Schweiz
Medien

NZZ kapituliert vor den Haters, stellt Kommentar-Funktion weitgehend ab

NZZ kapituliert vor den Haters, stellt Kommentar-Funktion weitgehend ab

04.02.2017, 13:2704.02.2017, 14:11
Mehr «Schweiz»

In wenigen Tagen können die Leser auf der Internetseite der «Neuen Zürcher Zeitung» die aufgeschalteten Artikel nicht mehr frei von der Leber weg kommentieren – bei den meisten Texten wird die Kommentarfunktion abgeschaltet. Die Redaktion will hingegen täglich zu drei ausgewählten Texten eine inhaltliche Diskussion ermöglichen.

Es ist kein neues Phänomen: Mit den Online-Kommentaren ihrer Leserinnen und Leser tun sich viele Redaktionen – nicht nur in der Schweiz – schwer: Beim Ton und Inhalt einer rasch in der Anonymität hingetippten Reaktion wird oft eine Schmerzgrenze überschritten.

Kommentarspalte bei nzz.ch.
Kommentarspalte bei nzz.ch.screenshot via nzz.ch

Auch die «NZZ» hat festgestellt, dass die Stimmung in ihren Online-Kommentaren gehässiger geworden ist. «Wo früher Leser kontrovers miteinander diskutiert haben, beschimpfen sie sich immer öfter», schreibt die Redaktion am Samstag auf ihrer Medienseite in eigener Sache.

Drei tägliche Diskussionsforen

Sie kündigt deshalb auf kommenden Mittwoch eine «Neugestaltung der Online-Kommentare» an. Es wird bei praktisch allen Artikeln die Kommentarfunktion abgeschaltet. Nur bei drei Texten täglich sollen die Leserinnen und Leser aktiv mitdiskutieren können.

Wie beurteilst du den Schritt der NZZ?

Die «NZZ» will dabei diese drei täglichen Diskussionen initiieren, moderieren und begleiten. Mit einer konkreten Frage will die Redaktion der Debatte eine mögliche Richtung vorgeben. Dies in der Hoffnung, einen Weg zurück zu einer konstruktiven Diskussionskultur einschlagen zu können: «Wir laden nicht zu Debatten über die nackten Fakten ein, sondern darüber, was diese bedeuten.»

Im Weiteren beabsichtigt die «NZZ», dass sich jede Woche ein Redaktor unter seinem Artikel mit den Lesern austauscht. Derartige Online-Debatten hat die Zeitung bereits im vergangenen Jahr erfolgreich geführt; etwa mit ihrem Verkehrsexperten, der sich gegen eine neue Gotthardröhre ausgesprochen hatte.

Trotz des weitgehenden Abschaltens der Kommentarfunktion – eine direkte Feedback-Funktion wird es bei «NZZ.ch» weiterhin geben. Allfällige Fehler und Hinweise können die Leserinnen und Leser der Redaktion online weiterhin melden.

Leser reagieren unterschiedlich

Von den Lesern werden diese Pläne unterschiedlich aufgenommen, wie ein Blick in die – noch aktive – Online-Kommentarspalte zeigt. Einige bedauern, dass nun auch die «NZZ» vor den «Absonderungen der Wutbürger» in die Knie gehe und nur noch «betreutes Kommentieren» zulassen wolle. Andere kritisieren, dass die Beschränkung auf moderierte Diskussionen ein «Schritt in Richtung mehr gelenkte Demokratie» sei. Die freie Diskussion werde so leider eingeschränkt.

Andere begrüssen den «mutigen Schritt». Ein Leser findet es etwa richtig, dass die «NZZ» von ihren Lesern faire, konstruktive Debatten und Diskussionen erwarte und einfordere. Viele sind aber auch hin- und hergerissen: Hasskommentare und gegenseitige Anpöbelei habe er auch bemerkt, schreibt ein Leser beispielsweise. Die geplanten Einschränkungen der «NZZ» könne er daher nachvollziehen, «aber ich bedauere diese trotzdem». (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
189 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
tipsi
04.02.2017 14:05registriert Dezember 2015
Da muss man Watson wieder mal ausdrücklich loben.
Ihr habt eine tolle Comunity aufgebaut, es gibt in den Kommentaren interessante Gedanken und anständige Diskussionen. Es ist nicht ganz anonym dank Usernamen und Profilbil, wenn sich jemand nicht an die Netiquette hält wird von den fleissigen Kommentatoren darauf hingewiesen, danke für eure Beharrlichkeit. Das Aufschalten von Kommentaren ist sicher ein grosser Zeitaufwand, doch Ihr zeigt, dass es sich lohnt. Nicht zuletzt die Kommentarspalte macht euch so lesenswert!
1338
Melden
Zum Kommentar
avatar
Süffu
04.02.2017 15:04registriert Februar 2016
Wenn man nun anstatt die Kommentarspalte abzuschalten eine Kommentarspalte ohne die Anonymität machen würde? Also nur angemeldete, welche sich mit Ausweis verifiziert haben. Würde mich sehr interessieren was passieren würde - ich denke der Ton würde sich schnell normalisieren.
10217
Melden
Zum Kommentar
avatar
SJ_California
04.02.2017 14:28registriert März 2016
@Watson: ein Bericht über das Handling von Kommentaren (aus eurer Sicht) wäre noch ganz interessant. Z.B. wie hoch der Aufwand ist, wieviele Kommentare ihr gar nicht aufschaltet, wie die Watson-Community demografisch aufgebaut ist (mag mich zwar nicht erinnern ob bei der Registrierung eine Datenabfrage stattfand...)
873
Melden
Zum Kommentar
189
Eklat in der SVP: Christian Imark stellt pikante Forderung an Magdalena Martullo-Blocher
Das ist höchst ungewöhnlich. Energiespezialist Imark greift SVP-Vizepräsidentin Martullo-Blocher offen an. Sein Vorwurf: Mit ihrem Nein zum Stromgesetz gefährde sie langfristige Parteiinteressen.

Auf der einen Seite steht Christian Imark. Der SVP-Nationalrat aus Solothurn brachte am 2021 das CO₂-Gesetz praktisch im Alleingang zum Absturz. Im Februar 2024 reichte er als Mitglied des Initiativkomitees die Blackoutinitiative ein, die neue AKW wieder erlauben will. Und 2023 war er als Vertreter der Energiekommission (Urek) verantwortlich dafür, dass die SVP-Fraktion das Stromgesetz von SVP-Bundesrat Albert Rösti mit 36:18 Stimmen absegnete. Die Volksabstimmung findet am 9. Juni statt.

Zur Story