Herr Aebischer, haben Sie schon einmal Stopfleber probiert?
Matthias Aebischer: Ja, ich war vor 30 Jahren Lehrer in Ligerz am Bielersee. Da gehörte die Foie Gras zu jedem Festessen dazu. Ich ass jeweils mit – auch wenn ich den Reiz nicht wirklich verstand. Für mich schmeckt Stopfleber wie jede andere Fleischpastete auch.
Sie wollten Foie Gras in der Schweiz verbieten – und alle anderen tierquälerisch erzeugten Produkte gleich mit. Doch der Ständerat hatte dafür kein Gehör. Sind Sie enttäuscht?
Ich verstehe die Logik einfach nicht: Unsere Bauern müssen sich bei der Tierhaltung an gewisse Standards halten, manche Produktionsarten sind ihnen untersagt. Aus dem Ausland dürfen jedoch Produkte importiert werden, die all diese Regeln missachten. Das ist einfach nur dumm! Man kann es nicht anders sagen.
Selbst innerhalb der SP war die Forderung umstritten. Parteikollegen von Ihnen sahen die «kulinarische Tradition» in der Romandie – also den traditionellen Verzehr von Foie Gras – gefährdet. Können Sie das nachvollziehen?
Man muss wissen: Welsche Zeitungen fuhren eine regelrechte Kampagne. Sie bildeten die Köpfe aller Politiker ab, die im Nationalrat für das Importverbot gestimmt hatten, und schrieben: «Diese Leute wollen uns die Foie Gras wegnehmen.» Ich kann es bis zu einem gewissen Grad verstehen, wenn man dieses kulturelle Erbe der Romandie erhalten will. Ich wäre deshalb sogar bereit gewesen, die Stopfleber bei der Umsetzung vom Importverbot auszunehmen. Genauso wie Halal- und koscheres Fleisch aus religiösen Gründen.
Und trotzdem versenkte der Ständerat Ihre Motion deutlich. Wie erklären Sie sich das?
Nachdem der Nationalrat meine Motion im Sommer angenommen hatte, setzte ein massives Lobbying ein. Die Uhren- und Nahrungsmittelindustrie bearbeiteten die Parlamentarier intensiv. Die Uhrenfirmen haben ein Interesse am Thema, weil sie ihre Armbänder oft aus Reptilienhäuten herstellen. Der Kanton Genf sandte sogar eigens eine Lobbyistin ins Bundeshaus.
Die Gegner argumentieren, dass ein solches Importverbot die internationalen Handelsregeln verletzte. Ist Ihnen das egal?
Diese Argumentation ist absolut fadenscheinig. Nehmen Sie das Beispiel der Batterie-Hühner: Diese Haltungsform ist nicht nur in der Schweiz verboten, es dürfen auch keine Eier von Hühnern aus Batterie-Haltung importiert werden. Mit den Regeln der Welthandelsorganisation ist das absolut kompatibel. Ich will nichts weiter, als dass das Batterie-Huhn-Prinzip auch für Froschschenkel, Reptilienhäute oder Pelze aus tierquälerischer Haltung gilt.
Trauen Sie es dem Konsumenten nicht zu, sich aus eigener Initiative gegen den Kauf solcher Produkte zu entscheiden?
Doch, der Konsument hat hier eine Verantwortung. Ich selber kaufe zum Beispiel lieber Sbrinz statt Parmesan. Ersterer ist aus Milch von Kühen gemacht, die nach Schweizer Standards gehalten werden. Letzterer aus Milch von italienischen Kühen – dort gelten die weniger strikten EU-Richtlinien. Der springende Punkt ist aber: Beim Pelz etwa versagt die Deklarationspflicht. Erst kürzlich zeigte eine Untersuchung, dass die Herkunft bei 75 Prozent der Pelze im Schweizer Handel nicht angeschrieben ist.
Darum soll der Bundesrat jetzt auch aufzeigen, wie die Deklaration solcher Produkte verbessert werden kann. So will es der Ständerat. Freuen Sie sich über diesen Teilerfolg?
Das ist ein klassisches Postulat für die lange Bank. Der Bundesrat könnte schon nach heutigen Gesetz handeln – doch er tut es nicht. Auch die Kantonschemiker behaupten, die Einhaltung von Deklarationsvorschriften sei schwierig zu kontrollieren. Das glaube ich aber nicht – bei der Fleischdeklaration geht es schliesslich auch.
Bald wird sich das Stimmvolk mit der Frage befassen müssen. Die Fair-Food-Initiative der Grünen verlangt, dass importierte Lebensmittel nicht nur punkto Tierwohl Schweizer Standards erfüllen müssen, sondern auch in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und den Umweltschutz. Glauben Sie an einen Erfolg an der Urne?
Ich traue es den Stimmbürgern zu, logisch zu denken. Meine Kinder konnten es kaum glauben, als ich ihnen erzählte, dass wir Dinge importieren, deren Herstellung hier verboten wäre. Ich wage zu behaupten: In zehn, maximal 20 Jahren werden Quälpelze und Froschschenkel in der Schweiz verboten sein. Ob dies bereits mit der Fair-Food-Initiative gelingt oder auf anderem Weg, wird sich zeigen.
Es ist ja nicht so, als ob das Parlament kein Herz für Tiere hätte. So nahm es 2014 etwa eine Motion von SVP-Mann Oskar Freysinger an, die ein Importverbot für Robben verlangte. Können Sie sich erklären, warum bei Robbenbabys andere Massstäbe gelten als bei zwangsgemästeten Gänsen?
Das liegt wohl daran, dass es stark von unserem kulturellen Verständnis abhängt, wie wir mit Tieren umgehen. Wir verhätscheln unsere Hunde und Katzen – und schauen gleichzeitig weg, wenn Gänse für die Herstellung von Stopfleber gequält werden. Robben und Delfine sehen wir in unseren Breitengraden nicht als Nutztiere an, darum stimmten die Räte beispielsweise auch einem Delfin-Halteverbot zu. Ich glaube, dass aktuell auch bei Nutztieren ein Umdenken stattfindet, eher zugunsten der Tiere.