Schweiz
Medien

Die SRG lobbyiert gegen die No-Billag-Initiative

Roger de Weck, Generaldirektor der SRG, spricht an einem Medienfruehstueck ueber den Service Public von SRG SSR, am Dienstag, 4. Oktober 2016, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Will verhindern, dass aus «No Billag» auf einmal «No SRG» wird: SRG-Direktor Roger de Weck.Bild: KEYSTONE

Das Lobby-Drehbuch der SRG gegen die No-Billag-Initiative

Ein internes Papier zeigt: Der Medienkonzern kämpft mit einem umfassenden Konzept gegen die No-Billag-Initiative.
26.03.2017, 01:5526.03.2017, 10:24
OTHMAR VON MATT / schweiz am wochenende
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Ein Artikel von Schweiz am Wochenende
Schweiz am Wochenende

Der Klub trägt einen rätoromanischen Namen. Trafögl nennt sich die diskret gehaltene Public-Affairs-Gruppe der SRG. Das bedeutet auf Deutsch «Kleeblatt».

Es sind denn auch drei gebürtige Bündner und der Freiburger SRG-Direktor Roger de Weck, die das Kleeblatt bilden: Ladina Heimgartner, Direktorin des rätoromanischen Radios und Fernsehens RTR, Mariano Tschuor, Leiter Stabsbereich Märkte und Qualität der Generaldirektion, und Martina Vieli, SRG-Kommunikationschefin.

Die Gruppe Trafögl ist die Speerspitze der SRG gegen die No-Billag-Initiative. Die Mitglieder treffen sich alle zwei Monate und besprechen den Stand der Arbeiten der Kampagne gegen die Initiative. Ziel ist es, das Ende der SRG zu verhindern. Das – und nicht weniger – fürchtet die Gruppe bei einem Ja zu «No Billag».

Ladina Heimgartner
RTR-Direktorin Ladina Heimgartner.Bild: SRG

Brancheninsider gehen von einem Wegfall von 4'700 der 5'000 Vollzeitstellen aus und einem Sozialplan über mehrere hundert Millionen. Zwar dauert es noch über ein Jahr, bis es gemäss SRG am 10. Mai 2018 zur «No Billag»-Abstimmung kommen könnte. Doch die Gruppe hebt den Mahnfinger.

«No Billag» dürfe nicht plötzlich zu «No SRG» führen, heisst es im 15-seitigen Papier «Politische Agenda SRG SSR 2017ff», das Mariano Tschuor verfasst hat und das der «Schweiz am Wochenende» vorliegt.

Kampagne längst angelaufen

Das Papier ist ein Lobbying-Drehbuch der SRG gegen «No Billag». Die Trafögl-Mitglieder werden mit ihren Aufgaben aufgeführt. De Weck ist Hauptbotschafter, führt Spitzengespräche und trifft Strategieentscheide.

Heimgartner ist verantwortlich für Strategieprojekte. Tschuor kümmert sich um Allianzen und Interessengruppen. Und Vieli pflegt die Kontaktarbeit mit Bund, Kantonen und Parteien.

Martina Vieli, SRG
SRG-Kommunikationschefin Martina Vieli.bild: SRG

Das Papier zeigt im Detail auf, wie die Kampagne gegen «No Billag» ablaufen soll. «Kick-off» war bereits im Februar 2017. Die Phase eins läuft bis Herbst 2017. Sie umfasst Sensibilisierung und Dialog mit dem Publikum.

Zwischen Herbst 2017 und März 2018 sollen – in einer zweiten Phase – die Regionen ihr Bekenntnis abgeben zur SRG.

Und in Phase drei – März bis Juni 2018 – ist eine nationale und regionale Mobilisierung geplant. Ohne Gegenvorschlag des Parlaments kommt die Initiative am 10. Mai 2018 zur Abstimmung, denkt man bei der SRG.

Mariano Tschuor, SRG
Mariano Tschuor, Leiter Stabsbereich Märkte und Qualität. Bild: SRG

Das Papier zeigt erstmals offiziell, was immer vermutet wurde: Die SRG zieht ihr Lobbying minuziös auf, langfristig und sehr breit gefasst. Involviert sind zum Beispiel die SRG-Vereine der Sprachregionen. Sie planen Events und eine Resolution (Westschweiz), Briefe an Parlamentarier und Aktivitäten über das Dossier «Brennund Treffpunkt Service public» (Deutschschweiz), Treffen mit Bündner und Tessiner Parlamentariern.

Einige aufgelistete Aktivitäten haben bereits stattgefunden. Etwa das Treffen mit den Bündner Parlamentariern vom 7. März. Gleich drei Mitglieder der Gruppe Trafögl nahmen daran teil: de Weck, Heimgartner und Vieli.

Es fand zu einem brisanten Zeitpunkt statt. Eben hatte SVP-Unternehmer Walter Frey dementiert, in Kaufpläne der Blick-Gruppe involviert zu sein. De Weck habe an jenem Abend gesagt, er wisse «aus einer sehr verlässlichen Quelle», dass Herr Frey dieses Angebot gemacht habe, bestätigt SVP-Nationalrat Heinz Brand, der an jenem Treffen teilgenommen hat. «Es entstand der Eindruck, dass er eine Quelle hat, die ihn in einer Art unterrichtet hatte, dass es keine Zweifel über dieses Angebot gab.»

Das Papier verdeutlicht, dass die SRG für ihren Kampf gegen «No Billag» sämtliche denkbaren Stakeholder – auf Deutsch: Anspruchsgruppen – involviert. Das beginnt bei der Politik (Bundesrat, Kantonsregierungen, Parlament, Parteien), geht über die Wirtschaft (Economiesuisse, Schweiz Tourismus, Konsumentenschutz, Bauernverband etc.), Sport (Swiss Olympic, Swiss Ski, SFV, Swiss Tennis, Schwingerverband), Kultur und Medien.

Beteiligt werden sollen aber auch die Religionen – mit dem Rat der Religionen, der evangelischen Landeskirche, dem katholischen Medienzentrum, der Bischofskonferenz und der römisch-katholische Zentralkonferenz.

Explizit erwähnt werden im Papier Anlässe im Charity-Bereich: «2×Weihnachten» (SRG, Post, SRK), «Jeder Rappen zählt» (Spendenaktion von SRF und Glückskette), «Cœur à cœur» (RTS und Glückskette gegen Armut in der Schweiz), «Mitenand» (Informationen über Projekte von Hilfsorganisationen und Glückskette) oder die Stiftung «Denk an mich» (Ferien für Behinderte) mit Präsident Mariano Tschuor.

Weit über eine halbe Million

Wie viel die Offensive gegen «No Billag» kostet, ist nicht klar. Die SRG als Unternehmen wandte 2015 300'000 Franken für Public Affairs auf, wie der Geschäftsbericht aufzeigt. Das bestätigt die SRG.

Zu den Geldern der vier Regionalgesellschaften als Trägerschaft der SRG sagt sie nichts. Die SRG Deutschschweiz aber weist für Lobby-Aktivitäten in ihrem Dossier «Brenn- und Treffpunkt Service public» für 2017 und 2018 Mittel von 515'000 Franken aus. Das Dossier taucht im Trafögl-Konzept ebenfalls auf.

All diese Aktivitäten überraschten ihn nicht, sagt Hans-Ulrich Bigler, FDP-Nationalrat und Direktor des Gewerbeverbands (SGV), der explizit nicht unter den SRG-Stakeholdern geführt ist. «Roger de Weck geht seit Monaten fleissig essen mit Regierungsvertretern.» Bigler: «Es fragt sich, wie sichergestellt wird, dass die Gebührenzahler nicht Lobbying-Aktivitäten berappen.»

Hans-Ulrich Bigler, Direktor Schweizerischer Gewerbeverband sgv und Nationalrat FDP, spricht waehrend eine Podiumsdiskussion "Weniger Staat - mehr Freiheit" , am Donnerstag, 2. Februar 2017, ...
Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands.Bild: KEYSTONE

Bei der SRG selbst hält Sprecher Simon Denoth fest: «SRG-Generaldirektor Roger de Weck sagt in Vorträgen: ‹Wenn das Volk 2018 oder 2019 über die Initiative No Billag abstimmt, geht es um eidgenössische Werte und auch um die Existenz der SRG.›»

Denoth betont, die SRG lege die Folgen einer Annahme der Initiative dar gegenüber Mitgliedern, Partnern, Anspruchsgruppen (Stakeholder), Politik und Öffentlichkeit. Das tue sie «methodisch, offen und transparent».

De Weck betone in Vorträgen weiter: «Laut Gesetz hat die SRG ihren Beitrag zu leisten im Dienst des Gemeinwesens und der Demokratie; fundierte Meinungsbildung statt Fake News; Einbezug der Minderheiten; Zusammenhalt der Gesellschaft und der Landesteile; Kultur und Volkskultur fördern, namentlich den Schweizer Film, die Musik und Literatur.»

Das Papier
15 Seiten umfasst das
Papier «Politische
Agenda SRG SSR
2017ff». Es richtet sich
gegen die No-BillagInitiative,
verdeutlicht
aber auch den Stand
der übrigen politischen
SRG-Themen wie
Service-public-Bericht,
Konzession, Gebührensystem
und Mediengesetz.
Interessant ist bei
der Konzession, dass
die SRG ab 2019 von
«Übergangskonzession
bis ca. 2023» schreibt.
Die alte Konzession
läuft 2017 aus und bisher
war nur von einer
Verlängerung bis 2018
die Rede. Die SRG sagt
dazu, Doris Leuthard
habe am 14. März im
Nationalrat gesagt: «Es
wird eine Übergangsregelung
geben müssen.»
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48 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Trasher2
26.03.2017 09:21registriert März 2016
Ich finde es nur legitim, dass die Chefs der SRG rechtzeitig schauen, wie diese Initiative gebodigt werden kann. Dass die Chefs einer Firma schauen, dass diese weiter besteht, ist deren Aufgabe.

Auch wenn mit meinen billag Gebühren viel bezahlt wird, was mich nicht im geringsten interessiert (zb. Sport Übertragungen) gibt es spartenprogramme, welche ich gerne höre oder sehe (zb Kultur, digital Redaktion, country und Reggae special). Diese Programme würde es dann wohl rasch nicht mehr geben und aus dem Radio würde nur noch Hitparaden und die ewig gleichen Hits plärren.
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Gsnosn.
26.03.2017 06:45registriert Mai 2015
Billag gibt es ab 2018 nicht mehr, problem gelöst *Ironie*
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dracului
26.03.2017 08:43registriert November 2014
Wenn ich das richtig verstehe, kämpft die SRG mit allen Mittel dafür, dass alles so bleibt, wie es ist, obwohl die ganze Medienlandschaft und die Welt sich ändert. Die 91% der CHF 1.3Mia sind einfach zu viel für die Abdeckung der Sprachregionen und ein bisschen "Demokratieunterstützung". Private Fernsehanbieter bekommen nur 4%, so viel, wie es kostet jährlich die Gelder einzutreiben. SRG, der Bund oder ein Berater sollte ein Konzept erstellen, wie modernes Fernsehen in der Schweiz aussehen könnte und dann könnten wir kompetent entscheiden, ob uns dieses Konzept jährlich 1.3 Mia wert ist.
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