Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverband, war gar nicht erfreut. In der aktuellen Ausgabe der «Ostschweiz am Sonntag» (OaS) las der oberste Schweizer Gewerbler einen Artikel mit dem Titel: «Ein Referendum der Schwarzseher». Und Bigler war damit eigentlich direkt angesprochen.
Mit dem revidierten Radio- und TV-Gesetz RTVG sind Unternehmen ab 500'000 Franken Umsatz verpflichtet, SRG-Gebühren zu bezahlen, wogegen der Gewerbeverband am Montag das Referendum «Nein zur Billag Mediensteuer» mit rund 100'000 Unterschriften eingereicht hat.
Der Inhalt des Artikels ist von der harmlosen Sorte, die keine grossen Wellen schlägt. Nur sieben Prozent der Unternehmen bezahlten heute die SRG-Gebühr für Unternehmen, der Rest nicht, weil die Unternehmen zu klein seien oder die Billag das Inkasso nicht vollziehen könne, steht da. Deswegen auch der Titel: «Referendum der Schwarzseher».
Was den Gewerblern aber richtig sauer aufgestossen ist, war der Name des Autors des Artikels. OaS-Inlandredaktor Roger Braun stand noch bis im November 2014 auf der Lohnliste der CVP. Seit 2010 war er insgesamt dreieinhalb Jahre Kommunikationsverantwortlicher und Kampagnenleiter bei der CVP Luzern und im Generalsekretariat der Mutterpartei. Der einzige Politiker, der in dem Artikel zitiert wird und den Unternehmen die entsprechenden Vorwürfe macht, ist der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas.
Das ist heikel, denn den Abstimmungskampf gegen das Referendum des Gewerbeverbandes führt die CVP an, da RTVG und SRG klassische CVP-Domänen sind. Das Gesetz stammt aus dem Departement von CVP-Medienministerin Doris Leuthard. Der SRG-Verwaltungsratspräsident Raymond Loretan war CVP-Generalsekretär und der Vizepräsident des Verwaltungsrates, Viktor Baumeler, ist ebenso CVP-Mitglied, wie der ehemalige Generaldirektor Armin Walpen, der die SRG zu dem riesigen Medien-Apparat ausgebaut hat, der sie heute ist.
Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler greift Braun und die OaS nun frontal an. Er spricht gegenüber watson unverhohlen von «CVP-Connection». «Als Kampagnenleiter beim Generalsekretariat der CVP Schweiz war Braun die treibende Kraft der Politpropaganda der CVP. Es ist journalistisch unprofessionell, dass er diese Rolle hier in seiner neuen Funktion nicht ablegt, sondern sich zum erweiterten Sprachrohr der CVP machen lässt», sagt Bigler.
OaS-Chefredaktor Philipp Landmark wollte sich auf Anfrage von watson nicht zur Sache äussern. Braun selber weist die Vorwürfe energisch zurück. «Wer mich kennt, weiss, dass ich parteipolitisch absolut unbefangen bin. Das zeigt auch die Tatsache, dass ich früher auch schon für die FDP tätig war», sagt Braun. Er sieht kein Problem darin, nur drei Monate nach seinem Abgang aus der Schaltzentrale der CVP zu Kernthemen genau deren Exponenten zu zitieren. «Darf ich jetzt zwei Jahre nicht mehr über Innenpolitik schreiben, nur weil ich bei einer Partei gearbeitet habe?», fragt Braun rhetorisch.
Zwei Jahre nicht und auch nicht bei allen Innenpolitik-Themen, sagt der Betreiber des Onlineportals «Medienwoche» Nick Lüthi. Der in der Branche hinter vorgehaltener Hand als «Gralshüter der journalistischen Integrität» bezeichnete Medienjournalist hält bei Politthemen, in die die CVP stark involviert ist, eine Karenzfrist von mindestens einem Jahr für angemessen. «Das ist die Faustregel», sagt Lüthi.
Mit dem Gewerbeverband hat es sich Braun jedenfalls bereits verscherzt. Bigler spricht gegenüber watson unverhohlen von «CVP-Connection», früher auch CVP-Filz genannt. «Der lange Arm der Medienministerin Doris Leuthard reicht bis in die Redaktionsstuben der ‹Ostschweiz am Sonntag›, die unhaltbare Unterstellungen – die grosse Mehrheit der Wirtschaft verhalte sich heute illegal – praktisch ungefiltert übernimmt», sagt Bigler.
Der angeschossene Redaktor Braun hat dafür kein Musikgehör: «Wer mich kritisiert, soll mir journalistische Unsauberkeiten nachweisen – und nicht irgendwelche abstrusen Thesen verbreiten.»