Keine Bild- und Tonaufnahmen, ausser ihr Kommandant gibt ihnen eine ausdrückliche Erlaubnis dafür.
So steht's auf dem Marschbefehl der Schweizer Armee. Und so ertönt es auch mantraartig aus den Mündern aller Zugführer, die ihre frischen Rekruten in die Disziplinspielereien der Schweizer Armee einschreienführen.
Ein misslungener Befehl, schaut man sich den Hashtag #schweizerarmee auf Instagram an. Da rollen die geschwollenen Brüste frisch beförderter Unteroffiziere gemischt mit gelangweilten WK-Soldaten beim Palett-Rolli-Rennen über den Handyscreen.
Die Digital Natives sind mittlerweile im RS-Alter und das Militär merkt zunehmend, dass Instagram und Facebook längst zur neuen Feldpost mutiert ist. Unumgänglich. Keine tief drohende Bärenstimme – egal wie dick die Striche auf der Mütze sind – hält die Daumen der jüngsten Armee-Generation vom Upload-Button fern. Nicht selten muss am Schluss die Militärjustiz intervenieren.
In den vergangenen zwei Jahren etwa wegen Hitlergrüssen, selbstzelebrierendem Automobil-Vandalismus, zivilen Mordszenarien im Schiessstand oder einer Badeaktion im Spaghetti-Kochtopf. Alles festgehalten auf Bewegtbild und quittiert mit einem Haufen Views auf Facebook und YouTube.
Vor einem Jahr hat sich die Chefetage unserer Landesverteidigung vorgenommen, all dem entgegenzuwirken. Und zwar mit einem eigenen Instagram-Account. Man wolle das digitale Feld nicht wortlos den Quatschmachern aus den camouflagierten Spassvideos überlassen, hiess es in einer Medienmitteilung. Vielmehr wolle man Jugendlichen ab 14 Jahren vermitteln, was Sicherheit für ein Land bedeute.
Höchste Zeit, um mal abzuchecken, wie sich dieses Schlachtfeld der militärischen Instagram-Posts denn mittlerweile verändert hat …
Was man auf dem offiziellen Account der Armee derweil so sieht? Panzer.
Und noch ein Panzer.
Viele Panzer (oder sowas Ähnliches) auf einem Glied.
Und noch ein Panzer, der ein bisschen klobig und komisch aussieht. Der von den anderen Panzern eventuell gemobbt wird. Weil er – nun ja – sperrig aussieht und ein bisschen aus der Mode gekommen ist. Aber eigentlich passt dieser Panzer ganz gut zum Instagram-Account der Schweizer Armee, auf dem es nebst sehr vielen Panzern auch Lastwagen, Hubschrauber und junge, bartlose Männer gibt, die einen Gewehrlauf in die Kamera strecken. Alles ein bisschen langweilig. Alles ein bisschen viel Material und wenig Emotion.
Das Vorbild für die Schweiz heisst Bundeswehr. Bei den Nachbarn im Norden werden jährlich mehrere Millionen in die Social Media investiert. Aufwendig produzierte Trailer stilisieren die in Mali stationierten Soldatinnen und Soldaten zu Freiheitskämpfern mit Witz. Im Livechat kann man ihnen Fragen stellen. Auch oberste Offiziere treten zum Q&A im hippen YouTube-Format an. Ein kleiner Hund im Tarnanzug reiht sich als Bundeswehrmaskottchen in den «Cutenesswahn» sozialer Netzwerke ein. Ein Wunder gibt es bei der Bundewehr noch keine Katzenvideos.
Doch trotz fehlendem Büsi-Content mangelt es der Bundeswehr nicht an einer gezielten Netz-Agenda. Seit Abschaffung der Wehrpflicht 2011 kämpft die Deutsche Bundeswehr mit Nachwuchsproblemen. Jetzt verlosen sie via Instagram Smartphones, um die nötige Manneskraft wieder ins Heer zu locken. Stichwort Manneskraft: Ein sehr beliebtes Bundeswehr-Format auf YouTube heisst «Military Fitness Cup». Eine Art Militär-interne Castingshow, bei der sich die härtesten Azubi-Soldaten im Munitionskisten-Stemmen und im Leichen-Schleppen duellieren.
Aber nicht nur die harten Fitness-Draufgänger kommen bei einem Insta-Abo der Bundeswehr auf ihre Kosten. Regelmässig hüpfen auch Food-Porn-Bilder (Zielgruppe: geniesserische Patrioten), anmutige Stuten (Zielgruppe: vermutlich ehemalige Wendy-Abonnentinnen) oder lachende Menschen aus Entwicklungsländern (Zielgruppe: unreflektierte Philanthropen) über den Screen. Statistiken zeigen: Jeder dritte Freiwillige bricht den Wehrdienst wieder ab. Etwa wegen falscher Vorstellungen?
Für das deutsche Militär-«Wir» muss man Menschen motivieren. In Israel haben die Menschen keine Wahl. Da gehören alle zum Militär-«Wir». Wohl oder übel. Männer drei Jahre, Frauen 21 Monte lang.
Und dennoch sind die digitalen Militäranreize ein Witz gegen die israelische Internetpropaganda. Auf dem Instagram-Account «IDF», kurz für «Israel Defense Forces», wird der Wehrdienst wie das schillernde Leben einer Lifestyle-Travel-Bloggerin dargestellt. Mehr wohl als übel, denkt man sich.
Bei den «IDF» gibt es vegane Kampfstiefel für hingebungsvolle Gutmenschen, Gitarrenspiel in der Abendsonne für lockenköpfige Sentimentalisten, tollen Kaffee für Geniesser und nuuuur schöne Menschen. Glaubt man der digitalen Inszenierung, ist der israelische Militärdienst ein schaurig unterhaltsames Ferienlager, bei dem man ganz viel lernt und das ganz lange dauert. Gottseidank.
Der Medienforscher Friedmann Vogel nennt diese neue Form von Armeepropaganda «Militainment». Gegenüber dem Magazin «Jetzt» meint er: «Solche Accounts verkaufen militärische Sachverhalte als Lifestyle. Waffen werden zu Accessoires und insbesondere Frauen werden stark sexualisiert gezeigt.» «Militainment», so Vogel, sei eine Taktik, die insbesondere auf Jugendliche im Netz abziele und wie jede Werbung versuche, ein rein positives Image zu erhalten.
Going vegan is a choice - respecting that choice is our obligation. #MeatlessMonday pic.twitter.com/cG8i3NyfYB
— IDF (@IDFSpokesperson) 27. Juli 2015
Im Falle des israelischen Militärs gibt es in Sachen Image auch wirklich viele Anlässe zur Schönmalerei. Es gilt als eine der Armeen mit den ausgeprägtesten Gefahren für ihre Angehörigen. Die Gefahr, nach zwei Jahren Kriegsdienst ein psychisches Trauma oder eine körperliche Verletzung nach Hause zu tragen, ist sehr viel höher als in den meisten Präsenzarmeen. Vermutlich geben sich die IDF deshalb besonders Mühe, in den sozialen Netzwerken eher nach Feriencamp als nach Krieg auszusehen.
Der Trend aber, so Vogel, sei momentan bei allen grösseren Armeen zu beobachten. Das Militär bemühe sich hip, krass, geil zu inszenieren. Und die Israelis tun dies in perfekt-perfidester Manier.
Vereinzelt findet die kriegerische Lifestyle-Propaganda aus Israel auch in der Schweiz ihre Verfechter. Einer von ihnen heisst Fabio Guglielmini. Er ist Profisportler, Skirennfahrer und hat die vergangene Sommer RS absolviert. Sein Sixpack ist einer der prominentesten Protagonisten beim Hashtag #schweizerarmee.
Seine Pics holen stellenweise mehr Likes als die des offiziellen Armee-Kanals. Doch für die regulär dienstlichen Poster ist das kein Grund zur Aufregung. Weder die superkonzeptionellen Online-Auftritte der «Feinde» noch die hotten Bilder eines Soldaten-Influencers bringen sie aus dem Konzept.
Hübsch ausgeleuchtete Panzer-Aufnahmen mit helvetischer Schneeberg-Kulisse sollen hierzulande ausreichen, um die Jugend für den Landesschutz zu begeistern.
Wen das anlocken soll? Vermutlich nur die Typen, deren Herzen eh schon für Camouflage und Raupenfahrzeuge brennt.
Ob das ein Problem ist? Keineswegs.
Von Russland findet sich zwar kein offizieller Instagram-Account. Dafür eine handvoll inoffizieller, die ziemlich professionell aussehen.
Auch hier heisst das Erfolgsrezept: Jung, hübsch, motiviert …
In den USA gibt es dafür dutzende offizielle Army-Accounts. Fast jede Einheit verfügt über einen spezifischen Social-Media-Kanal. Die Rhetorik folgt meistens dem alten Prinzip von «Uncle Sam»: Du bist der Auserwählte! Mach bei uns mit! Mach deinen Papa stolz.
Seit die USA 2007 im Irak wegen Facebookposts von Soldaten vier Hubschrauber verlor, geht die grösste Armee der Welt schon etwas vorsichtiger mit dem Posting um. Trotzdem halten sie sich nicht zurück, alles am Militär total abzufeiern. Und mit alles, ist natürlich nur das Gute gemeint.
Es gibt sogar einen extra Account für LGBT-Soldaten. Süsse Bilder gibt's da. Kein Wort über die negativen Seiten von Queers in der Army.
Der Britische Militär-Account gleicht dann wieder viel mehr dem der Schweiz. Das Vereinigte Königreich zeigt ebenfalls gerne, welch grosse Maschinen sie hat.
Ein Unterschied zum Schweizer Pendant zeigt sich trotz prominenter Panzer-Schau aber trotzdem: Die Briten haben – zumindest online – eine hohe Frauenquote. Etwa die Hälfte aller Porträt-Bilder zeigt weibliche Soldaten.
Auf dem Insta-Account der Schweizer Armee muss man 223 Bilder runterscrollen, bis man die erste uniformierte Frau zu Gesicht bekommt.