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Zwischen Imagepflege und Strafverfolgung – Bundesanwalt Lauber soll noch einmal vier Jahre ran

Zwischen Imagepflege und Strafverfolgung – Bundesanwalt Lauber soll noch einmal vier Jahre ran

Bei Politikern jeglicher Couleur beliebt: Bundesanwalt Michael Lauber.
Bei Politikern jeglicher Couleur beliebt: Bundesanwalt Michael Lauber.Bild: KEYSTONE
Die Gerichtskommission (GK) des Parlaments ist an der Arbeit: Sie bereitet die Wiederwahl von Bundesanwalt Michael Lauber (49) in der Sommersession vor. Er will sich für eine zweite Amtszeit von vier Jahren wählen lassen. 
15.03.2015, 15:5615.03.2015, 17:05
henry habegger / schweiz am sonntag
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

Spricht man Mitglieder der Gerichtskommission im Bundeshaus auf Bundesanwalt Lauber an, wird rasch klar: Der Mann wird in der Sommersession für eine zweite Amtszweit gewählt. «Lauber macht seinen Job gut», sagt Primin Schwander (SVP). Nicht anders klingt es von links bei Matthias Aebischer (SP). Und bei vielen anderen. 

Der heutige Bundesanwalt ist ein blendender Verkäufer, trifft sich oft mit Parlamentariern, sucht aktiv den Kontakt zu ihnen. Lobbyist Thomas Borer, einst rotes Tuch in der Bundesanwaltschaft (BA) wegen seiner wenig zimperlichen Methoden, darf nun zum Apéro mit «Mike». Mit dem Bundesstrafgericht in Bellinzona, mit dem Laubers Vorgänger über Kreuz lag, trifft sich Lauber, wie es etwas spöttisch heisst, regelmässig zu «Kaffee und Kuchen». Und Lauber hat es auch dank offensiven Kontakten zu Journalisten geschafft, den Negativschlagzeilen um die BA ein Ende zu setzen. Das gefällt dem Parlament. 

Diesen Spielraum nutzte Lauber bisher, um die BA um- und auszubauen. 2011, im letzten Jahr vor Lauber, hatte die BA ein Budget von 49,7 Millionen Franken. Heute sind es «rund 60 Millionen», wie die BA auf Anfrage sagt. Sie hatte 160,4 Hundertprozentstellen, heute sind es 198. Das Personal kostete rund 30 Millionen, heute rund 36. Teilweise ist das Wachstum auf neue Aufgaben wie Völkerstrafrecht oder Börsendelikte zurückzuführen. 

Es gibt heute im Vergleich zu früher relativ weniger operatives Personal (Staatsanwälte, Protokollführer) und mehr nicht operatives (Stäbe, Verwaltung). Staatsanwälte kritisieren, es entstehe ein Wasserkopf. 

Bundesanwaltschaft stockt auf

2011 kamen laut BA auf eine nicht operative Stelle noch 3,9 operative. Heute sind es noch 2,7. Zum Teil darum, weil die BA jetzt selbstständig ist und beispielsweise eine eigene Personalabteilung (HR) hat. Aber es gibt jetzt auch Funktionen wie Unternehmensentwickler. Ständig seien zudem externe Berater im Haus. Starker Mann in diesem Bereich ist HR-Chef Mario Curiger, der vom Beratungsunternehmen PwC kam. Mit ihm plant Lauber einen grossen Umbau der Stellenprofile. 

Details dazu sind offiziell keine zu erhalten. Unter dem Titel «BA Profiles» wollen Lauber und seine Unternehmensberater aber offenbar zusätzliche Funktionen einschieben, die finanziell weniger gut dotiert sind als die heutigen. Die Anzahl der vollwertigen Staatsanwälte etwa, die neu «Themenmanager» heissen könnten, werde reduziert, indem neue, mit weniger Kompetenzen und Gehalt ausgestattete Profile wie «Verfahrensmanager» geschaffen werden. Die Unruhe ist gross beim Personal der BA, das im Vergleich zu kantonalen Staatsanwaltschaften bisher sehr gut bezahlt ist. Man rechnet mit Lohnkürzungen und sogar Jobverlust. Lauber allein kann entscheiden, ob er Staatsanwälte Mitte Jahr wiederwählt oder nicht. 

Lauber ein überzeugter Strafverfolger?

Bundesanwalt Michael Lauber.
Bundesanwalt Michael Lauber.Bild: KEYSTONE

Laut Auskunft der BA ist «BA Profiles» noch nicht beendet. Aber es dürften sich im Rahmen von «BA Profiles» Funktionsprofile in der Bundesanwaltschaft verändern. «Die Profile müssen, und das entspricht einer professionellen Geschäftsführung der Bundesanwaltschaft, auch hinsichtlich der angemessenen Entschädigung überprüft werden.» 

Lauber ist ein überzeugender Manager. Aber ist er ein überzeugter Strafverfolger? Hier mehren sich die Zweifel. 

Nach seinem Amtsantritt 2012 setzte er die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK), namentlich der italienischen Mafia, zuoberst auf die inhaltliche Prioritätenliste. Mittlerweile ist die Abteilung «Organisierte Kriminalität» aus dem Organigramm der BA verschwunden. OK-Bekämpfung wurde in die Abteilung Staatsschutz integriert und faktisch abgewertet. Ehemalige OK-Leute beschäftigten sich heute fast nur noch mit Staatsschutz. 

Die Bundesanwaltschaft bestreitet zwar, dass die OK-Bekämpfung zurückgefahren wurde: «Die Schwerpunkte der Amtszeit 2012 bis 2015 sind unverändert und orientieren sich an den Zuständigkeiten der Bundesanwaltschaft.» 

BA will keine «keine Abenteuer mehr» machen

Aber mittlerweile gibt Lauber selbst den Anti-Mafia-Jäger. Kürzlich erklärt er in der NZZ, dass die BA im Kampf gegen die Mafia «keine Abenteuer mehr» machen werde. Sie eröffne nur noch «Verfahren wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation, wenn wir Hinweise auf konkrete Unterstützungshandlungen haben», sagte er der NZZ. 

Dabei ist für viele Strafverfolger klar, dass allein die Mafia-Mitgliedschaft für eine Verurteilung und damit Haft bis zu 5 Jahren reichen würde. Und im Fall etwa der gefilmten Mafia-Versammlung im Thurgau liege der Beweis für diese Mitgliedschaft sogar sehr schön vor. Aber weil es noch keine Gerichtspraxis zum OK-Artikel gibt, besteht ein Risiko auf Scheitern vor Gericht. Und einer wie Lauber will nicht scheitern. 

«Die BA sieht sich offenbar nicht gern als vermeintliche ‹Verliererin› und möchte am liebsten nur dann untersuchen und anklagen, wenn sie gute Chancen für eine gerichtliche Verurteilung sieht.»
Marc Forster, Strafrechtsprofessor an der Uni St. Gallen

Marc Forster, fügt an: «Dies wäre meines Erachtens aber eine gesetzwidrige Praxis.» Um ihre Chancen zu erhöhen, kommuniziere die BA zudem «offenbar bewusst verkürzt», indem sie sage, dass «Mafia-Mitgliedschaft in der Schweiz nicht strafbar» sei. Was nicht stimmt. 

Bei Grossbank HSBC blieb Lauber untätig

Unter dem Stichwort #Swissleaks wurden fragwürdige Geschäfte der britischen HSBC-Bank in Genf bekannt.
Unter dem Stichwort #Swissleaks wurden fragwürdige Geschäfte der britischen HSBC-Bank in Genf bekannt.Bild: IAN LANGSDON/EPA/KEYSTONE

Forster glaubt, dass die BA «die politische Unterstützung für eine Verschärfung des Strafprozessrechts zu ihren Gunsten» zu erhalten versuche. Eine solche halte er aber aus «rechtsstaatlich-juristischer Sicht für ziemlich frag würdig». 

Gegen die Grossbank HSBC blieb Lauber untätig, obwohl er seit Jahren die Falciani-Liste und klare Hinweise auf Geldwäscherei und andere Straftaten hatte.

Andernorts zeigen sich ähnliche Muster. Gegen Bankdaten-Diebe wie Hervé Falciani oder deutsche Steuerfahnder geht der ehemalige Chef der Liechtensteiner Bankiervereinigung lautstark vor. Gegen die Grossbank HSBC blieb er untätig, obwohl er seit Jahren die Falciani-Liste und klare Hinweise auf Geldwäscherei und andere Straftaten hatte. Die Begründung der BA lautete, die Daten seien gestohlen, sie dürften nicht verwendet werden. 

Nationalrat Carlo Sommaruga, auch er Mitglieder der GK, sagt: «Positiv ist: Lauber ist dabei, die Bundesanwaltschaft zu reformieren. Das macht er sehr gut.» Aber nicht gut sei: «Er gewichtet vielleicht das Image der Bundesanwaltschaft bisweilen höher als die Strafverfolgung.» Im Fall HSBC hätte «Lauber wegen Geldwäscherei ermitteln oder die Daten zumindest der Genfer Staatsanwaltschaft übergeben müssen. Stattdessen deponierte er sie im Tiefkühler.» 

Imageschaden für Schweiz wegen Untätigkeit

Auch Forster sagt zum Fall HSBC: «Was aus den Medien dazu bekannt wurde, scheint mir als Anfangsverdacht für die Aufnahme von Ermittlungen wegen Geldwäscherei und anderen Delikten wie Beihilfe zur Korruption zu genügen. Untätigkeit würde der Schweiz hier meines Erachtens einen schweren Imageschaden zufügen. Umso mehr, als das Schweizer Anti-Geldwäscherei-Instrumentarium bisher international einen guten Ruf hatte.» 

Michael Lauber ist der erste Schweizer Bundesanwalt, der vom Parlament statt vom Bundesrat gewählt wurde. Nicht mehr alle finden das Prinzip gut. Ein Spitzenpolitiker sagt: «Ich war für die Parlamentswahl. Aber das war ein Fehler.» Andere, wie GK-Mitglied Bernhard Guhl (BDP, AG), wollen daran festhalten: «Auch die Bundesrichter und Bundesräte werden durch das Parlament gewählt und erhalten so ihre Legitimation.» 

Strafrechtsprofessor Forster sagt, Pressionen gebe es auch bei der Wahl durch andere Gremien. Er schlägt einen anderen Weg vor, um Unabhängigkeit und Strafverfolgung zu stärken: eine längere Amtszeit für den Bundesanwalt. «In anderen Ländern werden höchste Richter und Strafverfolger sogar auf Lebenszeit gewählt oder wenigstens für eine lange Amtsperiode.» 

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