Wenn sich bislang jemand für Nassef Sawiris interessierte, waren es Klatschreporter oder Finanzfachleute. Die Klatschreporter berichteten über ihn, weil Sawiris zum Jetset der arabischen Welt gehört. Der 54-Jährige ist der reichste Mann Ägyptens, zuletzt wurde sein Vermögen auf 5.8 Milliarden Dollar geschätzt. Er ist ein Spross der Unternehmerfamilie Sawiris, sein Bruder Samih baut in Andermatt das grösste Luxusresort der Alpen.
In der Wirtschaftswelt ist Nassef Sawiris derweil als Investor bekannt. 1992 übernahm er die Bausparte des mächtigen Orascom-Imperiums, gleichzeitig ist er an zahlreichen Konzernen beteiligt. Seit kurzem ist er sogar Hauptaktionär von Adidas.
Jetzt interessieren sich auch die Schweizer Behörden für Sawiris: Der Multimilliardär hat Probleme mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und der Zollverwaltung. Es geht um ein begehrtes wie geächtetes Statussymbol der Schickeria, um die teuerste Wolle der Welt. Ein Schal aus Shahtoosh kostet auf dem Schwarzmarkt nicht selten 10‘000 Franken.
Gewonnen wird die extrem weiche «Königswolle» aus Tibetantilopen. Die Tiere sind vom Aussterben bedroht, von Wilderern werden sie wegen ihrer Wolle regelrecht abgeschlachtet.
Ob Sawiris das nicht wusste? Oder lieber nicht wissen wollte? Als er am 28. August 2015 in die Schweiz einreist, entdecken Zollbeamte bei ihm einen Schal aus Shahtoosh. Sie beschlagnahmen das Luxus-Halstuch unverzüglich, Sawiris wird mit unangenehmen Fragen konfrontiert. Ihm droht eine Busse von 3000 bis 4000 Franken.
Dass dieser Fall nun ruchbar wird, dürfte dem unorthodoxen Vorgehen der Schweizer Behörden zu verdanken sein. Und dem Unwillen von Nassef Sawiris, mit den Ermittlern zu kooperieren.
Denn der ägyptische Milliardär ist für das BLV schlicht nicht erreichbar. Alle Versuche, ihm eine amtliche Verfügung zuzustellen, scheiterten offenbar. Das BLV bestätigt gegenüber der «Nordwestschweiz»: Die Zustellung sei wegen der «Unvollständigkeit der Adresse» unmöglich gewesen.
Deshalb hat das BLV die Verfügung im «Fall Nassef Sawiris» nun in der aktuellen Ausgabe des Bundesblatts veröffentlicht. Darin wird ihm eine Frist gesetzt, sich innert 30 Tagen beim BLV zu melden. Sawiris soll schliesslich auch die Chance haben, seine Rechte wahrzunehmen.
Warum Sawiris für die Behörden unerreichbar ist, bleibt vorerst offen. Der Unternehmer lebt Recherchen zufolge überwiegend in London. In New York soll er sich jüngst eine Penthouse-Wohnung an der Fifth Avenue gekauft haben – laut «Forbes» für 70 Millionen Dollar. Und auch in der Schweiz weilt er regelmässig für Ferien und Sitzungen. Beim Baustoffkonzern Lafarage Holcim mit Hauptsitz in Rapperswil-Jona ist er Grossaktionär mit Sitz im Verwaltungsrat.
Nassef Sawiris und sein Büro waren für die «Nordwestschweiz» bislang nicht erreichbar. Eine kleine Chance, dass Sawiris einer Busse entgeht und seinen Shahtoosh-Schal zurückerhält, besteht sogar noch: Er müsste beweisen, dass der Schal vor dem 28. Juni 1979 hergestellt worden ist. Seit diesem Tag ist die «Königswolle» weltweit verboten. Ein solcher Nachweis wird jedoch kaum zu erbringen sein.
(trs)