Schweiz
Interview

Bundesrat Guy Parmelin im Interview über die Türkei-Spione

Parmelin zu Türkei-Spionen: «Es wäre naiv zu glauben, dass es keine Spionageaktionen gibt»

Bild: KEYSTONE
Interview
SVP-Bundesrat und Vorsteher des VBS Guy Parmelin spricht im Interview über türkische Spionageaktivitäten in der Schweiz und die Idee einer Cyber-RS.
18.03.2017, 08:4318.03.2017, 10:29
Lorenz Honegger und Othmar Von Matt / Schweiz am Wochenende
Mehr «Schweiz»

In Offizierskreisen kennt man ihn unter dem Kürzel GUPA: Guy Parmelin, SVP-Bundesrat und seit 2016 Verteidigungsminister der Schweiz. Der Waadtländer empfängt uns am Donnerstagvormittag im Bundeshaus-Ost zum Interview. Der einstige Weinbauer macht einen gelösten Eindruck – und legt Wert darauf, die Fragen der Journalisten auf Deutsch zu beantworten.

Jetzt auf

Herr Bundesrat, das Verhältnis zwischen Europa und der Türkei hat sich in den vergangenen Wochen verschlechtert. Macht Ihnen die Entwicklung Sorgen?
Natürlich, die Türkei bildet als NATO-Mitglied eine wichtige Brücke zwischen Europa und dem Nahen Osten. Wenn Ankara etwa das Migrationsabkommen mit der EU kündigen würde, wären die Folgen für alle unangenehm. Auch eine Destabilisierung der Nordatlantik-Allianz kann nicht in unserem Sinn sein.

Die türkische Regierung geht in der Schweiz gezielt gegen regierungskritische Landsleute vor. An der Universität Zürich bespitzelten Erdogan-Anhänger Besucher einer Veranstaltung zum Völkermord in Armenien. Was sagen Sie als Verteidigungsminister dazu?
Bespitzelungsaktionen jeglicher Art sind inakzeptabel. Wir haben eine Rechtsordnung, eine Verfassung und Gesetze, die respektiert werden müssen. Der Nachrichtendienst des Bundes tut sein Bestes, um Spionageaktivitäten zu verhindern.

Der amtsjüngste Bundesrat
Der 57-jährige SVP-Politiker Guy Parmelin wurde 2015 als Nachfolger von BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf in den Bundesrat gewählt. Davor sass er während zwölf Jahren im Nationalrat und machte sich als Präsident der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) einen Namen. Parmelin ist als Sohn eines Bauern im waadtländischen Bursins aufgewachsen. Bis zu seiner Wahl in den Bundesrat führte er zusammen mit seinem Bruder den väterlichen Hof. Er ist verheiratet. In der Armee hatte er den Grad eines Korporals.

Hat der Bundesrat in Ankara interveniert?
Das Aussendepartement hat die Türkei verschiedentlich darauf aufmerksam gemacht, dass sich alle an unsere Gesetze halten müssen. Doch es wäre naiv zu glauben, dass es keine Spionage- und Überwachungsaktionen gibt. Es ist wie in der Schule: Wer spicken will, kann das tun –, wenn er erwischt wird, wird er bestraft.

Das heisst?
Wenn wir Beweise für Gesetzesverstösse erhalten, ergreifen wir Gegenmassnahmen, und sagen den betreffenden Staaten: So geht das nicht. Es gibt internationale Abkommen und Vereinbarungen, die Gegenmassnahmen erlauben.

Der «Blick» hat auf seiner Titelseite alle in der Schweiz lebenden Türken aufgefordert, Erdogans Verfassungsreform bei der Abstimmung am 16. April abzulehnen. Ist das mutig oder fahrlässig?
In der Schweiz herrscht Pressefreiheit. Auch deutsche und französische Zeitungen haben Abstimmungsempfehlungen abgegeben. Was ich mich aber schon frage: Was würden wir davon halten, wenn türkische Zeitungen sich in einen Schweizer Abstimmungskampf einmischen und einen Kandidaten oder eine Vorlage zur Ablehnung empfehlen?

Erdogan-Anhänger tragen den Abstimmungskampf ins Internet: Diese Woche wurden Tausende europäische Twitter-Accounts gehackt. Die Schweizer Armee verfügt mit gut 50 Stellen über spärliche Ressourcen bei der Cyber-Abwehr. Reicht das noch in der heutigen Zeit?
Die Armee kann nicht Cyber-Mama für die ganze Schweiz sein. Im Vordergrund steht der Schutz unserer eigenen Infrastrukturen. Der Bundesrat entscheidet aber noch in diesem Jahr über einen neuen Cyber-Aktionsplan. Bis 2020 wollen wir den Bestand bei der Armee auf 150 bis 170 Spezialisten ausbauen. Die befristeten 50 Stellen beim Nachrichtendienst müssen unbedingt erhalten bleiben.

Das ist Guy Parmelin

1 / 18
Guy Parmelin – Das ist der neue SVP-Bundesrat
Ein Waadtländer Weinbauer ist neuer Bundesrat: Guy Parmelin hat das Rennen um den freien Bundesratssitz am 9. Dezember 2015 gemacht.
quelle: keystone / peter schneider
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Ein Knackpunkt dürfte das Personal sein: IT-Spezialisten sind rar und begehrt – auch in der Wirtschaft.
Das ist so. Alle wollen die besten Leute für sich. Geld allein tut es nicht. Denkbar ist zum Beispiel eine Art Cyber-Rekrutenschule. In Israel lassen sich junge Männer und Frauen bei der Armee ausbilden, sind dort eine gewisse Zeit tätig, wechseln dann in die Privatwirtschaft. Zurzeit sind wir mit der ETH Zürich und Lausanne sowie diversen Unternehmen im Gespräch, wie wir besser kooperieren können.

Was darf die Cyber-Truppe kosten? Ihr Parteikollege und Nationalrat Franz Grüter forderte vor kurzem 500 Millionen Franken jährlich.
Unabhängig davon ob es 100, 200 oder 500 Millionen sein werden: Das Geld wird uns an anderen Orten fehlen. Die Armee muss im kommenden Jahrzehnt so oder so schon grosse Erneuerungsinvestitionen im Rüstungsbereich tätigen.

In den Armeebotschaften 2016 und 2017 betonten Sie, dass fünf Milliarden Franken Budget ab 2021 nicht mehr reichen. Wie viel Geld wollen Sie und wofür?
Ein Verteidigungsminister will immer mehr Geld (lacht). In einem ersten Schritt müssen wir unsere Bedürfnisse identifizieren. Nehmen Sie als Beispiel die Luftwaffe: Wenn wir neue Kampfflugzeuge nur für den Luftpolizeidienst wollen, ist das etwas ganz anderes, als wenn wir uns – überspitzt formuliert – für den Dritten Weltkrieg wappnen.

Noch einmal: Wie viel Geld wollen Sie?
Ich kann Ihnen noch keine Zahl nennen. Zwischen Wunsch und der Realität liegen oft Welten. Aber es ist sicher so, dass wir ab 2021 mehr als fünf Milliarden Franken benötigen, wenn unsere Armee glaubwürdig bleiben soll. Wir streben eine temporäre Erhöhung des Kostendachs an, um die anstehenden Grossinvestitionen bei der Luftwaffe und dem Heer zu finanzieren.

Bundesrat Guy Parmelin, Chef VBS, posiert in einem Piranha Radschuetzenpanzer, waehrend der Materialvorfuehrung zur Armeebotschaft 2016 (AB16) auf der Kaserne Auenfeld in Frauenfeld, am Dienstag, 19.  ...
Der Chef des VBS posiert in einem Piranha.Bild: KEYSTONE

Anders lässt sich der Investitionsstau nicht bewältigen?
Nicht nur unsere Kampfjets, auch unsere Panzer und Artillerie werden alt, das ist eine Tatsache. Vielleicht ist es in Einzelfällen sinnvoller, Investitionen in neue Mittel zu verzögern, weil sie sonst in zehn Jahren schon komplett veraltet wären. Panzer etwa werden immer leichter, auch die Antriebe werden leistungsfähiger. Wir werden dem technischen Fortschritt Rechnung tragen.

Schon das Fünf-Milliarden-Budget war im Bundesrat und im Parlament höchst umstritten. Glauben Sie wirklich, dass Ihre Regierungskollegen Ihnen mehr Geld für Rüstungsgüter zugestehen werden?
Jedes Bundesratsmitglied versucht, möglichst grosse finanzielle Mittel für sein Departement herauszuholen. Die fünf Milliarden Franken sind mittlerweile unbestritten.

Eine Expertengruppe aus Ihrem Departement und eine politische Begleitgruppe arbeiten an einem Bericht zur Zukunft der Luftverteidigung. Es geht auch um ein neues Kampfflugzeug. Wird es Ihnen gelingen, ein Debakel wie beim Gripen-Kauf 2014 zu verhindern?
Die Ausgangslage ist dieses Mal ganz anders. Wenn wir noch einmal auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge verzichten, steht die gesamte Luftwaffe und damit die Glaubwürdigkeit auch der Armee auf dem Spiel. Die Tiger- und die F/A-18-Jets erreichen beide im nächsten Jahrzehnt das Ende ihrer Lebensdauer und müssen ersetzt werden. Beim Gripen konnte man noch sagen, die F/A-18 reichen als Zwischenlösung. Dieses Argument greift jetzt nicht mehr.

Wie viele Flugzeuge wollen Sie?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich warte die Empfehlungen der Expertengruppe ab.

Das Evaluationsverfahren für Kampfflugzeuge ist in der Schweiz traditionsgemäss sehr langwierig. Sehen Sie Möglichkeiten, um den Prozess zu beschleunigen?
Das wird die Expertengruppe klären. Es fragt sich aber, ob es Sinn macht, Flugzeugtypen, die noch nicht zu Ende entwickelt sind, bei der Evaluation zu berücksichtigen. Alternativ könnten wir wieder die gleichen Fliegertypen evaluieren wie letztes Mal – auch das würde Zeit sparen. Generell finde ich, dass Beschaffungsprozesse heute zu lange dauern. Vielleicht müssen wir der Effizienz zuliebe hin und wieder etwas mehr Risiken in Kauf nehmen.

Wie meinen Sie das?
Viele Bundesangestellte verfolgen bei ihrer Arbeit eine Null-Risiko-Strategie. Sie fürchten sich vor Fehlern. Ich habe Mitarbeiter, die mir sagen, dass sie für jeden kleinen Schritt sieben verschiedene Formulare ausfüllen müssen. Da spielen auch die parlamentarischen Aufsichtsorgane und die Finanzkontrolle eine Rolle. 20 Prozent der Arbeitszeit gehen für diese Kontrollen drauf.

Wie lautet ihr Rezept für mehr Effizienz?
Manchmal wäre es besser, wenn nur ein Aufsichtsorgan die Kontrolle übernimmt – und nicht jede Kommission und Subkommission im Alleingang. Das sind Fragen, die wir mit dem Parlament klären müssen.

Sie persönlich sind bereit, mehr Risiko in Kauf zu nehmen?
Ich sage es so: Wenn wir Zeit verlieren, kostet uns das Geld. Zusammen mit dem Parlament sollte man Lösungen finden, welche die Effizienz steigern. Es darf jedoch nicht sein, dass am Ende die Angestellten für jeden Fehler den Kopf hinhalten müssen. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Nicht nur am Gotthard – wo es an Ostern im In- und Ausland sonst noch staut
Viele nutzen das verlängerte Osterwochenende für eine Reise ins Ausland. Ob Städtetrips oder an idyllische Orte – die Reiseziele sind vielseitig und die Vorfreude riesig. Aber Obacht! Damit du deine wertvolle Zeit nicht mit Warten verbringst, solltest du dich vorab über den Osterstau informieren.

Du fährst auf der Autobahn, hast (noch) gute Laune, hörst deine Lieblingsmusik und bist in Gedanken schon an deinem Reiseziel. Alles läuft prima, bis du plötzlich eine lange Schlange an Autos vor dir stehen hast. «Mist, Stau! Kann ja nicht so lange dauern», denkst du dir. Es vergehen 5 Minuten, 15 Minuten, 30 Minuten und je länger du stehst, desto ungeduldiger wirst du. Hättest du dich doch besser früher über die Verkehrslage informiert!

Zur Story