Das Genfer Strafgericht hat den schweizerisch-guatemaltekischen Doppelbürger Erwin Sperisen am Freitag nach dreiwöchigem Prozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der ehemalige Polizeichef von Guatemala wurde als Mittäter bei sechs Morden an Häftlingen und als Täter in einem weiteren Fall schuldig gesprochen.
Sein Motiv wurde als «egoistisch und aussergewöhnlich niederträchtig» beurteilt genauso wie sein ganzes Handeln als ehemaliger Polizeichef, wie die Richter in ihrem Urteil festhielten.
Der 43-jährige Sperisen war von Juli 2004 bis März 2007 Chef der «Policia National Civil» (PNC) in Guatemala. Eine UN-Kommission warf ihm vor, Drahtzieher von aussergerichtlichen Hinrichtungen gewesen zu sein und zusammen mit anderen hohen Funktionären des Landes eine kriminelle Organisation gebildet zu haben.
Im April 2007 floh Sperisen nach seinem Rücktritt als Polizeichef nach Genf, wo er seit mehreren Jahren im Visier einer Koalition von Nichtregierungsorganisationen (NGO) war, die ihn aufspüren und vor Gericht bringen wollte. Im August 2012 wurde Sperisen von der Genfer Justiz verhaftet und wegen zehnfachen Mordes angeklagt. Staatsanwalt Yves Bertossa forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe für diese Verbrechen.
Er warf dem ehemaligen Polizeichef im Einzelnen vor, Morde an zehn Häftlingen befohlen, geplant und in einem Fall sogar selbst begangen zu haben. Zum einen ging es um drei Häftlinge, die im Oktober 2005 aus dem Gefängnis «El Infiernito» ausgebrochen waren und später erschossen wurden. Zum anderen soll der ehemalige Polizeichef von Guatemala im September 2006 bei der Erstürmung des Gefängnisses Pavon die Exekution von sieben Gefangenen angeordnet haben.
Die sieben Häftlinge seien Opfer aussergerichtlicher Hinrichtungen geworden, befand das Gericht. Es stützte sich dabei auf zahlreiche Zeugen, die es als glaubwürdig einstufte. Sperisens einzige Verteidigung sei gewesen, zu beteuern, dass die Zeugen lügten.
Bei der Höhe der Strafe berücksichtigte das Strafgericht insbesondere die Schwere der Taten, die Zahl der Opfer und die fehlende Empathie des Angeklagten gegenüber den Gefangenen. Die Verteidigung forderte einen Freispruch.
Freigesprochen wurde Sperisen dagegen vom Vorwurf des Mordes an drei Häftlingen, die im Oktober 2005 aus dem Gefängnis «El Infiernito» ausgebrochen waren und später erschossen wurden. In diesen Fällen kamen die Richter zum Schluss, dass die vorliegenden Fakten nicht genügten, um Sperisen schuldig zu sprechen. (rar/sda)