Wann haben Sie das letzte Mal geklatscht, nachdem das Flugzeug sicher gelandet ist? Was früher üblich war, ist heute zur Seltenheit geworden. «Wenn ich im Büro etwas richtig mache, klopft mir schliesslich auch niemand auf die Schulter», sagt sich so mancher. Der ausbleibende Applaus nach einer erfolgreichen Landung ist bezeichnend für den Prestigeverlust, den Piloten in den letzten Jahren hinnehmen mussten.
Die abnehmende Wertschätzung hat für die Piloten auch Auswirkungen aufs Portemonnaie. Denn im harten Konkurrenzkampf in der Luft versuchen die Airlines, die Löhne ihrer Piloten zu kürzen. In Deutschland und Frankreich ist es deshalb in den letzten Wochen zu zahlreichen Streiks gekommen. Am Montag erreichte der Streit um alte Privilegien auch in der Schweiz eine neue Eskalationsstufe: Die Swiss hat den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) mit den Langstreckenpiloten per Ende November 2016 gekündigt.
Die betroffenen Piloten sind empört über diese Massnahme: «Die Kündigung zum jetzigen Zeitpunkt ist ein weiteres Zeichen für Ignoranz der Sozialpartnerschaft durch die Geschäftsleitung der Swiss», schreibt der Pilotenverband Aeropers, der die Langstreckenpiloten vertritt. Die Art und Weise der Unternehmensführung sei «ein klares Zeichen typisch deutschen Managements» – ein Seitenhieb gegen den deutschen Mutterkonzern Lufthansa und den deutschen Swiss-Chef Harry Hohmeister.
Doch wie konnte es zu dieser Eskalation kommen? Wer den Konflikt verstehen will, muss wissen, dass es innerhalb der Swiss eine Zweiklassengesellschaft bei den Piloten gibt: Langstreckenpiloten sind im Verband Aeropers zusammengeschlossen und bei der Tochtergesellschaft Swiss International Air Lines angestellt. Sie profitieren von einem besseren GAV als die Kurzstreckenpiloten, die dem Verband IPG Cockpit angehören und bei der anderen Tochterfirma Swiss European Air Lines unter Vertrag sind.
Unter anderem verdienen die Langstreckenpiloten deutlich besser: Zu Beginn erhält ein Co-Pilot auf der Kurzstrecke 4861 Franken pro Monat, auf der Langstrecke 6575 – also ein Drittel mehr. Der Maximallohn beträgt für einen erfahrenen Kurzstrecken-Flugkapitän 12'083 Franken pro Monat, ein Langstrecken-Kapitän kann monatlich bis zu 17'574 Franken verdienen – 45 Prozent mehr.
Die kostspieligen Privilegien der Langstreckenpiloten, die auf die Zeit von Swissair und Crossair zurückgehen, ist dem Swiss-Management seit längerem ein Dorn im Auge. CEO Harry Hohmeister wollte die beiden Pilotenverbände deshalb unter einem GAV vereinen. Die Langstreckenpiloten hätten dadurch Einbussen in Kauf nehmen müssen, während die Kurzstreckenpiloten profitiert hätten. Doch daraus wurde nichts: Aeropers, der Verband der Langstreckenpiloten, schickte den neuen gemeinsamen GAV Mitte April bachab.
Als Reaktion auf die Ablehnung schloss das Swiss-Management für die neuen Flugzeuge – Bombardier CSeries und Boeing 777 – einen separaten GAV mit IPG ab. In den Augen von Aeropers ein Affront: Denn die Boeing 777 ist ein Langstreckenflugzeug. Ab Juli 2014 wurden wieder Gespräche aufgenommen zwischen Aeropers und der Swiss-Führung. In diesen hat sich gemäss Swiss aber gezeigt, dass es in den wesentlichen Diskussionspunkten «unüberbrückbare Differenzen» gebe: «Vor diesem Hintergrund wurde eine Kündigung des Aeropers-GAV per Ende November 2016 unausweichlich.»
Aeropers sieht das anders. Man sei bereit gewesen, dauerhafte Einsparungen in Höhe von mindestens sechs Prozent des Gesamtaufwands anzubieten – während eines laufenden Vertrags. «Das ist deutlich mehr, als das Management selbst zu sparen bereit war», so der Pilotenverband.
Die Hoffnungen auf eine Lösung am Verhandlungstisch haben sich trotz allem noch nicht ganz zerschlagen. Beide Seiten sagen, dass sie weiterhin offen seien für Gespräche. Begünstigt wird die Dialogbereitschaft durch die Tatsache, dass ein Streik im Moment nicht möglich ist, da bis zum Ende des GAV die absolute Friedenspflicht gilt. Daran will sich der Pilotenverband halten.