11.09.2016, 14:2012.09.2016, 09:00
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Ein neues PR-Video aus dem Büro des israelischen Regierungschefs löst derzeit in vielen Hauptstädten Europas und Nordamerikas Stirnrunzeln aus. Darin kritisiert Benjamin Netanjahu die Ansicht, jüdische Siedlungen in der Westbank seien ein Hindernis für den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern, mit einem sehr problematischen Vergleich:
«Die palästinensische Führung verlangt einen eigenen Staat mit einer Vorbedingung: keine Juden. Dafür gibt es einen Ausdruck: ethnische Säuberung. Die Forderung ist unerhört. Noch unerhörter ist es, dass die Welt sie nicht als unerhört empfindet. Einige ansonsten aufgeklärte Nationen unterstützen diese unerhörte Forderung sogar.»
Hier im O-Ton (englisch):
Die USA, Israels wichtigster Verbündeter, sind verärgert:
«Natürlich sind wir mit dieser Darstellung nicht einverstanden, dass jene, die gegen den Siedlungsbau sind oder ihn als Hindernis für den Frieden ansehen, irgendwie die ethnische Säuberung von Juden aus der Westbank fordern. Wir halten die Verwendung von solchen Begriffen für unangebracht und nicht hilfreich.»
Mit den «ansonsten aufgeklärten Nationen» dürfte auch die Schweiz gemeint sein. Ihre offizielle Haltung hinsichtlich der jüdischen Siedlungen in der Westbank ist eindeutig:
«Die Schweiz ist der Ansicht, dass die israelischen Siedlungen gegen das humanitäre Völkerrecht verstossen und zudem ein grosses Hindernis für den Frieden und für die Umsetzung einer Zweistaatenlösung darstellen.»
Der Verweis auf das humanitäre Völkerrecht bezieht sich auf die Genfer Konvention:
«Die Besetzungsmacht darf nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln.»
Artikel 49, Genfer Konvention quelle: admin.ch Das EDA erklärte auf Anfrage von watson, dass es sich nicht zu «Aussagen von Vertretern anderer Staaten äussere».
Jüdische Siedlung Givat Zeev bei Jerusalem (2011).Bild: BAZ RATNER/REUTERS
Vergleich stammt von US-Spin-Doctor
Das Video hat auch in Israel Kritik ausgelöst. Oppositionspolitiker beschuldigen Netanjahu, die USA und andere Verbündete zu verärgern und damit dem Land zu schaden. Die linksliberale Tageszeitung «Haaretz» gibt zudem die Implikationen für das sogenannte Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge zu bedenken:
«Wenn die Juden das Recht haben sollen, überall in der Westbank zu leben, einschliesslich in den Gebieten, die einem möglichen palästinensischen Staat zugerechnet würden, warum dürfen die Palästinenser dann nicht nach Haifa und Jaffa zurückkehren und im jüdischen Staat leben? Schliesslich behaupten auch sie, 1948 habe es ethnische Säuberungen gegeben.»
Den Vergleich mit den ethnischen Säuberungen dürfte Netanjahu nicht selbst ersonnen haben, wie «Haaretz» weiter schreibt. Wahrscheinlicher ist, dass er ihn aus einem PR-Papier des amerikanischen Meister-Spin-Doctors Frank Luntz entnommen hat, das dieser 2009 im Auftrag einer pro-israelischen Lobby-Organisation erstellt hatte.
[kri, 29.04.2016] Antisemitismus
[kri, 29.04.2016] Antisemitismus
Netanjahu in Washington
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Netanyahu in Washington
Mit grossem Applaus und Jubelrufen ist Israels Premierminister Benjamin Netanyahu bei seinem Auftritt vor dem US-Kongress begrüsst worden.
quelle: ap/ap / andrew harnik
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