Frau Rickli, selbst die GSOA-Initiative
zur Abschaffung der Armee war erfolgreicher
als «No Billag» ...
Nathalie Rickli: Die beiden Abstimmungen
kann man nicht vergleichen. Bei der «No
Billag»-Initiative ist einmalig, dass die klaren
Sieger so viele Versprechen gemacht
haben, was sich bei der SRG ändern werde.
Ihre Botschaft war: Stimmen Sie Nein
und danach sinken die Gebühren und wir
werden redimensionieren. Selbst die SRG
hat von «abspecken» geredet. Diese Versprechen
gab es nur dank der Initiative.
Sie verlangen mit einem Vorstoss eine
Gebührensenkung auf 300 Franken.
Das ist doch pure Provokation!
Was soll daran provokativ sein? Diese
Zahl wurde von den «No Billag»-Gegnern
im Abstimmungskampf genannt. Unsere
Vorstösse werden sie daran erinnern. Ich
freue mich, dass wir ab heute eine seriöse
Diskussion über den Service public führen
können und der teils gehässige Abstimmungskampf
vorbei ist.
Definiert man normalerweise nicht
zuerst den Auftrag und redet danach
über die Finanzierung?
Genau das haben wir in der Vergangenheit vergeblich versucht. Der Service-public-Bericht
des Bundesrates
war sehr oberflächlich
und alle Versuche, etwas
am System zu ändern, sind gescheitert.
Der Bundesrat und
die Parlamentsmehrheit haben
mit dem Radio- und Fernsehgesetz
2015 bei den Gebühren
angesetzt, und deshalb ist
es richtig, dass wir nun finanzielle
Leitplanken vorgeben.
Die SVP fordert auch die Abschaffung
der Gebühren für Unternehmen. Sind
Sie eine schlechte Demokratin?
Die damalige Abstimmung ging mit einem
Unterschied von nur 3500 Stimmen aus.
Es wurde eine Service-public-Diskussion
versprochen, die nicht wirklich stattgefunden
hat. Mittlerweile fordert nicht nur die
SVP, sondern auch die FDP die Abschaffung
der Mediensteuer für Firmen.
Die SRG hat angekündigt, 2019
80 Millionen Franken zu sparen.
Genügt das?
Die SRG-Führung hat die Kritik offenbar
ernst genommen. Die Ankündigungen, sich
mehr von Privaten zu unterscheiden, werte
ich als positiv. Wichtig ist einfach, dass die
Gebühren dann gesenkt werden und der
Bundesrat diese dann nicht anderweitig
verwendet.
Was erwarten Sie vom Bundesrat?
Der Bundesrat kann alleine über die SRG-Konzession
bestimmen. Eine minimale
Mitsprache des Parlamentes wurde aufgrund
des starken Lobbyings
der SRG abgelehnt. Der Vorschlag
des Bundesrates für die
neue, vierjährige Konzession
ab 2019 sieht gleich viele Sender
vor wie heute und gar einen
Ausbau im Internet.
Wenn wir nun eine effektive
Service-public-Diskussion führen
wollen, muss dieses Vorhaben
sistiert werden, was
wir in der Parlamentskommission
thematisieren werden. Die bestehende
SRG-Konzession kann verlängert werden.
Der Bundesrat will die SRG mit der
neuen Konzession zurückbinden: Die
Unterhaltungsprogramme sollen sich
klarer von kommerziellen Angeboten
unterscheiden und die SRG soll mindestens
50 Prozent der Gebühreneinnahmen
für die Information verwenden.
Viele meinen, das sei neu, aber schon heute
investiert die SRG 50 Prozent der Gebühren
für Information. Bei der neuen SRGKonzession
muss sie sich zudem nur noch
in der Unterhaltung von kommerziellen Anbietern
unterscheiden. Der Grundsatz der
Unterscheidung von kommerziellen Anbietern
soll gestrichen werden. Das ist ein Freipass
für die SRG im Internet. Mein Appell
an alle Politiker und Journalisten ist: Lesen
Sie den Vorschlag für die neue Konzession,
der jetzt in der Vernehmlassung ist!
Müssen die Werbemöglichkeiten der
SRG beschränkt werden?
Das Radiosponsoring kann man abschaffen;
es gibt genügend private Radiosender.
Bei der Fernsehwerbung bin ich zurückhaltender.
Unser Werbemarkt ist sehr klein, es
braucht die öffentlich-rechtlichen und die
privaten Fernsehsender. Es besteht die Gefahr,
dass Werbeeinschränkungen bei der
SRG dazu führen, dass mehr Geld ins Internet
und ins Ausland fliesst also dorthin, wovor
die «No Billag»-Gegner und die SRG nun
die ganze Zeit gewarnt haben.
Müssen die Gebührengelder breiter verteilt werden?
Ich bin vehement dagegen. Es war ein Fehler,
dass man die privaten Radio- und Fernsehsender
am Gebührentopf beteiligt hat.
Diese Abhängigkeiten hat man im Abstimmungskampf
nun klar gesehen. Schon heute
gibt es TV-Stationen, die bis zu 70 Prozent
von Gebühren leben. Wir müssen den
privaten Unternehmen mehr Freiheit geben:
Darum müssen wir schauen, was die
privaten Sender erbringen können. Das
muss dann die SRG nicht mehr gleichzeitig
tun. Wenn wir das nicht schaffen, kommen
immer mehr Forderungen. Irgendwann
hängen die Zeitungen und Onlinemedien
auch am Gebührentopf.
Lehnen Sie das Mediengesetz darum ab?
Ja, wir müssen deregulieren und sicher
nicht das Internet regulieren. Die Forderung,
Onlinezeitungen zu unterstützen,
steht im Raum. Das möchte ich nicht. Dann
muss ich mich wirklich um die vierte Gewalt
sorgen. Medien müssen finanziell unabhängig
sein, damit sie die Politik kritisch
begleiten können.