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Interview

«Das SRF bietet keine Überlebenshilfe für Schweizer TV-Produzenten»

Interview mit SRF-Unterhaltungschef Christoph Gebel

«Das SRF bietet keine Überlebenshilfe für Schweizer TV-Produzenten»

Das Schweizer Fernsehen lässt eine Sendung in Deutschland produzieren und stösst damit auf massive Kritik: Mit diesem Vorgehen schade das SRF der hiesigen Branche und missachte den Service-Public-Auftrag. SRF-Unterhaltungschef Christoph Gebel bezieht Stellung.
05.06.2014, 07:0715.07.2014, 14:54
Daria Wild
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Herr Gebel, das SRF lagert erneut eine Produktion aus und erneut wird dieselbe Kritik laut. Haben Sie langsam genug?
Christoph Gebel: Diese Kritik gehört dazu. Sie kommt jedes Mal, aus den selben Kreisen und mit den selben Argumenten. Wenn wir viele Aufträge ins Ausland geben würden, wäre die Kritik ja berechtigt. Aber wir produzieren die Mehrheit der Sendungen in der Schweiz und verlagern nur ausnahmsweise etwas ins Ausland.

Christoph Gebel ist seit drei Jahren Unterhaltungschef beim SRF. Zuvor war der 54-Jährige Programmleiter DRS 1 / DRS Musikwelle.
Christoph Gebel ist seit drei Jahren Unterhaltungschef beim SRF. Zuvor war der 54-Jährige Programmleiter DRS 1 / DRS Musikwelle.Bild: SRF/Oscar Alessio 

Wie viele Sendungen werden denn im Ausland produziert?
Im Bereich Unterhaltung publizieren wir 70 Sendungen, davon werden vier komplett im Ausland gemacht. Das sind ‹Die grössten Schweizer Talente›, ‹Jobtausch›, ‹Mini Beiz, dini Beiz› und ‹Funnymals›. 66 Sendungen werden also hier produziert. Zwei Drittel vom SRF und unserer Tochterfirma TPC. Der Rest wird von Schweizer Firmen produziert, wie beispielsweise mit B&B Endemol Schweiz und Faro TV. 

Für die Produktion von «Mini Beiz, dini Beiz» hat das SRF mit ITV Studios Germany aber keine Schweizer Firma engagiert. Warum nicht?
Wir haben das Projekt ausgeschrieben, 11 Firmen haben insgesamt 60 Konzepte eingereicht. Ein Drittel der Firmen kam aus der Schweiz. Aber die Qualität der Konzepte war zu wenig überzeugend. Das ist auch ein Stück weit als Kritik an die hiesigen Produzenten zu verstehen.

Über zehn Konzepte aus der Schweiz waren zu schlecht? Das kann doch nicht sein. 
Leider doch. Ich muss sagen, ich war etwas enttäuscht über das Ergebnis des Verfahrens. Wir geben ja vor, wie viel wir für die Produktion bezahlen. Alle hatten also dieselben Spielregeln. 

Aber nicht dieselben Kosten: Gemäss unseren Informationen bezahlt das SRF 15’000 Franken für eine Sendung. Ein Schweizer Produzent müsste aber 8000 mehr verlangen, um kein Minusgeschäft zu machen. Die hiesigen Firmen können es sich also gar nicht leisten, fürs SRF zu produzieren. 
Mehr als zehn Firmen haben mit ihrer Bewerbung ja gezeigt, dass sie die Sendung zu dem Geldbetrag, den wir zahlen, produzieren könnten. Entscheidend für eine Vergabe sind das redaktionelle Konzept, die Erfahrung in der Produktion einer täglichen Sendung und die Qualität. Aber ich verstehe auch, dass sich die Branche mehr Aufträge erhofft. Die hiesigen Produzenten sind einem ständigen Existenzkampf ausgesetzt. Der TV-Produktionsmarkt ist in der Schweiz nicht sehr gross. 

«Der Standort Schweiz reicht nicht für eine Zusage.»

Müssten hier nicht sie als öffentlich-rechtliches Unternehmen mit einem Service-Public-Auftrag Schützenhilfe leisten und Schweizer Produzenten unterstützen? 
Wir bieten keine Subventions- und Überlebenshilfe für Schweizer TV-Produzenten. Und der Standort Schweiz alleine reicht nicht für eine Zusage. Man kann doch nicht mit dem Bonus Schweiz das Gefühl haben, Qualitätsdefizite aufholen zu können! Mein Auftrag ist es, eine qualitativ gute Sendung zu bringen. Das ist für mich Service Public und da mache ich keine Kompromisse. Aber man kann es bekanntlich nie allen recht machen. Und wir müssen nun mal auch privatwirtschaftlich funktionieren. 

Zurück zu «Mini Beiz, dini Beiz»: Stimmt es, dass Sie eine Game-Show in petto haben, falls die Sendung floppt?
Ja das stimmt. Wir haben einige Sendungen in petto. Es ist so: Drei Monate wird die neue Soap laufen. Das ist eine Testphase. Und deshalb brauchen wir Ersatzsendungen. Falls ‹Mini Beiz, dini Beiz› auf dem Markt gute Chancen hat, kommt die Firma in die Schweiz und arbeitet unter Schweizer Marktbedingungen. 

Bis dann arbeiten die Angestellten der ITV Germany, die ja perfektes Schweizerdeutsch beherrschen müssen – also Schweizer sein werden –, vermutlich zu deutschen Löhnen fürs SRF. Ist das vertretbar?
Mit der Summe, die wir bereitstellen, können anständige Löhne bezahlt werden. Sonst würden wir intervenieren. 

«Mit der Summe, die wir bereitstellen, können anständige Löhne bezahlt werden.»

Sie kennen also die Löhne?
Nein.

Wie wollen sie dann intervenieren, wenn sie die Löhne nicht kennen?
Wir gehen davon aus, dass die Angestellten gut verdienen. Sonst würden wir das hören. Aber eigentlich interessiert es mich nicht. In Geschäftsprozesse greifen wir nicht ein, das wäre interventionistisch.

Das SRF könnte aber, wenn es schon kostengünstig im Ausland produziert, die Gebühren senken, lautet eine Forderung. Was sagen Sie dazu?
Unsere Geschäftsleitung vertritt die Maxime, dass wir die Gebührengelder möglichst sorgsam verwenden. Service Public heisst auch, dass der Zuschauer weiss, dass sein Geld gut angelegt ist. 

Weiss er das? Auf Fragen zu den Ausgaben des SRF erhält man nie Antwort. 
Das Gesamtbudget des SRF ist transparent. Aber es ist für Aussenstehende schwierig, Zahlen einzuordnen. Für manche sind beispielsweise 100’000 Franken viel Geld, für manche wenig. Es ist also schwierig, mit den Zahlen umzugehen. Zum Teil werden wilde Spekulationen gemacht. 

«Wir nehmen lieber Spekulationen in Kauf.»

Weil das SRF keine Transparenz schafft.
Das Unternehmen ist immer gut mit dieser Strategie gefahren. Wir geben grundsätzlich keine Auskunft zu einzelnen Sendungsbudgets und nehmen lieber Spekulationen als Falschinterpretationen in Kauf. Und zudem: Kommuniziert watson alle Zahlen?

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