Drei Sympathisanten des «Islamischen Staates» sollen in der Schweiz einen Terroranschlag geplant haben – den Hinweis erhielten die Behörden von einem befreundeten ausländischen Nachrichtendienst. Das soll nicht heissen, dass die Schweizer Überwacher völlig untätig sind. Nach Recherchen der «Schweiz am Sonntag» sind insgesamt 39 Staatsschützer rund um die Uhr auf die Überwachung der islamistischen Szene in die Schweiz angesetzt, zwei Dutzend davon im Internet.
Das sogenannte Dschihadisten-Monitoring von Nachrichtendienst (NDB) und Bundesamt für Polizei (Fedpol) ist seit 2011 aktiv und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Radikalisierung oft im virtuellen Raum stattfindet. Rund 50 Personen in der Schweiz sind vom Nachrichtendienst als gewaltbereite Dschihadisten erfasst, 1000 Personen gelten als Sympathisanten von islamistischen Terrorgruppen wie dem «Islamischen Staat».
Die Zahl der Reisen, die IS-Kämpfer aus der Schweiz unternommen haben, stieg von 20 im Mai auf 50 im September. Davon führten 24 in den Irak und 26 nach Syrien. «Die Anzahl dschihadistisch motivierter Reisebewegungen aus der Schweiz in die Konfliktgebiete hat zugenommen. Wir rechnen damit, dass dieser Trend wahrscheinlich anhält», sagt Bundesrat Ueli Maurer.
Auf diese Entwicklung reagieren nun die SVP und CVP. Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, hat SVP-Präsident Toni Brunner zwei Vorstösse eingereicht: Erstens soll Doppelbürgern, die in den Dschihad ziehen, zwingend das Schweizer Bürgerrecht aberkannt werden müssen. Und zweitens: Ausländern, die in Kampfhandlungen eingreifen oder sich terroristisch betätigen, müsse die Aufenthaltserlaubnis entzogen werden.
Denn wenn immer mehr Söldner von der Schweiz aus in den Krieg zögen, steige die Gefahr, dass «Rückkehrer auch bei uns Anschläge verüben», so Brunner.
CVP-Präsident Christophe Darbellay unterstützt Brunners Vorstösse, denn das habe seine Partei ja schon früher gefordert. «Es braucht aber noch mehr», so der CVP-Chef. Darum hat auch er in der am Freitag zu Ende gegangenen Session einen Vorstoss eingereicht: Der Bundesrat soll abklären, welche weiteren Massnahmen gegen Gewaltextremismus notwendig sind.
Auch die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SIK) befasst sich mit der möglichen Bedrohung des IS. Die Verhaftung der drei verdächtigen Iraker sei ein «Weckruf», sagt SIK-Präsident Thomas Hurter zur «Schweiz am Sonntag». Debattiert werden unter anderem IS-Verbot und Massnahmen gegen Rückkehrer aus Syrien und dem Irak ohne Schweizer Pass. Hurter kritisiert auch den Islamischen Zentralrat der Schweiz (IZRS) und seinen Präsident Blancho, die mit teilweise fragwürdigen Äusserungen auffallen, die in Deutschland wohl Konsequenzen hätten.
Auch auf der höchsten Exekutiv-Ebene, im Bundesrat, tut sich etwas: Verteidigungsminister Ueli Maurer kündigt im Umgang mit der Terrormiliz einen Kurswechsel an. «In einer der nächsten Bundesratssitzungen werde ich ein Verbot des IS beantragen», sagt er im Interview mit der «NZZ am Sonntag». Noch vor wenigen Tagen hatte sich der Bundesrat in der Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss ablehnend zu einem Verbot geäussert.
Maurer begründet die neue Ausrichtung mit den Entwicklungen der letzten Tage. «Nach der Ausdehnung auf Algerien, wo eine französische Geisel getötet wurde, und auch aufgrund der Uno-Resolution von dieser Woche, die sich gegen Dschihad-Reisende richtet, ist ein Verbot angezeigt», sagt er. Ein entsprechender Entscheid des Bundesrats wäre auch ein Zeichen an die Staatengemeinschaft: «Es geht auch um internationale Solidarität, dass der Bund nicht missverstanden wird.»
Für Christina Schori Liang, Terrorexpertin am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik, steht fest: Will man den IS wirksam bekämpfen, muss man ihm den Geldhahn zudrehen. Dabei sieht sie die Schweiz in der Pflicht. «Die Schweiz sollte eine internationale Expertenkommission von Finanz-, Sicherheits- und Terrorismusspezialisten auf die Beine stellen, um dem IS seine wirtschaftliche Basis zu entziehen», sagt sie zu der «Zentralschweiz am Sonntag». Laut Schori Liang hat die Terrormiliz eine unglaubliche Macht erlangt. «Sie verfügt über Ressourcen und ein Territorium, wie es bisher unbekannt war», betont sie. (rey)