Die SVP hätte ein Erfolgserlebnis gebraucht. Sie hat in letzter Zeit einige deftige Niederlagen bei Wahlen und Abstimmungen kassiert. Das Referendum gegen die Energiestrategie 2050 sollte der Partei und ihrem Präsidenten Albert Rösti wieder einmal einen Sieg bescheren. Für den Berner Oberländer ging es auch um das persönliche Prestige: Sein Fachgebiet im Nationalrat ist die Energiepolitik.
Es sollte nicht sein. Das neue Energiegesetz wurde angenommen, trotz der polemischen Kampagne der Gegner, die vor Unwahrheiten oder masslosen Übertreibungen nicht zurückschreckte. Die Warnung vor kalten Duschen, exorbitanten Kosten oder 1000 Windanlagen in der Schweiz hatte mit der Realität wenig zu tun. Umso erfreulicher ist das Ja des Stimmvolks.
Sicher, auch die Befürworter nahmen es mit der Wahrheit nicht immer genau. Ihr Slogan «Geld bleibt hier» basiert mehr auf Wunschdenken denn auf Tatsachen. Die Schweiz importiert rund 75 Prozent ihres Energiebedarfs aus dem Ausland, vor allem in Form von Öl und Gas. Daran wird sich so schnell nichts ändern, dennoch ist das neue Gesetz eine wichtige Weichenstellung.
So wie bisher kann es nicht weitergehen. Die Atomkraftwerke werden in absehbarer Zeit vom Netz gehen. Mühleberg wird bereits in zwei Jahren abgeschaltet. Die Abhängigkeit vom Ausland bleibt problematisch. Deshalb ist das Ja zum neuen Energiegesetz der einzig richtige Entscheid. Es ist kein grosser Wurf, aber ein pragmatischer Weg, der alle Optionen offen lässt.
In gewisser Weise war das Gesetz «alternativlos». Denn die Gegner konnten nie einen überzeugenden Plan B skizzieren. Manche träumen noch immer von neuen AKW, doch allzu laut sagten sie es nicht. Der Bau neuer Reaktoren verschlingt Milliarden. Die Stromkonzerne aber haben dieses Geld nicht, weshalb sie im letzten Herbst ihre Gesuche zurückzogen.
Und den Steuerzahler zur Kasse bitten, aber gleichzeitig gegen Subventionen für die Solarstrom polemisieren – so viel Chuzpe brachten selbst die Gegner nicht auf. Auch die angeblich viel sichereren Reaktoren der vierten Generation sind auf absehbare Zeit nicht serienreif. Wie die Energiezukunft aussehen wird, ist ohnehin unklar. Viele Faktoren verhindern eine klare Prognose.
Kommt es zum technologischen Quantensprung bei der Speicherung von Solar- und Windstrom? Wächst wegen Elektroautos wie Doris Leuthards Tesla der Stromverbrauch, oder entschärft Carsharing dieses Problem? Das darf die Politik aber nicht davon abhalten, die nächsten Schritte anzugehen. In dieser Hinsicht sind die bisherigen Entwicklungen nicht ermutigend.
Der Nationalrat hat das Klima- und Energielenkungssystem (KELS), das als zweite Etappe vorgesehen war, sang- und klanglos versenkt. Lenkungsabgaben sind ein Musterbeispiel für politische Sonntagsreden. Im Grundsatz finden sie alle gut, in der Realität aber starrt man nur auf die kurzfristigen Kosten, der langfristige Nutzen wird ausgeblendet. Dafür sind fragwürdige Massnahmen zur Förderung der Wasserkraft im Gespräch.
Eine nachhaltige Energiezukunft, die auf «grünen» Technologien und effizienterem Verbrauch beruht, muss erst noch entwickelt werden. Gelingt dies nicht, hat die Energiestrategie diesen Namen definitiv nicht verdient.