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Herr Melzl, die Polizei nannte am Freitag zum Vierfachmörder von Rupperswil zwei Tatmotive: ein finanzielles und ein sexuelles. Scheint Ihnen das schlüssig?
Markus Melzl: Ich frage mich, ob die Reihenfolge richtig ist. Da bin ich mir nicht ganz sicher. Was es sicher schon gegeben hat, waren Gruppenvergewaltigungen, die aus dem Ruder liefen und bei denen die Täter am Ende noch die Handtasche mitlaufen liessen. Die Verknüpfung von Vergewaltigung mit Raub kommt also vor. Aber so wie diese Tat geschildert wurde, steht eindeutig die sexuelle Motivation im Vordergrund.
Warum?
Ich gehe davon aus, dass der Täter den 13-jährigen Sohn der Familie Schauer beobachtet und aufgrund dessen zugeschlagen hat. Das Geld war nicht ausschlaggebend, sonst hätte er andere Möglichkeiten ausgekundschaftet. Das Ganze hat aber den Anfang beim Bub genommen.
Also ist der Täter pädophil? Die Polizei wollte sich dazu nicht äussern.
Natürlich ist er pädophil. Wir hatten immer wieder Fälle von Leuten, die ihr sexuelles Verlangen auf adoleszente Kinder ausrichteten, also Teenies Anfang Pubertät. Das kam bei Knaben und Mädchen vor.
Glauben Sie, es könnte sich um einen Serientäter gehandelt haben?
Bei solchen Fällen muss man natürlich im Rahmen der Ermittlungen Geschichtsforschung betreiben: Gibt es Dokumentationen über ähnliche Fälle, die noch nicht aufgeklärt sind? Die Staatsanwaltschaft muss schweizweit Rechtshilfeersuchen einreichen und alle Kantone abklappern. Vielleicht gibt es offene Fälle, für die dieser Mann als Täter in Frage kommt.
Wie gross ist die Chance, dass man auf diese Weise einen Treffer landet?
Da dieser Täter zwar nicht polizeibekannt war, aber man nun über Fingerabdrücke und DNA verfügt, hat man vielleicht Glück. Es könnte möglich sein, ihm mittels Spuren alte Fälle zuzuordnen. Auch die sichergestellte Armeepistole könnte Hinweise liefern. Sie wird im Labor beschossen. Aus den Einschusslöchern kann man schliessen, ob diese Waffe bereits bei einem anderen Delikt eingesetzt worden ist. Das ist gut möglich.
Warum ist das gut möglich?
Täter wie dieser steigern sich. Vielleicht war der Vierfachmord in Rupperswil eine Kumulation von Tatbeständen, die dieser Täter zuvor jeweils einzeln erfüllt hat. Interessant ist ja, dass der Täter einen Rucksack vorbereitete, um seine Tat zu wiederholen. Er hat eine ganze Menge Kabelbinder vorbereitet, das heisst, er rechnete nicht damit, auf nur ein Opfer zu treffen. Daher kann es sehr wohl ein Serientäter sein.
Er hätte den nächsten Mehrfachmord begangen?
Das kann man nicht sagen, aber solche Fälle erleben eine Steigerung in der Brutalität und dann auch in der Kadenz. Dieser Mann wird forensisch-psychiatrisch intensiv begutachtet werden müssen. Er hat offensichtlich einen rechten Kick aus dieser Tat gezogen.
Hatte er seine nächsten Opfer womöglich schon im Visier?
Ein nächster Fall ist ja glücklicherweise verhindert worden. Aber das ist mit Sicherheit Bestandteil der Ermittlungen: Wie hat der Mann die Opfer ausgewählt? Wie hat er den Jungen gefunden? Wir hatten mal den Fall eines sexuellen Missbrauchs in einem Judo-Club. Der Täter war der Hilfsabwart dort, solche Fälle gibt es auch.
Haben Sie schon jemals einen solchen Fall erlebt?
Ich habe viele brutale Fälle miterlebt. Aber in dieser Kumulation wie in Rupperswil habe ich das noch nie gesehen. Diese Tat bringt jegliches Fehlen von Empathie zum Ausdruck.