Schweiz
International

Neonazi-Konzert im Toggenburg: Videos aufgetaucht

Nazi-Konzert: Video aufgetaucht – Polizei machte aus Angst keine Aufnahmen

Nach dem Neonazi-Konzert in Unterwasser will die Staatsanwaltschaft nun vorhandenes Videomaterial aus dem Netz prüfen. Derweil kommt ans Licht, dass die St.Galler Polizei keine Aufnahmen in der Halle machte, weil sie selbst Angst hatte.
21.10.2016, 03:4921.10.2016, 07:45
Mehr «Schweiz»

Die Befürchtungen der Konzertbesucher, die sie auf der Facebook-Seite der Band Spreegeschwader äusserten, wurden wahr: Im Netz tauchte bereits ein Video vom Konzert auf – trotz Video- und Foto-Verbot. Viel zu sehen ist auf den verschwommenen Aufnahmen nicht. Der Glatzhinterkopf eines der Bandmitglieder im Vordergrund, weiter hinten eine Halle voller johlender Konzertbesucher. 

Aufnahmen aller Art waren am Konzert offenbar ein No-Go, wie auf der Facebook-Seite der Band Spreegeschwader zu lesen ist.
Aufnahmen aller Art waren am Konzert offenbar ein No-Go, wie auf der Facebook-Seite der Band Spreegeschwader zu lesen ist.screenshot: facebook/spreegeschwader berlin
St Gallen
AbonnierenAbonnieren

Fehlende Mittel bei den Behörden

Wie viele solcher Videos online die Runde machen, ist unklar. Fest steht aber, dass die St.Galler Staatsanwaltschaft die Aufnahmen genau anschauen wird, wie sie gegenüber dem «Regionaljournal Ostschweiz» von Radio SRF 1 sagt. Der erste St.Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob betont: «Grundsätzlich können wir solche Videos verwenden, wenn sie Straftaten zeigen und die Personen darauf identifizierbar sind.»

Auf dem Video aus dem Netz ist nicht sehr viel zu sehen.
Auf dem Video aus dem Netz ist nicht sehr viel zu sehen.screenshot: blick.ch

Er stellt aber auch klar, dass die Mittel fehlen würden, um das Netz gezielt nach solchen Videos abzusuchen. 

«Hineinzugehen wäre aufgrund der vielen Leute taktisch unklug gewesen.»
Gian Andrea Rezzoli, Sprecher der St.Galler Kantonspolizei

Derzeit sammelt die Polizei Material, das für die Untersuchung wichtig ist. Laut Hansjakob werden die Ermittlungen daher noch einige Wochen dauern.

Polizei hatte Angst

Die gleiche Polizei wurde in den vergangenen sechs Tagen immer wieder angegriffen, weil sie während des Konzerts nicht in der Halle war, um die Verstösse gegen die Rassismus-Strafnorm zu dokumentieren. Gian Andrea Rezzoli, Sprecher der St.Galler Kantonspolizei, rechtfertigte sich daraufhin gegenüber der «Wochenzeitung» (WOZ) wie folgt: «Hineinzugehen wäre aufgrund der vielen Leute taktisch unklug gewesen.»

«Unsere Mitarbeiter sehen nicht so aus, als dass sie in so einer Gesellschaft nicht auffallen würden.»
Bruno Zanga, Kommandant Kantonspolizei St.Gallen
Polizeikommandant Bruno Zanga.
Polizeikommandant Bruno Zanga.Foto: SG.CH

Gegenüber dem Blick tönt es nun so: «Hätten wir als uniformierte Polizisten in einer Halle mit 4000 solcher Leute Fotos oder Videos gemacht, hätten wir um Leib und Leben fürchten müssen», sagt Polizeikommandant Bruno Zanga gegenüber der Zeitung. Der einzige Mann, der sich in die Halle getraut habe, sei der Einsatzleiter gewesen, um den Veranstaltern das Vorgehen der Polizei zu erklären. «Stellen Sie sich vor, was für einen Mut das brauchte!»

Auch gegen eine verdeckte Ermittlung in zivil findet Zanga ein Argument: Wegen der Securitas am Eingang, die jeden kontrolliert hätten, sei dies nicht möglich gewesen. «Unsere Mitarbeiter sehen nicht so aus, als dass sie in so einer Gesellschaft nicht auffallen würden.»

(rwy)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
64 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
samy4me
21.10.2016 04:25registriert Februar 2014
Haha. Wären es Fussballfans gewesen, wäre man gierig mit Gummischrot und Pfefferspray drauf los. Ganz ein mutiger Polizist, was hat er denen denn erklärt? Dass sie nichts machen werden? Zuerst das Ganze um die Veranstaltung verpennt und dann nichts dagegen gemacht (Logo sollen die den Schuppen nicht stürmen, aber es hätte genügend andere Mittel gegeben).

Aber hey, solange man genügend Kapazitäten hat um Fritzlis Gras-Dealer zu verfolgen und Peters Aktivitäten am letzten Match von Rapperswil-Jona nochmals 20 Stunden auf dem Video zu überprüfen, ist ja alles im Lot.
24244
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mr.CoJones aka Philodog
21.10.2016 07:07registriert September 2015
"(..) um den Veranstaltern das Vorgehen der Polizei zu erklären. (..)"
Welches Vorgehen? Meint er das zuschauen aus sicherer Entfernung?
1435
Melden
Zum Kommentar
avatar
who cares?
21.10.2016 07:09registriert November 2014
Also zusammengefasst: Neo-Nazis dürfen sich nach Lust und Laune versammeln und ihre verdrehte Ideologie zelebrieren, weil es für die Polizei zu gefährlich ist, einzugreifen. Okay. Dann können wir uns ja alle sicher fühlen.
14218
Melden
Zum Kommentar
64
Identität der Todesopfer nach Busunglück noch unklar – laut EDA keine Schweizer

Nach dem schweren Busunglück auf der deutschen Autobahn 9 bei Leipzig ist die Identität der vier Todesopfer noch nicht geklärt. Laut dem eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sollen sich aber keine Schweizerinnen und Schweizer darunter befinden.

Zur Story