Alle waren in heller Aufregung. Ein «Drittstaat», hiess es im Bundeshaus, drohte mit Gegenmassnahmen. Der Name dieses «Drittstaats» wurde gemäss gut informierten Quellen offiziell nie genannt. Aber es war klar, dass es sich um die USA handelte. Eine der Drohungen war, die Reederei von Hansjürg Grunder vom Dollargeschäft auszuschliessen. Weil in der Schifffahrt meist in Dollar bezahlt wird, hätte dies das Grounding der ohnehin bereits finanziell angeschlagenen Flotte sein können.
Das hätte auch den Bund finanziell schwer getroffen: Er stand für die Grunder-Schiffe als Bürge gerade (was ihn später mit 215 Millionen dennoch teuer zu stehen kam). In Aufruhr war gemäss Beobachtern auch die Grossbank UBS: Sie war quasi die Hausbank Grunders. Jetzt befürchtete die Grossbank, in den Fall hineingezogen zu werden und einmal mehr Ärger mit den USA zu bekommen.
Der Vorwurf, mit dem sich die Reederei konfrontiert sah: Sie habe mit ihren unter Schweizer Flagge fahrenden Schiffen mitten im syrischen Bürgerkrieg eine Firma beliefert, die auf der Syrien-Sanktionsliste der USA stand.
Tatsächlich hatte Grunders Tankersparte Mega Chemical Schifffahrt in dieser Phase insgesamt drei Reisen zum syrischen Mittelmeerhafen Tartus absolviert. Die Schweizer brachten mit ihren 20 000- Tonnen-Tankern drei Ladungen Erdöl aus Russland in den von Herrscher Baschar al-Assads Truppen kontrollierten Hafen. Dort befindet sich auch eine von Russland mitgenutzte Marinebasis.
Was die Reederei übersah: Die syrische Abnehmergesellschaft der Ware war mit Sanktionen belegt. Ihr Name war offen- bar kurz zuvor auf der US-Sanktionsliste erschienen. Die Reederei soll die einträglichen Transporte nach Syrien für legal gehalten haben. Aber nun drohte der «Drittstaat» mit Vergeltung.
Hektik brach aus. Damals arbeitete der einst für die Schiffsbürgschaften zuständige ehemalige Chefbeamte des Bundes, Michael Eichmann, als «Advisor» für seinen Freund, den Reeder Grunder. Eichmann war es hauptsächlich, der die Affäre in Kontakt mit seinen alten Bekannten beim Bund und in Gesprächen mit dem «Drittstaat» beizulegen versuchte. Irgendwie konnte das Problem aus der Welt geschafft werden. Die USA sahen von Gegenmassnahmen ab. Im Gegenzug musste die Reederei zusichern, nie mehr gegen US-Interessen zu verstossen.
Wie die Krise genau beigelegt wurde, ist unklar. Geht es nach Schweizer Behörden, gab es die Affäre gar nicht. Das Aussendepartement (EDA) gibt an, es habe «keine Kenntnis von Differenzen» mit den USA und keine Kenntnis von allfälligen Sanktionsverletzungen durch Schiffe unter Schweizer Flagge.
Dass es in dieser Zeit Austausch mit der Reederei in Sachen Syrien-Geschäften gab, bestätigt aber auch das Aussendepartement: «Das EDA hat wie üblich nach Konsultation des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco im Januar 2015 die Reederei Mega Chemical Schifffahrt AG informiert, dass es zum Zeitpunkt der Anfrage kein Verbot gab, Erdöl nach Syrien zu liefern.» Die Reederei sei aber auch darauf hingewiesen worden, dass im Anhang 7 der bundesrätlichen Syrien-Verordnung aufgeführte Einheiten nicht in das Geschäft involviert sein durften, auch nicht in die finanziellen Aspekte des Geschäfts.
Fabian Maienfisch, Sprecher beim für Sanktionskontrollen zuständigen Seco, äussert sich nur generell: «Die privaten Akteure sind von Gesetzes wegen verpflichtet, die Schweizer Sanktionsmassnahmen zu respektieren. Darüber hinaus berücksichtigen die privaten Akteure bei ihren geschäftspolitischen Entscheiden oft auch die Risiken, welche sich aus den eventuell weitergehenden Sanktionsmassnahmen anderer Staaten ergeben.»