychologe bei Pro Juventute, sagt: «Frankreich ist in dieser Hinsicht viel weiter als die Schweiz. Dabei wären solche Massnahmen auch hierzulande extrem wichtig.»
Gerade die Modebranche spreche sehr viele Jugendliche an und das dabei oft vermittelte Schönheitsideal sei «einfach nicht erreichbar». Darüber müssten die jungen Menschen aufgeklärt werden, so Kiener. «Deshalb ist ein solcher Warnhinweis wie auf Zigarettenpackungen eine super Idee.»
Kiener hofft nun, dass die Schweizer Politik die Entwicklungen rund um das neue Gesetz in Frankreich genau beobachtet. «Und wenn sich die Massnahme bewährt, auch in der Schweiz eine ähnliche Regelung veranlasst.»
Offen für eine solche Regelung zeigt sich SP-Nationalrätin Yvonne Feri: «Auch hierzulande braucht es endlich ein System, das den Druck nach dem perfekten Körper wirksam bekämpft.» Das Gesetz in Frankreich hält sie für vorbildlich, würde es für die Schweiz jedoch ergänzen: «Ich stelle mir eine Art Ampelsystem vor: Rot hiesse, das Foto wurde retuschiert, grün, dass das Bild nicht bearbeitet wurde.»
Wichtig sei, dass auch Marken, die ihre Fotos nicht nachbearbeiten, in den Fokus gestellt werden. So wäre auch eine Art Gütesiegel eine Möglichkeit, sagt die Politikerin. Mit diesem sollten Werbebilder von Marken ausgezeichnet werden, die die Fotos der Models nicht retuschieren.
Feri überlegt sich nun, den Bundesrat aufzufordern, die Massnahmen der Nachbarländer in diesem Bereich unter die Lupe zu nehmen und zu überprüfen, ob sich diese auch für die Schweiz eignen würden.
Anderer Meinung ist FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. Eine Vorschrift werde das Problem von Magersucht und Essstörungen nicht lösen, sagt sie. «Natürlich ist es problematisch, wenn sich junge Frauen nur an Künstlichem orientieren. Doch hinter einer Krankheit wie Magersucht stecken tiefgründigere Ursachen als Photoshop-Retouchen.» Werber und Unternehmen sollen ihre Verantwortung wahrnehmen, damit nicht immer neue Vorschriften gefordert werden.
Auf jegliche Bildbearbeitung verzichtet seit kurzem das spanische Mode-Unternehmen Desigual. Es schaltete diesen Sommer seine erste Bademoden-Kampagne ohne Photoshop auf. Auch der Online-Shop Asos hat bei der diesjährigen Bikini-Kollektion seiner Eigenmarke auf Bildbearbeitungsprogramme verzichtet. Auf den Bildern sieht man die Dehnungsstreifen und Akne-Narben der Models.
As someone who has always been ashamed of her stretch marks & felt I was the only 1 of my friends to have them, @ASOS are my #MVP! #asos ❤️ pic.twitter.com/nVbtg3p8Hr
— ❤️AffairWithBeauty💋 (@LoveaffairwithB) 29. Juni 2017