Ratgeber-Bücher funktionieren so: Ein einigermassen überschaubares Problem wird derart breit getreten, bis es eben ein Buch füllt. Der Kern fast aller Ratgeber heisst: Es geht dir schlecht, es geht dir schlecht, in der Liebe, im Job, im Körper, tu was dagegen, jetzt sofort. Lösungsvorschläge gibt es im Fall der Liebe und des Jobs genau zwei, sie heissen «Gehe!» oder «Bleibe!». Ihnen gemeinsam ist das Versprechen: «Dann wirst du glücklich.» Bei amazon finden sich 535 Ratgeber zum Thema Trennung.
Auf der Seite der «Gehe!»-Bücher findet sich neu auch eins aus der Schweiz: «Trennt euch! Ein Essay über inkompatible Beziehungen und deren wohlverdientes Ende» des Schriftstellers Thomas Meyer («Wolkenbruchs wunderliche Reise»). Einem Mann mit einer Mission. Einem, der sich sehr, sehr gerne trennt. Und der hofft, dass sein Buch unglückliche Paare zur Trennung bewegt.
Meyer ist nämlich ein Fan von «serieller Geborgenheit», wie er im «Sonntagsblick» kundtat. Seriell deswegen, weil er nicht lebt, «um Mühsames auszusitzen», wie er im «Migros-Magazin» sagte, seine «Leidenstoleranz» sei einfach gering.
Mit seiner neuen Freundin will er sich jetzt zusammensetzen und einen Beziehungsfragen-Katalog durchgehen. Dazu rät er nämlich nach dem fünften Date. So, wie die Amerikaner dazu raten, es erst nach dem dritten Date mit Sex zu versuchen. Es gibt eben für jede Regung eine Regel. Vertragliche Absprachen sind besser als Vertrauen. Man muss sich wappnen gegen das trügerische «Zuckergebäck der Selbsttäuschung».
Meyer hat das auch schon mit seiner Ex-Freundin gemacht, offenbar hat es nicht gefruchtet. Auslöser für «Trennt euch!» war, dass er sich vor ein paar Jahren von der Mutter seines damals vier Monate alten Sohnes trennen musste, weil es für ihn einfach nicht passte. Traumhaft.
Der Mensch, sagt Meyer, ändert sich nicht. Er ist entsprechend – sollte es Reibungen geben – nicht fähig, sich an eine Partnerin oder einen Partner anzupassen, denn dies würde auch heissen, sich selbst unterzuordnen und gering zu schätzen. Reibungen sind doof, denn sie bringen uns definitiv nicht «zum Lachen», und dazu sei das Leben echt zu kurz.
Die Fragen, die Meyer an seine Leser stellt, lauten: «Fühlen Sie sich wohl?» und «Fühlen Sie sich unwohl?». Im Falle von Unwohlbefinden beziehungsweise von «Es passt nicht» ist es wichtig, zu gehen, allen Bedenken ein deutliches «Stopp!» entgegenzuhalten und dann erst einmal tief in den Bauch zu atmen.
Aha. Und dann? Alles besser! Bullshit. Bei der nächsten Frau, dem nächsten Mann wird's wieder schiefgehen. Weil gewisse Dinge auch in der schnellsten aller Welten immer noch Zeit zum Wachsen brauchen: Kinder, Weine, Städte, die Liebe. Ohne Grosszügigkeit und Toleranz passiert da gar nichts. Ohne Auseinandersetzungen auch nicht. Mit vielem andern verwandeln sie sich im Lauf der Zeit in den Erfahrungsschatz, der eine gute Beziehung so wertvoll macht. Wie eine Bibliothek voller Romane. Leichter und schwerer. Und nein, man wird darüber nicht automatisch zu einem jener bitterbösen Paare, das sich gegenseitig mit «charakterchirurgischen Eingriffen» zusetzt.
Eine Beziehung lässt sich eben nicht passgenau im Supermarkt kaufen. Meyers kleinliches Aufrechnen seines emotionalen Investments in Fragebögen und Listen zeugt höchstens von einem neoliberalen Verlangen nach einer möglichst schmerzfreien Optimierung des Alltags. Und davon, dass einer damit sein Lieblingshobby – das klassische Zigarettenholen ohne Return – rechtfertigen will.
Thomas Meyer: «Trennt euch!». Salis Verlag, Zürich 2017. 119 Seiten, ca. 22 Franken.