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Du willst nur das Beste? Voilà:
Okay, die Frau, die vor mir sitzt, heisst in Wirklichkeit nicht Zelda Madsen. Sie heisst Wanda Wylowa und ist Schauspielerin. Im Film «Polder» spielt sie Zelda. Und für uns. In diesem Gespräch. Um uns einen Einstieg in die «Polder»-Welt zu ermöglichen. Denn «Polder» ist anders als jeder andere Schweizer Film bisher. Deshalb ist auch dieses Interview ganz anders als jedes, das wir bisher geführt haben.
Zelda ist böse. Sie will nicht nur den Turbokapitalismus, sie will die totale Kontrolle. Über den Menschen und sein Unterbewusstsein. Ihre Firma: Neuroo-X. Ihr Job: Sie verkauft ein neues Game, das aus unserer Realität und unserer Zeitrechnung eine neue Fiktion macht. Ein Game, für dessen Entwicklung Menschen geopfert werden.
Frau Madsen, Sie sitzen in der Führungsetage von Neuroo-X, einer grossen Firma für Game-Design.
Stimmt es, dass Sie das Unternehmen gemeinsam mit Cousins und Cousinen leiten?
Wir sind eine grosse Familie. Ob verwandt
oder nicht. Manchmal sind’s auch Wahlverwandtschaften, das ist so gewachsen.
Aus einer Hippie-Kommune raus. Wir haben als Kinder alle zusammen auf dem Land gelebt,
ohne Fernsehen und alles, mein Vater hat Super-8-Filme gemacht, meine Mutter hat
gewoben, wir sind alle in die Rudolf-Steiner-Schule gegangen.
Das klingt nach einem Paradies.
Auch Feen und Elfen waren für uns wichtig,
meine Eltern haben mir auf den Weg gegeben, dass es auch etwas Anderes gibt als
nur das Sichtbare. Danach hatten wir eine super Start-up-Zeit in Berlin ...
Inzest
war in der Hippie-Kommune nie ein Thema?
Es gab sicher Lebensphasen, in denen das auch
ein Thema war.
Sie
haben Feen und Elfen erwähnt: Was halten Sie von Einhörnern?
Die gibt es! Auf jeden Fall! Ich bin da ganz
offen. Kinder sehen auch Zwerge und Elfen, die Isländer sowieso. Dauernd.
Ein
Tier, an dem Sie sehr hängen, ist der Delfin.
Ich muss oft Vorträge vor besorgten Eltern
halten und ihnen die Angst vor den neuen Technologien nehmen. Dann erzähle ich
ihnen von all den schönen Möglichkeiten. Zum Beispiel von der innigen Verbindung
mit unserem Smartphone. Und ich warte auf den Tag, da mein Freund und ich uns
nicht mehr am Morgen unsere Träume erzählen müssen, sondern wir können uns
einfach anfassen, und die Träume schwappen vom einen auf den andern über.
Auch
Sexträume?
Die sind doch interessant! Ich bin sowieso für
den totalen zwischenmenschlichen Datenaustausch.
Wir
waren eigentlich bei den Delfinen.
Ja! Für Delfine ist Kommunikation doch alles!
Oder Walgesänge! Die sind doch alle total miteinander verbunden. Es wäre doch
für uns viel besser, wenn wir mehr mit dem Kosmos verbunden wären, wenn wir
unsere Chakren öffnen und alles fliessen lassen würden. Ich wünsche mir
unbedingt eine spirituellere oder transzendentalere Ebene, momentan ist mir die
Welt echt zu konsumorientiert.
Sie
versuchen jetzt im Ernst, mir Ihre Produkte mit
Spiritualität zu verkaufen. Ist das so eine Silicon-Valley-Masche?
Klar denken die im Valley ähnlich wie wir. Ich
bin ja auch oft dort, ich bin total beeindruckt, ich nehme und gebe dort gerne
Workshops, da sind gute Leute an einem guten Ort, das lass ich auf mich wirken,
das fühle ich. Und dann die Wüste! Viele verschieben jetzt auch ihre Büros
nach Bali, das ist super, das heisst Kreativsein an einem schönen Ort.
Da kann die Schweiz ja nicht mithalten, oder?
Doch! Wunderschöne Kraftzentren gibt es da! Im
Appenzell, im Engadin ...
Wo ja
auch Ihr neues Game spielt.
Ein wundervolles Game! Es ist der Anfang neuer
Möglichkeiten. Erlebniswelten verschmelzen mit den Fantasien und Ängsten der
Menschen. Wir arbeiten dafür mit dem ganzen Unterbewusstsein. Wir konzentrieren
uns dabei auf schöne Erlebnisse, die Leute können durch uns Schönheit und Gutes
tanken und sich an Kraftorte begeben.
Aber im
Promomaterial des Games seh ich eine Frau mit einem aufgeschlitzten Mund. Das
ist doch nicht schön?
In der Figur sind Urängste verkörpert, man
kann sich dem stellen oder nicht. Man kann die Hexe auch töten.
Ihr verkabelt
das Unterbewusstsein der Menschen mit eurer virtuellen Realität?
Ja.
Und
dann beginnen sie zu spinnen?
–
Sie
kommen nicht mehr aus dem Game raus.
Wenn Sie es schlecht machen? Klar.
Wie
kontrolliert Ihr das?
Wir sind ständig am Verfeinern unserer
Technologien, wir haben auch eine Hotline, die kann man anrufen, dann wird man
von unseren Fachleuten wieder ausgeloggt. Und wir suchen immer selbst nach
verloren gegangenen Usern.
Aber
für die Game-Entwicklung habt ihr Menschenexperimente gemacht. China hat euch
Probanden zur Verfügung gestellt. Woher kamen die? Aus der Psychiatrie? Aus dem
Gefängnis?
Das weiss ich nicht. Ich weiss ja auch nicht,
wer in Afrika Strassen baut.
Es soll
dabei Tote gegeben haben! Und der neunjährige Sohn eures Gamedesigners blieb im
Game drin hängen, sein Hirn fand den Ausweg nicht mehr. Was ist da passiert?
Er hat seine Verweildauer im Game falsch
eingestellt. 16'000 Jahre statt 16 Uhr.
Wir liessen ein Spezialistenteam kommen, schliesslich fanden wir heraus,
dass es das Beste ist, ihm seinen Lieblingsort aus dem Spiel nachzubauen und
ihm so ein langsames und sanftes Aufwachen zu ermöglichen. Im Spiel imaginierte
er sich mit seiner japanischen Mutter und seinem Schweizer Vater in ein
Häuschen im Engadin.
Schöne
Scheisse.
In seinem Fall war es zum Glück nur eine
winzige Holzhütte im Engadin. Aber wenn Ihr Unterbewusstsein sich jetzt in
einem Schloss einnisten würde, müssten wir im Notfall das Schloss suchen oder
sogar nachbauen. Das ist natürlich grauenhaft teuer. Deshalb müssen die User
jetzt auch Verträge mit Neuroo-X unterschreiben, bevor sie zu spielen beginnen.
Seid
Ihr nicht verklagt worden?
Doch, von der Mutter. Wir haben ihr zwei
Millionen bezahlt. Und wir beginnen jetzt mit einer virtuellen Früherziehung an
den Schulen. Ich möchte ja die Menschen über unser Game zu einem neuen
Bewusstsein erziehen. Zum Beispiel, dass sie mit diesem langweiligen, linearen
Zeitverständnis aufhören. Vielleicht könnten wir das Game auch zu einer
virtuellen Psychiatrie machen, inklusive Ethikkommission und allem.
Aber
hinter diesem Traum vom Erziehen und Therapieren verbirgt sich ja bloss eine
grössenwahnsinnige Wachstumsfantasie für Neuroo-X.
Wissen Sie was? Das interessiert mich nicht.
Wenn Marktführerschaft, dann höchstens in einem missionarischen Sinn. Nie in
einem merkantilen.
Sie
werden vielleicht bald einmal Chefin von Neuroo-X, aber noch haben Sie einen
Vorgesetzten, wie ist der so?
Grossartig. Manchmal haben wir auch Streit,
aber grundsätzlich nehmen wir die Schwingungen des andern schon sehr genau
wahr. Wir unternehmen auch offline sehr viele Dinge zusammen, gehen in die
Berge, tauchen, fahren Kajak, setzen uns in Vietnam auf den Boden und spielen
Gitarre.
«Der Polder» läuft ab 1. September im Kino.