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Interview

Mediator Markus Leimbacher: «Geri Müller und der Badener Stadtrat haben gemeinsame Interessen»

Im Fall #gerigate soll eine Mediation eine tragfähige Lösung zutage fördern.
Im Fall #gerigate soll eine Mediation eine tragfähige Lösung zutage fördern.Bild: KEYSTONE
#gerigate

Mediator Markus Leimbacher: «Geri Müller und der Badener Stadtrat haben gemeinsame Interessen»

Am Montag ist eine Mediation zwischen Stadtammann Geri Müller und den weiteren sechs Badener Stadträten beschlossen worden. Der erfahrene Mediator Markus Leimbacher sieht Chancen für eine Lösung der verfahrenen Situation.
10.09.2014, 06:0510.09.2014, 08:23
fabian hägler / aargauer zeitung
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Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

An der ersten Sitzung mit Geri Müller, seit die Nackt-Selfie-Affäre vor gut drei Wochen publik wurde, hat der Badener Stadtrat eine Mediation beschlossen. Wer diesen Prozess leiten wird, wann die erste Sitzung stattfindet, wie die Zielsetzung lautet und bis wann sich der Stadtrat Zeit gibt, die verfahrene Situation zu lösen, wollte Jacqueline Keller Borner, Leiterin Kommunikation der Stadt Baden, auf Anfrage nicht beantworten.

«Zum Vorgehen bei der Mediation möchte sich der Stadtrat nicht äussern», sagt Keller Borner. Offen bleibt damit auch, wer die Idee einer Mediation im Stadtrat eingebracht und beantragt hat. Die Kommunikationschefin sagt dazu nur so viel: «Sie wurde vom Gesamtstadtrat beschlossen und hat zum Ziel, sobald als möglich zu einer für Baden tragfähigen Lösung zu kommen.»

Der erfahrene Aargauer Mediator und Anwalt Markus Leimbacher sieht durchaus Chancen für gemeinsame Lösungen im Fall Geri Müller. Aus seiner Sicht ist eine Mediation wohl das einzig probate Mittel in dieser Situation.

Herr Leimbacher, wie bewerten Sie den Entscheid des Stadtrats Baden, eine Mediation durchzuführen?
Markus Leimbacher: Dies ist seit drei Wochen der erste gemeinsame Entscheid von Stadtrat und Geri Müller, insofern bewerte ich dies positiv. Bisher gab es die fixen Positionen, dass Geri Müller auf seinem Amt beharrte, während der Stadtrat ihn zum Rücktritt aufforderte und ihm seine Ressorts entzog. Nun sind die Parteien offenbar zur Einsicht gelangt, dass eine Mediation ein möglicher Weg zur Lösung dieser verfahrenen Situation sein könnte.

Wie könnte die Mediation im Fall Geri Müller konkret ablaufen?
Es muss ein geeigneter Mediator gefunden werden, die Delegationen der Teilnehmer und die Agenda müssen definiert werden, und danach muss rasch eine Startsitzung stattfinden. Die wichtigste Bedingung, dass alle Beteiligten freiwillig bereit sind, an der Mediation teilzunehmen, ist offenbar gegeben.

Markus Leimbacher zur Mediation: «Eine Startsitzung muss rasch stattfinden.»
Markus Leimbacher zur Mediation: «Eine Startsitzung muss rasch stattfinden.»Bild: AZ-Archiv

Wer könnte diese Mediation leiten?
Weil die Situation von politischen Interessen überlagert ist, hat diese Mediation einen völlig anderen Charakter als zum Beispiel bei Familienproblemen oder Führungskonflikten in der Wirtschaft. Es braucht aus meiner Sicht eine möglichst neutrale Person, die unbefangen und ohne vorgefasste Meinung an diese Aufgabe herangeht. Dies ist im aktuellen Fall allerdings schwierig, weil es wohl kaum jemanden gibt, der noch keine Haltung zum Fall Geri Müller hat.

Würde Sie persönlich eine solche Aufgabe reizen?
Natürlich wäre eine solche Mediation interessant und herausfordernd, aber ich bin nicht die geeignete Person dafür. Ich war für die Stadt Baden bereits als Projektleiter bei der geplanten Fusion mit Neuenhof tätig, zudem kenne ich alle Stadtratsmitglieder persönlich und bin mit den meisten per Du, mit Geri Müller verbindet mich die Zeit im Grossen Rat. Kurz gesagt: Ich habe für diese Mediation zu wenig Distanz. Optimal wäre wohl ein ausserkantonaler Mediator, der auch vom Politbetrieb etwas versteht.

Mediator Beat Stocker sagte «20 Minuten», er würde neben Geri Müller und dem Stadtrat auch die Ortsparteien an der Mediation beteiligen.
Das sehe ich anders, aus meiner Sicht muss bei den Teilnehmern zahlenmässig ein Gleichgewicht herrschen. Es sollte nicht sein, dass Geri Müller bei der Mediation fünf Stadträten gegenübersitzt, die seinen Rücktritt verlangen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Geri Müller mit einer Vertrauensperson einerseits und zwei Stadtratsmitgliedern andererseits an den Gesprächen teilnimmt.

Wie muss der Mediator vorgehen, um die verfahrene Situation im Fall Geri Müller zu lösen?
Es geht nicht darum, das Geschehene aufzuarbeiten, sondern für die Zukunft gangbare Wege zu finden. In einer ersten Phase braucht es eine Auslegeordnung. Dabei wird geklärt, wo die Interessen und Bedürfnisse beider Seiten liegen. Danach muss man herausfinden, wo es gemeinsame Interessen der beiden Parteien gibt.

Sehen Sie in diesem Konflikt wirklich gemeinsame Interessen, die Fronten sind doch völlig verhärtet?
Die gibt es durchaus: Ich glaube, dass beiden Seiten das Ansehen der Stadt Baden am Herzen liegt. Zudem möchten wohl Geri Müller und der Stadtrat, dass der Konflikt rasch gelöst wird, weil die Situation sie belastet. Von diesen Übereinstimmungen kann man ausgehen, um eine Lösung zu finden.

Jetzt auf

Wie könnte diese aussehen?
Das lässt sich heute schwer beurteilen, und es ist auch nicht die Aufgabe des Mediators, selber eine Lösung vorzuschlagen. Er muss mit seiner Gesprächsführung darauf hinwirken, dass die Teilnehmer der Mediation selber Vorschläge erarbeiten und eine Lösung finden, hinter der alle stehen können.

Wie lange kann die Mediation dauern, wann muss die Lösung stehen?
Grundsätzlich dauert die Mediation so lange, wie beide Parteien mitmachen. Einen konkreten Zeitrahmen kann ich nicht nennen, aber aus meiner Sicht sollten in ein, zwei Monaten erste Ergebnisse vorhanden sein. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung spürt, dass der Prozess läuft und Fortschritte macht.

Der Badener Stadtrat ist bei Fragen zur Mediation sehr zurückhaltend – finden Sie das richtig?
Über den Inhalt der Mediationsgespräche darf nichts nach draussen gelangen, diese müssen vertraulich sein, bis eine gemeinsame Lösung feststeht. Deshalb würde ich auch den Namen des Mediators nicht publik machen – er würde sonst sicher von den Medien bestürmt, man würde seine Erfolge und Misserfolge bei früheren Mediationen ausbreiten und damit seine Position infrage stellen. Aber die Stadt muss offen kommunizieren, wie die Agenda aussieht und zum Beispiel mitteilen, wann die Startsitzung stattfindet.

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