Schweiz
Gesellschaft & Politik

Textanalyse des «Weltwoche»-Artikels «Afrikaner in der Schweiz – die Fakten».

Personen demonstrieren mit Ballons an einer Kundgebung fuer die Ruecknahme der Praxisverschaerfung gegenueber eritreischen Fluechtlingen, am Samstag, 10. Dezember 2016, in Bern. Muessen Fluechtlinge n ...
«Die Schwarzen kommen»: Unter diesem Titel verspricht die «Weltwoche» Fakten – liefert stattdessen aber viele unbelegte Behauptungen. Bild: KEYSTONE

Anonyme Quellen und Behauptungen: So entstand Mörgelis Afrikaner-Story in der «Weltwoche»

«Afrikaner in der Schweiz – die Fakten» verspricht die neuste Titelgeschichte der «Weltwoche». Doch ein genauer Blick auf den Artikel von Ex-SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli zeigt: Fakten sind im Text Mangelware. Die Stimmungsmache gegen schwarze Menschen stützt sich auf unbelegte Behauptungen und zweifelhafte Zitate ab. Wir präsentieren: 2 anonyme Quellen, 7 Fakten und 10 unbelegte Behauptungen.
15.07.2017, 17:0016.07.2017, 13:03
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Bekannt war er als eine der schärfsten Zungen im Parlament, bis ihn die Zürcher 2015 abwählten: Christoph Mörgeli musste sich ein neues Betätigungsfeld suchen – und fand dies bei der «Weltwoche». Chefredaktor Roger Köppel beförderte Mörgeli vom Kolumnisten zum regelmässigen Autor.

Diese Woche lieferte Mörgeli die Titelgeschichte. Unter dem Titel «Die Schwarzen kommen» befasst er sich mit der «rasch wachsenden Zahl von Afrikanern» in der Schweiz – die beiden Begriffe «Schwarze» und «Afrikaner» werden im Text austauschbar verwendet.

Das umstrittene Titelblatt der Weltwoche verspricht Fakten. Diese spielen im Text aber nur die Nebenrolle. Eine Textanalyse belegt: Während Mörgeli an sieben Stellen mit Quellen und Zahlenmaterial unterlegte Fakten erwähnt, lässt er insgesamt zehn unbelegte Behauptungen in den Text einfliessen.

Hinzu kommen zwei anonyme Zitate, deren Wahrheitsgehalt sich nicht überprüfen lässt. Bei drei weiteren Zitaten bleibt offen, wie die Zitierten auf ihre Aussagen gekommen sind. In diesen Fällen werden unbelegte Behauptungen einfach wiedergegeben.

Eine Übersicht über die Doppelseite mit dem Artikel zeigt: Unbelegte Behauptungen (rot) und Zitate (gelb) nehmen mehr Raum ein als die auf dem Cover versprochenen Fakten (grün).

Bild
Bild: weltwoche / bearbeitung watson

7 Fakten mit Quellen unterlegt

  • Zahlen über die in der Schweiz ansässigen Personen afrikanischer Herkunft (Bundesamt für Statistik).
  • Jährliche Anzahl rassistischer Vorfälle gegen dunkelhäutige Menschen (Eidgenössische Kommission gegen Rassismus).
  • Kriminalitätsrate von jungen Westafrikanern (Kriminalitätsstatistik).
  • Anteil der Asylbewerber ohne gültigen Personalausweis (Zahlen des Bundesamts für Migration – Mörgeli gibt die Quelle allerdings nicht an).
  • Rechenbeispiel der monatlichen Kosten einer sechsköpfigen Flüchtlingsfamilie aus Somalia (vorgerechnet von SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann in der «Basler Zeitung»).
  • Verweis auf die Studie zu «Infektionen bei erwachsenen Flüchtlingen» (Die Studie widerspricht allerdings den Aussagen einer anonymen Quelle, die Mörgeli im Text davor zitiert).
  • Subsahara-Afrika ist gemäss Uno-Hochkommissariat eine besonders stark von Fluchtbewegungen betroffene Region. Laut einer Gallup-Umfrage möchte ein Drittel aller dortigen Erwachsenen auswandern.

10 unbelegte Behauptungen

ARCHIVE - Christoph Moergeli, SVP-ZH, spricht im Nationalrat, am Dienstag, 15. September 2015, an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete in Bern. Erfolg fuer den ehemaligen SVP-Nationalrat Chris ...
Mit Quellen belegte Fakten sind in seinem Artikel dünn gesät: Ex-Nationalrat und «Weltwoche»-Autor Christoph Mörgeli.Bild: KEYSTONE
  • «Augenfällige Zunahme der Schwarzen»
  • «Die Wirklichkeit besteht nämlich aus vornehmlich jungen Männern, die modisch gekleidet sind und die neuesten Kommunikationsgeräte besitzen. Auffallend grosse Gruppen tätigen stattliche Einzahlungen beim Geldtransferdienst Western Union.»
  • «Die jungen Schwarzen gehen meistens keiner geregelten Arbeit nach.»
  • «Sie prägen zunehmend das öffentliche Erscheinungsbild von Strassen und Plätzen, was Einheimischen und Touristen auffällt.»
  • «Frauen meiden darum nicht nur nachts gewisse Orte und beklagen sich über ihre eingeschränkte Bewegungsfreiheit.»
  • «Besonders augenfällig sind die Schwarzen in Städten wie Genf, Lausanne, Freiburg, Basel, Bern, Biel und Zürich.»
  • «Rassistische Ausdrücke auf dem Pausenhof sind meist flapsig und nicht feindselig gedacht.»
  • «Viele Schwarze lachen über die Polizei und unseren Staat, denn sie müssen innert Kürze wieder freigelassen werden.»
  • «Ein weitverbreitetes Phänomen sind die vielen Scheinehen,  die oft dem Erschleichen einer Aufenthaltsgenehmigung gleichkommen und selten in einem Happy End münden.»
  • «Der Bildungsrückstand und die kulturellen Unterschiede machen einen Einstieg in unseren komplexen Arbeitsmarkt so gut wie unmöglich.»

Die Zitate wurden zugunsten der Lesefreundlichkeit teilweise minim umgestellt, ohne den Inhalt zu verändern.

2 anonyme Quellen

Policemen take a man into custody in the Langstrasse in Zurich, Switzerland, on November 13, 2009. (KEYSTONE/Martin Ruetschi)

Polizisten nehmen am 13. November 2009 einen Mann in der Langstrasse in Z ...
Zürcher Langstrasse: Schwarze würden sich mit dem Ausruf «Nazis» oder «Rassisten» der Verhaftung durch die Polizei entziehen.Bild: KEYSTONE
  • «Ordnungshüter berichten vom Phänomen, dass sich Schwarze mit dem lauten Ausruf ‹Rassisten› oder ‹Nazis› Verhaftungen an der Zürcher Langstrasse entziehen können, weil sich sogleich ganze Menschenmengen mit ihnen solidarisieren.»
  • «Eine am Universitätsspital Zürich tätige Ärztin sorgt sich über den zunehmenden Import von Infektionskrankheiten durch Schwarzafrikaner. Sie nennt namentlich die in deren Ursprungsländern weitverbreitete HIV-Infektion, ferner Lungentuberkulose, Gelbsucht (Hepatitis), die hochinfektiöse Krätze (Skabies), Syphilis, Parasitenbefall und verschiedene Fieberkrankheiten. Der Ansturm von entsprechend zu behandelnden schwarzen Asylbewerbern sei gross. Nicht selten würden die Patienten zwecks Therapie oder Abklärung der Hafterstehungsfähigkeit in Handschellen polizeilich vorgeführt.»

Mörgeli unterlässt es – wie es journalistischen Standards entspricht – diese Behauptungen mit mindestens zwei unabhängigen Quellen zu unterlegen und die offiziellen Stellen (Stadtpolizei Zürich, Universitätsspital) damit zu konfrontieren.

3 Zitate mit unbelegten Behauptungen 

epa05276517 The controversial former Berlin Senator for Finance and Executive Board member of the Bundesbank, Thilo Sarrazin, stands at the podium during the presentation of his new book, 'Wunsch ...
Beliebter «Kronzeuge» am rechten Rand: Thilo Sarrazin.Bild: EPA/DPA
  • Wenn schwarze Straftäter nicht schnell wieder freigelassen würden, freuten sie sich laut Mörgeli sogar aufs Gefängnis: «Da habe ich ein gutes Bett, drei ausgezeichnete Mahlzeiten am Tag und Fernsehen», erklärte die SVP-Nationalrätin und Polizistin Andrea Geissbühler dem «Tages-Anzeiger» die «Motivation dieser Rechtsbrecher», so Mörgeli.
  • Der Äthiopier Asfa-Wossen Asserate spricht in seinem Buch «Die neue Völkerwanderung» von 52 Millionen Jugendlichen aus dem Osten, dem Westen und dem Süden Afrikas, die nach Europa gelangen möchten. Mörgeli zitiert die Behauptung Asfa-Wossen Asserates, einem Grossneffen des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selasie.
  • Auch der umstrittene Buchautor und ehemalige SPD-Finanzsenator von Berlin, Thilo Sarrazin, darf nicht fehlen. Mörgeli paraphrasiert ihn wie folgt: Die Schwarzafrikaner seien schwer integrierbar, stünden fast immer am unteren Rand des Arbeitsmarktes und betrieben vorzugsweise eine «informelle Wirtschaft». Gleichzeitig vermehren sie sich am schnellsten. Der überwiegende Teil zahlt weder Steuern noch Abgaben, nimmt aber unsere Sozial- und Gesundheitsleistungen voll in Anspruch. Sarrazin bezeichnet sie nicht nur als «bildungsfern». Sondern vor allem als «leistungsfern».

Christoph Mörgeli und Roger Köppel haben auf eine Anfrage von watson bisher noch nicht reagiert.

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176 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Aschenmadlen
15.07.2017 19:08registriert Juli 2017
Ich bin kein Freund von Mörgeli. Man sollte aber vorsichtig sein, gewisse Probleme zu verharmlosen. Möglicherweise führt das dann zu "Trotzreaktionen" weswegen hier geborene Türkinnen nicht eingebürgert werden.
Vor zwei Wochen habe ich am Bahnhofkiosk selbst miterlebt wie 2 Männer, einer um 20, der andere ca 30ig, 2 offensichtlich minderjährige Mädchen sehr aufdringlich anbaggerten. Ich bin eingeschritten und habe den Herren erklärt sie sollen die Finger von Kindern lassen. Ich wurde als Rassist beschimpft, nur weil sie schwarz seien usw. Sie waren nicht schwarz, höchstens dunkelbraun.
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atomschlaf
15.07.2017 18:55registriert Juli 2015
Das einzige was mich am Weltwoche-Artikel stört:

Das Problem ist nicht, dass diese Leute eine schwarze Hautfarbe haben oder aus Afrika kommen, sondern dass sie grösstenteils völlig ungebildet sind, keinerlei Sprachkenntnisse mitbringen und aufgrund dieser Eigenschaften sowie der Sozialisierung in archaischen und stark religiösen Gesellschaften oft sehr schwer integrierbar sind und Frauen und Schwule verachten oder hassen.

Wenn plötzlich zehntausende weisser Südstaaten-Rednecks in die Schweiz einfallen würden, hätten wir vermutlich ganz ähnliche Probleme.
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Wilhelm Dingo
15.07.2017 19:02registriert Dezember 2014
Leider gelingt es weder der Weltwoche noch Watson bestehende tasächliche Probleme anzusprechen.
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