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Interview

Darum will der oberste Medienhüter auch Online-Medien über Gebühren finanzieren

Black Mirror, Season 4, 4. Staffel, Netflix
Die Auswahl an Streamingdiensten, Pay-TV- und Internet-TV-Angeboten ist so gross wie noch nie. Bild: Szene aus der Netflix-Serie «Black Mirror».Bild: Netflix
Interview

Darum will der oberste Schweizer Medienhüter auch Online-News über Gebühren finanzieren

Die Eidgenössische Medienkommission macht sich in einem Bericht für eine neue Form der Medienförderung stark. Präsident Otfried Jarren sagt im Interview, warum die Menschen heute keine Zeitungs-Abos mehr lösen – und warum man manche Leute zu ihrem Glück zwingen müsse.
23.01.2018, 05:5723.01.2018, 08:19
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Herr Jarren, sind Sie froh, dass Sie Medienforscher sind und nicht in der Haut der Schweizer Verleger stecken?
Otfried Jarren:
Ich bin ganz zufrieden mit meiner Rolle (lacht).

Sie haben gestern einen Bericht vorgestellt, der die Situation der Schweizer Medien im digitalen Zeitalter analysiert. Man darf sagen: Die Lage ist eher ungemütlich. Kurz zusammengefasst: Wo harzt es am meisten?
Einerseits brechen die Werbeeinnahmen weg, weil die Firmen heute direkt über YouTube oder Facebook inserieren können. Auf der anderen Seite sinkt die Bereitschaft der Bürger, sich zu binden, also ein Abo zu lösen. Damit funktioniert das bisherige Finanzierungsmodell des Journalismus nicht mehr. Die Verlage müssen ihre Redaktionen zusammenlegen und sparen, um weiterhin über die Runden zu kommen. Beispiele dafür gibt es ja genug.

«Heute leben viele Menschen in einer On-Demand-Welt, in der sie nur zahlen, was sie gerade konsumieren.»

Ist es denn tatsächlich so, dass die Konsumenten nicht mehr bereit sind, für Journalismus zu zahlen? Oder nutzen sie einfach andere Angebote als früher?
Heute leben viele Menschen in einer On-Demand-Welt, in der sie nur zahlen, was sie gerade konsumieren. Natürlich interessierten sich auch früher nicht alle Personen für alle Nachrichten. Manche lasen nur den Sportteil oder nur die lokalen Nachrichten. Aber sie kauften dennoch eine komplette Zeitung. Heute sind solche Gesamtpakete nicht mehr gefragt. Eine brandaktuelle Studie aus Deutschland kommt zum Schluss, dass nur noch 46 Prozent der Bürger bereit sind, für Medien Geld auszugeben – ein alarmierender Wert.

Die Eidgenössische Medienkommission macht sich dafür stark, dass künftig neben Radio- und TV-Sendern auch Onlinemedien vom Staat finanziell unterstützt werden. Steht diese Forderung nicht etwas quer in der Landschaft in einer Zeit, in der das ganze Land über die Abschaffung der Billag-Gebühr diskutiert?
Nein. Kaum jemand wird bestreiten, dass die Medien für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie absolut notwendig sind. Nun stehen wir vor der Situation, dass der gesellschaftliche Nutzen der Medien höher ist als die Zahlungsbereitschaft des Einzelnen. Dieses Dilemma wird sich nicht von selber lösen.

Otfried Jarren, Praesident der Eidgenoessischen Medienkommission, EMEK, aeussert sich zum Positionspapier "Zukunft der Medien- und Kommunikationsordnung Schweiz", am Montag, 30. Oktober 2017 ...
Otfried Jarren ist Präsident der Eidgenössischen Medienkommission und Professor am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich.Bild: KEYSTONE

Anders formuliert heisst das: Die Menschen müssen zu ihrem Glück gezwungen werden?
Ja, das ist ein bisschen so. Medien gehören – wie beispielsweise auch die Bildung – zu den sogenannten meritorischen Gütern. Die private Nachfrage fällt kleiner aus als das aus gesellschaftlicher Sicht wünschenswert wäre. Aus diesem Grund regulieren alle demokratischen Staaten den Mediensektor in irgendeiner Form. In der Schweiz wurde aus dieser Überlegung einst die Rundfunkgebühr eingeführt. Heute, da sich die junge Generation vermehrt online und via Mobile informiert, müssen wir diskutieren, ob es noch Sinn macht, den Service public auf Radio und TV zu beschränken.

«Lassen wir den Markt in der digitalen Welt einfach spielen, drohen die relevanten Inhalte von pseudojournalistischen Angeboten verdrängt zu werden.»

Fakt ist doch: Noch nie war die Vielfalt an Medienangeboten online so gross wie heute, und noch nie konnten die Konsumenten so einfach darauf zugreifen. Warum also lässt man nicht einfach den Markt spielen?
Richtig ist, dass es noch nie so viele Möglichkeiten gab, online die eigene Meinung zu äussern. Das ist eine sehr positive Entwicklung. All diese Blogs und Foren ersetzen aber die klassischen journalistischen Leistungen nicht. Für die Demokratie sind Recherchen, das Einordnen von politischen Debatten und eine kritische Beobachtung der Regierung essenziell. Lassen wir den Markt in der digitalen Welt einfach spielen, drohen die relevanten Inhalte von pseudojournalistischen Angeboten verdrängt zu werden.

Liberale Kreise sind überzeugt, dass das Angebot ohne Subventionen und Regulierungen bunter und vielfältiger wäre. Nochmals: Warum sind Sie so sicher, dass die Medienlandschaft in dem Fall nicht aufblühen, sondern austrocknen würde?
Weil der Journalismus, wie vorher ausgeführt, ein Finanzierungsproblem hat. Wir erleben ein klares Marktversagen.

Auch die SRG steht unter Zugzwang. In welche Richtung muss sie sich entwickeln, damit sie in Zeiten der Digitalisierung weiterhin eine Daseins-Berechtigung hat?
Sie muss sich von den rein werbefinanzierten Anbietern deutlich unterscheiden und vermehrt Hintergrundfunktionen wahrnehmen. Das ist umso wichtiger, wenn die Nachrichtenagentur SDA geschwächt wird, wie wir das aktuell erleben. Der Bundesrat stellt die Weichen meines Erachtens richtig, wenn er in seinem Service-public-Bericht vorschlägt, dass künftig mindestens die Hälfte der Gebührengelder in den Informationsbereich fliessen soll und das Unterhaltungsangebot zu überprüfen sei.

«In diesem Bereich hat die SRG sicher noch Luft nach oben.»

Die SRG befindet sich in einem Dilemma: Mit ihren TV- und Radio-Programmen erreicht sie das junge Publikum immer schlechter. Gleichzeitig wehren sich Politik und private Verleger dagegen, dass die SRG ihr Online-Angebot weiter ausbaut. Welchen Ausweg sehen Sie da?
Am Internet führt kein Weg vorbei, wenn man das junge Publikum weiter erreichen will. Auch hier scheint es mir aber wichtig, dass die SRG nicht nach Quote jagt, sondern sich darauf konzentriert, qualitativ hochwertige und innovative Inhalte für junge Zuschauer herzustellen. In diesem Bereich hat die SRG sicher noch Luft nach oben.

Wäre ein generelles Werbeverbot für die SRG sinnvoll, wie es etwa die Grünen fordern?
Die EMEK hat sich dazu noch nicht offiziell geäussert. 

So sieht «Der Bestatter» aus, wenn dem SRF das Geld ausgeht

Video: watson/Lya Saxer, Angelina Graf
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41 Kommentare
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Brett-vorm-Kopf
23.01.2018 06:35registriert Mai 2016
Als klarer NoBillag Gegner - öffentliche Medien brauchts! - bin ich der Meinung, dass Doris Leuthard und das Parlament bisher massiv versagt haben einen klaren Auftrag (Service Public) zu definieren... Arbeitsverweigerung?

In diesem Kontext weitere "Subventionierung" von Medien (Print & Online) zu fordern - insbesondere da Angebote wie "Die Republik" aufgebaut werden - finde ich ziemlich blauäugig und abgehoben.

Meiner Meinung nach wäre es zuerst an der Zeit den Auftrag der SRG klar zu spezifizieren, das dafür notwendige Budget zu bestimmen und vom Volk demokratisch absegnen zu lassen.
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Bruno S.1988
23.01.2018 09:27registriert Juli 2016
"Sie muss sich von den rein werbefinanzierten Anbietern deutlich unterscheiden und vermehrt Hintergrundfunktionen wahrnehmen."

"...dass künftig mindestens die Hälfte der Gebührengelder in den Informationsbereich fliessen soll und das Unterhaltungsangebot zu überprüfen sei."

Für mich die Gründe weshalb ich keine lust habe jährlich 451 für die SRG zu bezahlen!

Die SRG soll nicht primär Unterhalten! Die SRG soll informieren! Auch viele YT- Kanäle schaffen es uns zu informieren ohne das uns dabei das Gesicht einschläft!
Ein Gutes Beispiel ist MrWissen2go mit knapp 620'000 Abonnenten.
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sir_kusi
23.01.2018 08:59registriert März 2016
Genau, früher gabs die Zeitung die man als ganzes kaufte, auch wenn man nur ein Teil davon las. Es gab keine Gratis-Information vor dem Fernseh-Zeitalter, die Schweiz und ihre Demokratie war trotzdem erfolgreich. Später haben die Zeitungen begonnen, ihre Inhalte kostenlos im Internet zu veröffentlichen. Nun beklagen sie sich, dass niemand mehr dafür bezahlen will. Ich finde es eine Frechheit, dass nun einfach der Steuerzahler die journalistischen Inhalte bezahlen soll.
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