Schweiz
Kommentar

Nach Salez müssen wir sagen: Die Terroristen haben ihr Ziel erreicht

epa05453439 An Italian military soldier stands guard near the Colosseum in Rome, Italy, 03 August 2016. Rome Police Chief Nicolo D'Angelo has ordered the creation of a maximum-security area aroun ...
Die Terroristen terrorisieren uns, auch wenn sie es gerade nicht tun. Das sollten wir nicht zulassen.Bild: EPA/ANSA
Kommentar

Nach Salez müssen wir sagen: Die Terroristen haben ihr Ziel erreicht 

Die Reaktionen auf den Feuer-Amoklauf in einem Regionalzug zeigen: Die islamistischen Terrorbewegungen haben ihr Ziel erreicht. Jede Schreckenstat löst die Reflexe «Terrorismus!» und «Mehr Sicherheit!» aus. Und zwar völlig unabhängig von den tatsächlichen Hintergründen der Tat. 
15.08.2016, 19:1416.08.2016, 18:22
Rafaela Roth
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Hanspeter Krüsi hat alles richtig gemacht und trotzdem kam alles falsch heraus. Der Medienchef der Kantonspolizei St.Gallen stand Kräften gegenüber, gegen die er nichts ausrichten konnte.

Bereits wenige Stunden nach dem Angriff am Samstagabend durch einen 27-Jährigen in einem Regionalzug bei Salez hat Krüsi klar, nüchtern und so detailreich es der Ermittlungsstand eben zuliess, informiert.

Eines betonte er nur kurz nach dem Vorfall im Interview mit watson besonders: «Es handelt sich um einen 27-jährigen Schweizer mit einem typisch schweizerischen Namen.» Krüsi bat um etwas Zeit für die Ermittlungen: «Nur ein Beispiel», sagte der erfahrene Mediensprecher, «finden wir heraus, dass unter den Opfern seine Ex-Freundin war, sieht die Tat ganz anders aus, als viele jetzt denken.»

Doch die Leute dachten und viele dachten nur an eines: «TERROR». «Jetzt sind die Islamisten in der Schweiz angekommen», wirbelte es durch die Köpfe. «Das haben wir jetzt davon», «Zur Hölle mit der Willkommens-Kultur», «Das war's nun mit der sicheren Schweiz».

Social Media, beziehungsweise allen voran das ungarische Online-Portal Meteon.org, sorgte für den Rest. Aus unerklärlichen Gründen brachte es das Bild eines Brandstifters aus Louisiana mit dem Angriff in Salez in Verbindung. Da war er, unser Täter, dunkelhäutig, böse, mit Bart – perfekt! «TERROR!»

Schnell war dann auch der Chef der privaten Sicherheitsfirma Securitrans: «24-Stunden Präsenz an den Bahnhöfen», forderte er wohl nicht ganz uneigennützig. Der Präsident des Lokführer-Verbandes zog nach: «Einen Begleiter in jedem Zug!»

Auch die Politik liess nicht auf sich warten: «Mehr Polizisten einstellen!», forderte Sicherheitspolitikerin Chantal Galladé.

In den Kommentarspalten der Zeitungen fordern die Leser nach mehr Informationen zum Täter. «Bei den Informationen über den Täter, die die Polizei bekannt gibt, ist es nicht erstaunlich, dass im Internet falsche Täterbilder im Umlauf sind», heisst es da beispielsweise. Und: «Wann bekommen wir mehr Infos? Islamist?»

Doch Hanspeter Krüsi hat bereits so weit informiert, wie er informieren kann: Beim mutmasslichen Täter handelt es sich um einen 27-jährigen Schweizer, der durchgedreht ist. Nicht um einen Terroristen mit radikalislamischem Hintergrund. 

Und trotzdem scheinen genau die ihr Ziel erreicht zu haben: Sie haben uns die Angst eingepflanzt. Sie terrorisieren uns, auch wenn sie es gerade nicht tun. Sondern wenn ein junger Mann, aus welchen Gründen auch immer, beschliesst zu töten. 

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
106 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Sir John
15.08.2016 21:47registriert Juni 2016
die überschrift müsste lauten: "Die Terroristen haben ihr Ziel mit grosszügiger Unterstützung vieler Medien erreicht."
1412
Melden
Zum Kommentar
avatar
bangawow
15.08.2016 20:05registriert März 2016
An die, die sagen: "Nachdem was alles in letzter Zeit passiert ist, da ist es natürlich, dass man sofort an einen Islamisten denkt."

Nein, eigentlich nicht, wenn man bedenken würde, wieviele schreckliche Morde, die nix mit Terror zu tun haben, es wohl in den letzter Zeit eben auch gab.

Insofern sehe ich es auch so: Medial wird viel mehr darüber berichtet und so verändert sich auch die Wahrnehmung.

Und ja, die Medien müssen sich eben auch fragen, was ihre Berichterstattung bewirkt.

Und der Rest ist einfach Internet.
Gib den Doofen freies Internet, die machen schon was Doofes daraus.
1230
Melden
Zum Kommentar
avatar
TanookiStormtrooper
15.08.2016 20:15registriert August 2015
Ich habe zu keiner Zeit an Terror gedacht... Kommt schon, irgendwo im Rheintal? Da findet doch nicht mal ein Terrorist hin! Die Polizei hat ja von Anfang an einen Terrorakt als sehr unwahrscheinlich bezeichnet. Das Problem sind die ganzen Hetzer, die es gar nicht erwarten können, dass hier mal der "Muselmann" jemanden in die Luft sprengt. Damit sie dann sagen können: "Wir haben es schon immer gesagt! Die linken Gutmenschen von der Lügenpresse beschönigen alles!" In dieser ekelhaften Disziplin ist z.B. Claudio Zanetti ein wahrer Anwärter auf die Goldmedaille.
1259
Melden
Zum Kommentar
106
Die verrückte Geschichte, wie Renate Wild (55) in die Armut rutschte
Über 700'000 Menschen in der Schweiz leben in Armut. Eine von ihnen ist Renate Wild. Die 55-Jährige ist in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Nach einem schweren Schicksalsschlag muss sie seit Jahren mit dem Existenzminimum auskommen.

«Ich hatte mein ganzes Leben finanzielle Probleme. Gereicht hat es nie.» Das sagt Renate Wild, zweifache Mutter und verwitwet. Wild gehört zu den 702'000 Personen, die in der Schweiz 2022 in Armut lebten.

Zur Story