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Justiz

Immer mehr Personen in «kleiner Verwahrung», Therapieplätze fehlen

Blick in die Zelle eines Häftlings, der in der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf verwahrt wird. (KEYSTONE/Alessandro Della Bella)
Blick in die Zelle eines Häftlings, der in der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf verwahrt wird. (KEYSTONE/Alessandro Della Bella)Bild: KEYSTONE

Immer mehr Personen in der «kleinen Verwahrung» – nur leider fehlen die Therapieplätze

Immer mehr Verurteilte werden zur Therapie in die sogenannte «kleine Verwahrung» geschickt. Dort warten die psychisch gestörten Straftäter teilweise jahrelang auf einen Therapieplatz. Jetzt klagen erste auf Wiedergutmachung, weil sie ihre Behandlung nicht antreten konnten.
08.05.2016, 10:3108.05.2016, 10:51
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Die Taten, die sie begangen haben, stehen in direktem Zusammenhang mit einer schweren psychischen Störung, die nach Ansicht des Gerichts therapiert werden müsste. Es entscheidet also – nach Artikel 59 des Strafgesetzbuches – , dass die Haftstrafe zugunsten einer Therapie aufgeschoben wird.

Das Problem ist nur: Mittlerweile gibt es viel mehr Verurteilte als Therapieplätze, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. 

Rund 300 Straftäter ohne Therapieplatz

Eine detaillierte Umfrage im Auftrag der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) zeigt, dass die Anzahl der Verwahrten nach Artikel 59 in sechs Jahren um 150 Prozent gestiegen ist. 2009 befanden sich 346 Personen mit einer kleinen Verwahrung im Strafvollzug, 2015 waren es bereits 864 Personen. Fast jeder achte der insgesamt 6884 Insassen in der Schweiz gehört heute zur Gruppe der «59er».

Rund 300 von ihnen warten derzeit in der Schweiz auf einen Therapieplatz. Einige der Straftäter wehren sich nun juristisch. Einige klagen, um aus dem Gefängnis zu kommen, andere wollen Wiedergutmachung. Sie haben gute Chancen.

«Diese Straftäter müssen therapiert werden»

Der Weg zum Gericht könne ein wirkungsvolles Druckmittel sein, sagt Strafvollzugsexperte Benjamin F. Brägger: «Anwälte können die Entlassung ihrer Mandanten verlangen oder auch Wiedergutmachung.» Dadurch würden die Behörden gezwungen, zu handeln. Brägger sieht im Mangel an Therapieplätzen eine echte Gefahr für die Gesellschaft: «Diese Straftäter müssen therapiert werden.» Wer keine Behandlung erhalte, könne auch nicht geheilt werden: «Dann wird ihre Krankheit chronisch.»

Durch die hohe Zahl der Verwahrten befinden sich die Kantone mittlerweile in einer schier ausweglosen Situation: Durch die Gerichte kommen sie unter Druck, Therapieplätze zu schaffen oder untherapierte Straftäter in die Freiheit zu entlassen. Mit unkalkulierbaren Risiken für die Bevölkerung.

Doch solche Plätze zu schaffen, ist sehr teuer. Für viele Kantone sogar zu teuer. Die Betreuung für einen Straftäter mit einer schweren Störung, beispielsweise Schizophrenie, kostet in einer hochgesicherten und auf forensische Therapien spezialisierten Klinik rund 1500 bis 2000 Franken pro Tag. Schweizweit fehlen rund 200 Plätze für Personen mit einer solch schweren Störung.

Für weniger schwere Fälle rechnet man mit 550 bis 650 Franken pro Tag für die Therapie. Davon fehlen 100 Plätze. Pro Jahr bräuchte es also allein für die Betreuung der 300 fehlenden Plätze zusätzliche rund 150 Millionen Franken. (rar)

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