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Interview

Schawinski zum Ehrendoktortitel: «Eine gewaltige Genugtuung»

Medienunternehmer Roger Schawinski posiert auf dem gruenen Teppich am Eroeffnungs-Abend des 11 Zurich Film Festivals in Zuerich am Donnerstag, 24. September 2015. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Zur Ehrung seiner Verdienste für die Informationsfreiheit: Roger Schawinksi erhält die Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg.Bild: KEYSTONE
Interview

Roger Schawinski bekommt einen Ehrendoktortitel: «Eine gewaltige Genugtuung»

Am Dienstag wird Medienpionier Roger Schawinski mit dem Ehrendoktor der Universität Fribourg ausgezeichnet. Ein Gespräch über Neider, verpasste Chancen und Donald Trump.
15.11.2016, 12:0115.11.2016, 21:24
Rafaela Roth
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Vom Radiopirat zum Doktor: Herr Schawinski, wie konnte das passieren? 
Roger Schawinski:
Zum Ehrendoktor! 

Stimmt, Sie haben ja bereits in Nationalökonomie doktoriert. 
Ja, den Doktortitel habe ich erarbeitet. Das Ehrendoktorat hat man mir verliehen . Es ist damit noch ein, zwei Stufen höher. Ich finde es grossartig, dass meine Arbeit als Medienunternehmer und Journalist in der Schweiz diese Art von Beachtung findet. Vieles, das ich gemacht habe, hat also eine gewisse Nachhaltigkeit. Dieser Titel ist für mich die grösste Freude, die ich mir vorstellen konnte.

Tatsächlich? Was bedeutet Ihnen der neue akademische Grad?
Sehr viel. Wie heisst es? «Der Prophet gilt nichts im eigenen Land... » Ich als Person polarisiere extrem und musste gerade unter Journalisten – in der Schweiz noch mehr als in Deutschland – sehr viel Kritik einstecken. Dass ich jetzt diese Ehrung für meine Arbeit erhalte, ist für mich eine gewaltige Genugtuung. Ich freue mich sehr.

Warum sind Sie ein beliebtest Ziel von Kritik?  
Ich habe in meinem Leben bloss meine Ziele und Visionen konsequent verfolgt. Das können nicht alle und deswegen mögen das auch nicht alle. Über extreme Narzissten habe ich vor kurzem ein Buch publiziert.

Medienpionier Roger Schawinski

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Medienpionier Roger Schawinski
Roger Schawinski wurde 1945 in Zürich geboren. Ab 1972 arbeitete er für das Schweizer Fernsehen. 1974 gründete und moderierte er das Konsumentenmagazin Kassensturz.
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Wirklich? Ihnen wird nachgesagt, ein grosser Narzisst zu sein. Wie gehen Sie mit Kritik um? 
Ich lese nicht mehr alles, gerade in den Kommentarspalten gewisser Medien wird ja teilweise Unerträgliches verbreitet. Dennoch, Kritik hat mich nie davon abgehalten, eine Haltung zu haben und sie öffentlich zu formulieren.

Stehen Sie gerne im Schussfeld? Gibt es Ihnen Energie? 
Nein, im Schussfeld zu stehen, ist eine Art Kollateralschaden meiner Arbeit. Gesucht habe ich das nie.

Das hört sich jetzt sehr abgeklärt an. Aus dritter Quelle vernimmt man, dass Sie beispielsweise der Eklat in der «Schawinski»-Sendung mit Kabarettist Andreas Thiel nachhaltig beschäftigt hat. 
Ja, das stimmt,  vor allem die Medienkampagne danach. Die hat ja nicht mehr aufgehört. Ich musste darauf nach Indien in die Ayurveda-Kur, um den ganzen Schmutz rauszuwaschen und damit abzuschliessen.

Roger Schawinksi 
Roger Schawinski wurde 1945 in Zürich geboren, er gründete 1974 die Konsumentensendung «Kassensturz», 1977 bis 1987 war er Herausgeber der Zeitung «Die Tat». Ein Jahr später etablierte er mit Radio 24 den ersten Schweizer Rundfunk aus Italien. 1994 rief er «TeleZüri» und 1998 «Tele 24» ins Leben. Nach drei Jahren beim deutschen Sender Sat1 kam er wieder in die Schweiz, gründete Radio 1 und ist jeden Montag mit seiner Talkshow «Schawinksi» beim Schweizer Fernsehen zu sehen.
Die Universität Freiburg verleiht dem Journalisten Roger Schawinski am Dienstag die Ehrendoktorwürde. «Der Geehrte hat sich in aussergewöhnlicher Weise für das Recht auf Informationsfreiheit stark gemacht», schreibt die Uni in einer Mitteilung. «Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass massenmediale Kommunikation frei von staatlichen und wirtschaftlichen Eingriffen bleibt.» (rar)

Sie sind also doch nicht so hart, wie Sie tun. 
Wer hat gesagt, ich sei besonders hart?

Andreas Thiel musste nach Ihrer Sendung aber wahrscheinlich auch in die Ayurveda-Kur. 
Warum? Die Leute gehen bloss nicht mehr so oft in seine Vorstellungen, wie er sagt. Aber das könnte auch daran liegen, dass er einfach nicht mehr lustig ist. Ich wollte ihn vor kurzem nochmals in eine Sendung einladen, damit wird beide offen über die Folgen sprechen können. Er wollte aber nur unter der Bedingung kommen, dass ich mich am Anfang öffentlich bei ihm entschuldige. Damit war das Thema vom Tisch. Aber lassen wir das.

Sie werden dafür ausgezeichnet dass Sie sich «in aussergewöhnlicher Weise für das Recht auf Informationsfreiheit starkgemacht» haben. Was ist heute die grösste Gefahr für die Informationsfreiheit?
Ganz klar die Monopole. In gewissen Regionen kontrolliert eine Person oder eine einzige Firma alle Medien – Radio, Fernsehen und Zeitung. Die regionalen Monopole sind die schlimmsten Monopole. Diese Tendenzen nehmen weiter zu. Heute ist diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Und sie ist gefährlich für unsere Demokratie.

Sie sehen diese Entwicklung als nicht mehr aufzuhalten? 
Nein, es gab  sogenannte «Windows of Opportunities». Wenn die sich schliessen, kann man das nicht mehr rückgängig machen. Im Bereich Fernsehen sehe ich keine Chance, dass eine echte inländische Konkurrenz zur SRG entstehen könnte. In Sachen Radio ist ebenfalls alles zementiert und bei den Zeitungen gehen die Monopolisierungs-Tendenzen rasant voran. Es geschieht ein Abbau an Vielfalt.

Welches sind Ihre Rezepte für die Medienkrise? 
Ich habe keine. Man hätte diese Weichen viel früher stellen können. Ich musste das damals alles alleine machen, im Bereich Radio ist es mir teilweise gelungen. Im Bereich Fernsehen – ein teureres Medium – hätte ich mehr Support gebraucht, um eine journalistische Konkurrenz zur SRG aufzubauen. Diesen habe ich aber nicht gekriegt, weder von der Politik noch von irgendwelchen Verlagen. Jetzt haben sich die Verleger ihre Pfründe unter den Nagel gerissen, um bis ins hintersten Bergtal ihre maroden, hochsubventionierten Sender laufen zu lassen.

Das klingt alles sehr hoffnungslos.
Ja, wir haben leider viele Chancen verpasst. Im Moment bin ich nicht sehr optimistisch gestimmt. Auch nicht im Hinblick darauf, was gerade in Amerika passiert.

Können Sie mir als junger Journalistin bitte noch ein bisschen etwas Hoffnungsvolles sagen? 
Was soll ich sagen? Einige werden diese Krise überleben. Ich hoffe, dass Sie dazugehören. Es gibt immer wieder neue und gute Versuche, gegen den Strom zu schwimmen, wie beispielsweise ja auch watson. Deswegen habe ich auch grosse Sympathien für euer Newsportal.

Wie wurden Sie eigentlich vom SRG-Gegner zum SRG-Verteidiger?
Ich war nicht SRG-Kritiker, sondern immer Monopol-Kritiker. Damals hatte die SRG das absolute Monopol. Ich wollte eine Öffnung. Damit kam ich etwas voran. Dann wurde ich durch die Politik ausgebremst. Jetzt versuche ich, als Unabhängiger innerhalb der SRG kritische Sendungen auf möglichst hohem Niveau zu produzieren.

In welche Richtung müsste sich die SRG Ihrer Meinung nach entwickeln?
Die SRG hat eine schwierige Situation. Im gesamten Medienbereich, in dem die meisten Medien schrumpfen, wird der Anteil der SRG immer grösser, weil die SRG nicht schrumpft. Deswegen muss sie versuchen, ein paar Abstriche zu machen. Auch um den politischen Druck abzufedern, der jetzt da ist.

Beispielsweise im Online-Angebot? 
Ich will das jetzt nicht im Detail ausführen. Aber die SRG macht seit 30 Jahren eine Vorwärtsstrategie, während die privaten Medien seit der Finanzkrise schrumpfen. Die SRG sollte jetzt etwas Gegensteuer geben und ein Zeichen setzen, dass sie sich auch in die andere Richtung entwickeln kann. Doch Zurückbuchstabieren fällt immer schwer.

Jetzt sagen Sie, die SRG müsse zurückbuchstabieren aber die «No-Billag»-Initianten haben Sie kürzlich in Ihrer Sendung mit Roger de Weck als «dumm» bezeichnet.
Ja weil diese Initiative viel zu extrem ist. Deswegen hat sie auch keine Chance.

Glauben Sie tatsächlich, dass die keine Chance hat? 
Jedes aufgeklärte Land in Europa hat ein öffentlich-rechtliches Fernsehen und braucht das auch – die Schweiz mit ihrer Sprachenvielfalt und ihrer fehlenden Sprachbarriere zum direkten Ausland sowieso. Wenn die Initianten vorgeschlagen hätten, die Billag auf die Hälfte zu reduzieren, hätten sie viel die besseren Chancen gehabt. Trotzdem muss ich relativieren. Nachdem was letzte Woche in Amerika passiert ist, bin mir  auch hier nicht mehr so sicher.

Sie sprechen auf die Wahl Donald Trumps ins Weisse Haus an. 
Ja, heute haben diejenigen Leute die besten Chancen, die einfache Lösungen für komplizierte Probleme propagieren. Auch wenn sie dann das Meiste nicht wie ihren Wählern versprochen umsetzen.

Wo waren Sie, als Sie erfuhren, dass der neue Präsident der USA Donald Trump heisst? 
Ich habe die Wahlen zu Hause von abends um 23 Uhr bis morgens um 10 ununterbrochen im Fernsehen verfolgt. So ab 2 Uhr habe ich mich gefühlt, als würde ein 40-Tönner mit riesigem Tempo und aufgedrehten Scheinwerfern auf mich zu rasen und ich sei unfähig mich wegzubewegen, sodass er mich überrollen wird. Und genau so ist es passiert, zumindest emotionell.

Glauben Sie, das wird so ein Moment von dem man sich noch in 30 Jahren erzählen wird: «Ich weiss noch genau wo ich war, als ...»
Jawoll. Und wie man sich dabei gefühlt hat. Jetzt weiss keiner mehr, was passieren wird.

Sind die Medien Ihrer Meinung nach mitschuldig an Trumps Erfolg? 
Natürlich sind die Medien ihm aufgesessen, weil er die besten Einschaltquoten generiert hat. Sie haben ihm eine grosse Plattform gegeben. Hillary Clinton wirkte im Gegensatz zu ihm steif und arrogant. Trump mit seiner Mass- und Schamlosigkeit hat die Menschen viel besser unterhalten und bewegt. 

Was hätten die Medien tun sollen? Trump totschweigen? 
Nein, das geht nicht, das ist unmöglich. Man muss an dieser Stelle auch betonen, dass die Mehrheit der Amerikaner Hillary Clinton gewählt haben, nicht Trump. Dass er dennoch Präsident wurde, liegt am veralteten amerikanischen Wahlsystem.

Wie sollen die Medien auf Schamlosigkeit reagieren? 
Das ist eben sehr schwierig. Die Medien haben angenommen, dass man Trump mit Fakten beikommen kann. Doch Fakten spielten gar keine grosse Rolle mehr. Die Leute haben ein Ventil für ihren Frust gesucht – Fakten hin oder her. Trump ist ein Rattenfänger, der den Leuten das Gefühl geben konnte, er würde auf ihre Probleme subito eingehen und viel zu viele haben es ihm geglaubt.

Hat die Wahl Trumps gezeigt, dass die Medien nicht mehr fähig sind, ihre Rolle als vierte Macht im Staat wahrzunehmen? 
Die Informationen waren ja alle da. Jeder der sich informieren wollte, konnte das tun. Viele Leute haben sich aber gar nicht damit auseinander gesetzt. Die Wahl wurde mit Emotionen nicht mit Fakten gewonnen.

Tom Kummer meinte nach der Wahl, es müsse ein neuer Journalismus her, der nicht mit Fakten arbeitet, sondern mit Emotionen, Fantasie etc. 
Der Fälscher Tom Kummer ist mit Sicherheit nicht die beste Quelle für dieses Thema. Seine Form von Journalismus ist noch schlimmer als alles andere. Er hat den Journalismus beschädigt.

Herr Schawinksi, Sie sind jetzt 71 Jahre alt. Können Sie irgendwann aufhören, zu arbeiten? 
Ich weiss es nicht. Ich weiss ja nicht, was noch alles kommt. Ich mache weiterhin meine Radiosendungen und meine Fernsehsendung. Dazu leite ich meine beiden Sender Radio 1 und Planet 105. Und hie und da schreibe ich ein Buch. Ich werde schon runterfahren, aber «süüferli».

Haben Sie Angst davor, aufzuhören?
Nein, ich bin mir bewusst, dass die Bedeutungslosigkeit bald kommen wird und ich hoffe, dass ich sie dann bewältigen kann. Ich setze mich damit intensiv auseinander. Viele Journalisten haben leider nicht gut geendet, teilweise richtig unwürdig. Als Unternehmer kann ich glücklicherweise selber bestimmen, was wann passiert.

Aber der Ehrendoktortitel ist nicht das Ende? Man muss doch auf dem Höhepunkt aufhören. 
Der Höhepunkt ist er, aber das Ende wohl nicht. Meine Frau hat gestern zu mir gesagt; «Höher kommst du nicht mehr.» Aber das muss ich auch nicht. Alles ist gut.

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sillum
15.11.2016 12:43registriert April 2014
Kann mir jemand helfen? Ich bin nicht mehr ganz sicher: Wer hat den Ehrendoktortitel erfunden?
Wer hat Donald Trump erfunden?
Hat Roger Schawinski tatsächlich auch Rafaela Roth erfunden?
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marel
15.11.2016 14:13registriert Oktober 2016
"...bin mir bewusst, dass die Bedeutungslosigkeit bald kommen wird...." armer, armer Herr Schawinski. Aber wissen Sie. Es lebt sich gar nicht so schlecht in der Bedeutungslosigkeit. Man kann dann echtes Selbstvertrauen aufbauen. Vielleicht ein Projekt noch für Sie? Dann wären Sie auch etwas weniger abhängig vom Applaus.
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Richu
15.11.2016 15:21registriert Mai 2016
Das Niveau gewisser Leute der Uni Fribourg muss schon "tief" sein, dass Schawinski den Ehrendoktor verliehen wurde!
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