Schweiz
International

Schweizer Pharma-Unternehmen durfte Nervengift-Chemikale nach Syrien liefern

Zum aktuellen Korruptionsvorwurf und der durch Bundesrat Schneider-Ammann eingeleiteten Untersuchung folgende Bildmaterial. Externe Experten sollen im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) eine Admi ...
Der Eingang des Seco in Bern: Das Wirtschaftssekretariat beurteilte die Lieferung des Sarin-Bausatzes Isopropanol als plausibel.Bild: KEYSTONE

Schweizer Pharma-Unternehmen durfte Nervengift-Chemikale nach Syrien liefern

Ein Schweizer Pharmahersteller lieferte Isopropanol an ein syrisches Pharmaunternehmen. Das Seco bewilligte den Export. Doch bei der Chemikalie besteht ein Missbrauchsrisiko: Sie wird für die Herstellung des Nervengases Sarin benötigt.
24.04.2018, 20:5825.04.2018, 07:46
Mehr «Schweiz»

Eine Schweizer Firma hat im Jahr 2014 Isopropanol nach Syrien geliefert. Diese Chemikalie wird für die Herstellung des Nervengases Sarin benötigt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) beurteilte die Lieferung damals als «plausibel».

Nach den jüngsten Ereignissen würde eine solche Ausfuhr aber «ziemlich sicher unterbunden werden», teilte das Seco am Dienstagabend auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA mit. Der Bund bestätigte damit Recherchen des Westschweizer Fernsehens RTS.

Der schweizerische Exporteur habe dem Seco am 28. Mai 2014 die geplante Ausfuhr von Isopropanol an einen privaten syrischen Pharmahersteller unterbreitet, heisst es in der Stellungnahme. Dem Seco seien damals und auch heute keine Hinweise vorgelegen, dass dieses syrische Unternehmen Verbindungen zum syrischen Regime unterhält.

«Das Unternehmen war und ist nicht von internationalen Sanktionen betroffen», heisst es im Communiqué. Der vom Schweizer Exporteur deklarierte Verwendungszweck der Isopropanol-Lieferung zur Herstellung von Pharmazeutika wurde vom Seco als «plausibel» beurteilt.

Missbrauchsrisiko besteht

Die Chemikalie «2-Propanol» (Isopropanol) war und ist zu keinem Zeitpunkt weder von den schweizerischen Güterkontrolllisten noch von den Anhängen der Syrien-Sanktionsverordnung erfasst gewesen, wie das Seco weiter schreibt. Isopropanol sei auch nicht auf den Chemikalienlisten des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) aufgeführt. Es bestehe daher auch keine Meldepflicht gegenüber der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW).

Gemäss technischen Experten des Bundes gilt Isopropanol in hoher Konzentration als handelsübliche Chemikalie für die Herstellung von Pharmazeutika. Allerdings besteht laut Seco ein Missbrauchsrisiko von Isopropanol zur Herstellung von Chemiewaffen bei einem illegitimen Empfänger.

Die Prüfung der geplanten Ausfuhr habe im Mai 2014 aber keinen Grund zur Annahme für einen solchen Missbrauch ergeben. «Nach den jüngsten Ereignissen über gemeldete Chemiewaffeneinsätze und der massiven Verschlechterung der Lage der letzten Jahre würde eine solche Ausfuhr ziemlich sicher unterbunden werden», schreibt das Seco weiter. Die OPCW werde über die Ausfuhr informiert.

Konform zum Schweizer Recht

Die Ausfuhr von international nicht kontrollierten Chemikalien unterliege nach Schweizer Recht einer sogenannten Meldepflicht, falls diese Chemikalien missbraucht werden könnten, heisst es weiter. Das Schweizer Exportkontrollrecht sehe folglich kein Ausfuhrverbot vor.

Am 4. Juni 2014 habe man dem Exporteur mitgeteilt, dass die Ausfuhr konform zum Schweizer Recht war. Der Schweizer Exporteur sei aber explizit auf die Meldepflicht hingewiesen worden, das Seco über seine Kenntnisse über einen allfälligen Missbrauch zu informieren.

Die Schweiz habe die EU-Sanktionen gegenüber Syrien vollständig übernommen. In gewissen Fällen seien die Massnahmen nicht identisch, weil die Beschränkungen anderweitig geregelt seien, zum Beispiel in der Güterkontrollgesetzgebung.

Gefürchteter Kampfstoff

Syrien ist seit 2013 Mitglied des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ). Im Mai 2014 bestätigte die gemeinsame Mission der OPCW und der UNO in einer Erklärung «die Zerstörung der gesamten angegebenen syrischen Bestände von Isopropanol».

Diese Zerstörung beziehe sich auf die staatlichen Lager, die für das Chemiewaffenprogramm missbraucht und 2013 von Syrien als solche gegenüber dem CWÜ deklariert worden seien, schreibt das Seco. Die Lager von Isopropanol bei Privatunternehmen für die Herstellung von Pharmazeutika seien nicht zerstört worden. Es habe hier auch keine Auflage von Seiten des CWÜ gegeben.

Das Nervengas Sarin, das über Haut und Atemwege in den Körper gelangt, gehört zu den am meisten gefürchteten Kampfstoffen. Laut der Weltgesundheitsorganisation ist Sarin 26 Mal tödlicher als Zyanid. Gegenmittel wirken nur bei sofortiger Verabreichung. Auch Überlebende einer Sarin-Vergiftung tragen häufig Langzeitschäden davon. (dwi/sda)

Syrische Luftwaffe setzt Giftgas ein

Video: srf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
25 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Mantrax
24.04.2018 22:10registriert Februar 2018
Isopropanol spielt bei der Herstellung von Sarin etwa die Rolle die Nudelwasser beim Kochen eines 5-Gang Menüs spielt: es geht zwar nicht ohne aber Wasser alleine macht noch lange kein Essen.
Jetzt wirft man einer Firma vor quasi Giftgas zu verkaufen, dabei findet sich Isopropanol in jedem Enteisungsmittel und Scheibenreiniger, ist an der Tanke erhältlich und lässt sich recht gut aufreinigen. Die Story ist doch etwas sehr dramatisiert
15117
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hattori_Hanzo
24.04.2018 21:59registriert März 2015
Etwas gar reisserischer Titel: Unter einem Bausatz verstehe ich sämtliche komponenten die zur Herstellung einer Sache (hier Sarin) benötigt werden und nicht nur eines „Bauteils“ (hier Isopropanol).
452
Melden
Zum Kommentar
avatar
HäberliBänz
24.04.2018 22:24registriert Februar 2018
Isopropanol ist ein wichtiges löse und Reinigungsmittel in sowohl Industrie aber auch Krankenhäusern oder Laboren. Schon kinda lächerlich das als Sarin Bausatz zu betiteln. Jeder Heimwerker der auf diesen Artikel drückt und dann liest Isopropanol wird sich sehr warscheinlich einen ablachen.
425
Melden
Zum Kommentar
25
Bundesanwalt fordert längere Freiheitsstrafe für Basler Bombenleger

Die Bundesanwaltschaft fordert im Berufungsprozess gegen die mutmasslichen Bombenleger im Basler Bruderholz-Quartier Freiheitsstrafen von acht beziehungsweise zehn Jahren. Die beiden Beschuldigten verweigerten vor Gericht die Aussage.

Zur Story