Für zwei Wochen vor der Pandemie flüchten und auf einem Luxusschiff Sonne und Unterhaltung geniessen? Auf ähnliche Weise werben Kreuzfahrtunternehmen derzeit für ihr Angebot. «Sorgenfrei auf Kreuzfahrt» heisst es etwa im Werbespot der Kreuzfahrtgesellschaft MSC mit Sitz in Genf, der zum Beispiel auf YouTube zu sehen ist. Das Schiff sei wie eine «Safe Bubble», die Ferien unter den aktuellen Umständen seien besonders sicher.
Wie die ganze Reisebranche ist auch das weltweite Geschäft mit Kreuzfahrten wegen der Coronakrise eingebrochen. Genaue Daten gibt es noch nicht, die Passagierzahlen 2020 dürften aber weit unter jenen im Jahr 2019 liegen. Und auch jetzt dümpeln die Aktienkurse der grössten Reedereien wie Carnival (Aida) und Royal Caribbean noch immer auf dem tiefen Niveau vom vergangenen März herum.
Nun sollen deshalb schnell wieder Gäste her, zumindest im Mittelmeerraum. Nachdem die meisten Kreuzfahrtunternehmen ihren Betrieb in den letzten Wochen einstellen mussten, stechen einige wenige Schiffe bald wieder in See: MSC startet am Sonntag, die italienische Reederei Costa Cruises am 31. Januar (beide mit je einem Schiff). Die deutsche Aida Cruises zieht Anfang März nach.
Auf der MSC «Grandiosa», die ab morgen also wieder die italienische Küste hinabgleitet, sollen Tests (auch Antigen-Tests) vor und während der Reise, Landausflüge mit Schutzkonzept sowie weitere Massnahmen den Gästen besonders guten Schutz bieten. Sebastian Selke, Geschäftsführer bei MSC Cruises für den Schweizer Lokalmarkt, spricht von der «sichersten Urlaubsoption». «Kein anderes Urlaubserlebnis wie Hotel, Resort oder Themenpark kann das gleiche Mass an strengen, detaillierten und umfassenden Massnahmen für das Wohlbefinden eines Kunden haben.»
Ob sicherer oder nicht – bei zahlreichen Kunden kommt dies gut an. Die Resonanz auf aktuelle Aktionen sei bei MSC «sehr erfolgreich», auch die Buchungszahlen für die Sommer- und Wintersaison stiegen kontinuierlich an. «Wir sehen mehr neue Kunden, die einen Kreuzfahrturlaub machen wollen», sagt Sebastian Selke.
Reiseanbieter wie Kuoni und TUI bestätigen dies teilweise: Cruisetour, das Tochterunternehmen von TUI Suisse, beobachtet, dass sich tatsächlich einige Kundinnen und Kunden aufgrund der Pandemie und der «überzeugenden Schutzkonzepte auf den Schiffen» für eine Kreuzfahrt entscheiden würden. Entgegen den Erwartungen verspürt das Unternehmen vor allem für Sommer und Herbst eine «relativ solide Nachfrage».
Auch Kuoni Cruises spürt, dass das Interesse an Reisen und damit auch an Kreuzfahrten seit Jahresbeginn zunimmt. Im Fokus der «Cruise-Kunden» stehe aktuell aber noch das Informieren und Inspirieren. Neukunden stellt Kuoni in diesem Segment keine fest, lediglich Stammkunden würden derzeit buchen. Hotelplan sieht keine gestiegene Nachfrage nach Kreuzfahrten.
Die höhere Nachfrage bei Cruisetour liegt möglicherweise daran, dass Kreuzfahrten bei TUI explizit vermarktet werden. Auf der Buchungsplattform wirbt der deutsche Touristikkonzern mit sogenannten Blauen Reisen, die per Definition von Zwischenstopps und Landgängen absehen und stattdessen das Angebot auf dem Schiff ins Zentrum stellen. Epidemiologisch gesehen, scheint das eine gute Lösung: Statt sich an Land vielleicht mit dem Virus anzustecken und es dann von Ortschaft zu Ortschaft zu verschleppen, werden Natur und Städte sicher aus der Ferne bewundert.
In der Praxis rückt TUI allerdings davon ab. Auch bei den Blauen Reisen können Gäste an Land gehen und «Natur und Kultur entdecken». Die Ausflüge seien aber organisiert, Kontaktpunkte würden nachverfolgt und stark frequentierte Orte gemieden. Ein individuelles Verlassen des Schiffes sei nicht gestattet. Das Angebot unterscheidet sich somit kaum von jenem von MSC, wo es ebenfalls nur geschützte Ausflüge gibt.
Sind Kreuzfahrten dank all dieser Massnahmen also sicherer als andere Reisen? «Per se würde ich das nicht so sagen», sagt Roman Pfister, Geschäftsführer von Cruisetour. «Bei unseren Kunden spüren wir aber schon, dass die «Bubble» einer Kreuzfahrt für sehr viel Sicherheit sorgt.» Auch Markus Flick, Mediensprecher von Kuoni Cruises, beurteilt Kreuzfahrten dank der umfassenden Schutzmassnahmen als «ein Reiseerlebnis mit geringem Ansteckungsrisiko». Zu bedenken gilt aber: Auch wer mit dem Schiff verreist, nutzt oft das Flugzeug oder den Zug, um an den Hafen zu gelangen. So oder so empfiehlt der Bundesrat weiterhin, auf nicht dringliche Auslandreisen zu verzichten.
Die aktuell schlechte Lage hält MSC trotzdem nicht davon ab, in die eigene Flotte zu investieren – bis 2023 soll sie von 17 auf 23 Schiffe erweitert werden.
Ganz klar ein Fall für den Härtefalltopf!