«Free bleeding» oder freies Menstruieren wird auch hierzulande immer bekannter. Der Trend, den es in den USA schon seit ein paar Jahren gibt, scheint nun zu uns überzuschwappen. Zumindest taucht der Hashtag #freebleeding immer häufiger auf und freies Menstruieren wird nun auch in deutschsprachigen feministischen Kreisen diskutiert.
Erstmals wurde die breite Öffentlichkeit darauf aufmerksam, als Musikerin und Aktivistin Kiran Gandhi während ihrer Periode beim London Marathon ohne Tampon antrat. Auf ihrer Webseite berichtete sie darüber, wie ihr das Blut während dem 42-Kilometerlauf die Beine hinablief.
In der Theorie soll es möglich sein, dass Frauen ihren Körper so genau spüren, dass sie dann zur Toilette gehen können, wenn ein Schwall Blut kommt. So brauchen sie keine Monatshygiene-Artikel mehr verwenden, die das Blut aufsaugen oder sammeln, damit nichts in die Hose geht.
Befürworterinnen dieser Methode geben an, dass der Verzicht auf Tampons und Binden Unmengen Abfall einspart, zu weniger Unterleibsbeschwerden wie Krämpfen führt und auch hygienischer sei, da sich keine Bakterien mehr ansammeln, die unter anderem auch das Toxische Schocksyndrom auslösen können.
Freies Menstruieren ist ein Trend, der sich aus einer politischen Forderung von Feministinnen heraus entwickelt hat. Diese feministischen Aktivistinnen von «Free Bleeding» wehrten sich dagegen, dass der weiblichen Periode noch immer etwas Unreines angelastet wird. Sie wollen erreichen, dass die Menstruation nicht weiter totgeschwiegen und stigmatisiert wird.
Einen weiteren Grund führen gewisse feministische Kreise an: Tampons würden als «Vergewaltigungs-Instrumente» angesehen. Dieser Theorie nach würde die männlich dominierte Gesellschaft die Frauen bewusst einschränken. Insofern würden Binden die Frau beeinträchtigen und Tampons sie symbolisch vergewaltigen.
Eine Freebleederin erklärt dies in einem Forum so: «Die Gesellschaft drängt uns immer wieder auf, diese von Männern gemachten Objekte zu benutzen. Insofern werden wir dazu gezwungen, uns etwas in den Körper zu schieben. Das wird von einigen als Verletzung oder eben sogar als Vergewaltigung betrachtet.» Doch dieser Theorie widersprechen auch viele Feministinnen und Freebleederinnen vehement.
Eduard Vlajkovic ist Chefarzt und Klinikleiter der Frauenklinik des Spitals Zollikerberg. Er sieht keine medizinischen Nachteile in Sachen «free bleeding». Über hygienische Aspekte könne man allerdings diskutieren: «Zum Beispiel bei einer HIV-positiven Patientin mit hohem Virus load im Blut», sagt Vlajkovic. Und: «Es ist mir nicht bekannt, dass frau die Monatsblutung willkürlich zurückhalten kann.»
Auch ein anderer Gynäkologe in leitender Funktion, der nicht genannt werden möchte, ist skeptisch: «Eventuell ist das bedingt möglich, bedeutet aber, dass der Beckenboden jedes Mal stark zusammengezogen werden muss bis eine Toilette aufgesucht werden kann.» Zum Zurückhalten des Menstruationsblutes wäre eine Daueranspannung des Beckenbodens notwendig. Auch bestehe das Risiko, dass trotzdem Menstruationsblut ausläuft. «Die Methode könnte nur bei Frauen mit leichter Blutung eine Option sein», sagt er gegenüber watson. Ob freies Menstruieren also wirklich für jeden etwas ist, bleibt fraglich.