Schweiz
Migration

Verschärfte Asylpraxis bei Eritreern bewirkt wenig

JAHRESRUECKBLICK 2016 - NATIONAL - Fluechtlinge aus Eritrea haben sich in einem Park wenige hundert Meter vom Bahnhof von Como niedergelassen und warten auf eine Weiterreise in die Schweiz, am Diensta ...
Flüchtlinge aus Eritrea stranden in Como.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Verschärfte Asylpraxis bei Eritreern bewirkt wenig

Eritreische Flüchtlinge erhalten in der Schweiz kein Asyl mehr, nur weil sie ihr Heimatland illegal verlassen haben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in St.Gallen in einem Grundsatzurteil entschieden. Die härtere Gangart der Schweiz werde junge Männer nicht aufhalten, sagt der eritreische Honorar-Konsul Toni Locher.
05.02.2017, 14:5305.02.2017, 21:15
fabienne riklin
Mehr «Schweiz»

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Eritreische Flüchtlinge erhalten in der Schweiz kein Asyl mehr, nur weil sie ihr Heimatland illegal verlassen haben. Die höchste Instanz bei der Beurteilung von Beschwerden abgewiesener Asylbewerber stützt damit eine verschärfte Asylpraxis, die das Staatssekretariat für Migration (SEM) vor über einem halben Jahr beschlossen hat.

Doch was bringt die härtere Gangart bei Eritreern? Kann die Schweiz ihre Attraktivität als Zielland für Eritreer senken? «Es ist nicht auszuschliessen, dass die Praxisanpassung einen gewissen Einfluss hat», schreibt das SEM auf Anfrage. Anders sieht dies der eritreische Honorarkonsul in der Schweiz, Toni Locher: «Der Entscheid betrifft nur einen kleinen Teil der Asylsuchenden: unbegleitete Minderjährige, Frauen über 30 respektive verheiratete Frauen, die vom Militärdienst befreit worden sind.»

Deserteure haben weiterhin grosse Chancen auf Asyl oder eine vorläufige Aufnahme. Und das sei die Mehrheit, sagt Locher, der gerade in Eritrea weilt. «Die jungen Menschen hier in den Internet-Cafés von Asmara dienen fast alle im National Service und sind daher vom Entscheid nicht betroffen.» Sie würden sich sehr genau über die besten Fluchtwege und die besten Aufnahmebedingungen in Europa informieren. «Und die Schweiz gehört noch immer zu den beliebten Zielländern.»

Jobs könnten helfen

Für Honorarkonsul Toni Locher steht fest: Die «kleinen Retuschen» der Asylpraxis werden die Abwanderung aus Eritrea nicht beeinflussen. «Den Exodus stoppen könnten hingegen Jobs.» Würden insbesondere junge Männer Arbeit finden, sei der Reiz weniger gross, das Land zu verlassen. Daher unterstützt Locher den Entscheid der Schweiz, eine Delegation nach Eritrea zu senden, die zurzeit abklärt, wie man 2 Millionen Franken Entwicklungshilfe vor Ort sinnvoll einsetzen könnte.

Personen demonstrieren mit Ballons an einer Kundgebung fuer die Ruecknahme der Praxisverschaerfung gegenueber eritreischen Fluechtlingen, am Samstag, 10. Dezember 2016, in Bern. Muessen Fluechtlinge n ...
Eritreer und Aktivisten demonstrieren im Dezember 2016 gegen die Verschärfung.Bild: KEYSTONE

Eritreer stellen seit Jahren die grösste Flüchtlingsgruppe in der Schweiz. Gemäss offizieller Statistik leben rund 20'000 Eritreer hier. 5178 stellten vergangenes Jahr einen Asylantrag. Knapp 1800 erhielten weder Asyl noch eine vorläufige Aufnahme. Dass sie ausgeschafft werden, ist aber unrealistisch. Die Schweiz führt keine Eritreer unter Zwang zurück. Rückschaffungen in das Land am Horn von Afrika gelten als nicht zumutbar. Viele dürften daher in der Nothilfe landen.

Doch das Urteil gibt bürgerlichen Parlamentariern Auftrieb, die vom Bundesrat weitere Schritte fordern: Kontakte zum eritreischen Regime zum Beispiel. Mit dem Ziel, dass Eritrea seine Landsleute wieder zurücknimmt.

Die Menschenrechtslage in Eritrea ist heftig umstritten. Die UNO spricht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Sklaverei, willkürlichen Inhaftierungen, Folter, Vergewaltigungen. Diesen Erkenntnissen widerspricht der Report der Schweizer Facts-Finding-Mission. Ebenso anderer Meinung sind EU-Botschafter, die in Eritrea leben.

Asylsuchende zeigen, was sie an der Schweiz besonders schätzen

1 / 12
Asylsuchende zeigen, was sie an der Schweiz besonders schätzen
Ein Leben ohne Gewalt: «Ich geniesse in der Schweiz die Freiheit, etwas, was ich nie gekannt habe in meinem Heimatland Irak. Die Frauen dürfen, ohne Angst zu haben, ihre Meinung sagen. Zusätzlich gefällt mir die wunderschöne Natur. Aber das Wichtigste ist, ein Leben ohne Gewalt leben zu dürfen. Das bedeutet für mich Glück.» (Saadi, Irak)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
51 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Wilhelm Dingo
05.02.2017 16:20registriert Dezember 2014
Solange nicht ausgeschafft wird passiert auch nichts beim Zustrom.
11614
Melden
Zum Kommentar
avatar
atomschlaf
05.02.2017 15:47registriert Juli 2015
Der Bundesrat soll nun eine Migrationspartnerschaft mit Eritrea aushandeln, damit Abgewiesene auch tatsächlich zurückgeschickt werden können.
Ausserdem ist endlich die im Asylgesetz enthaltene Bestimmung strikt anzuwenden, dass Dienstverweigerer nicht asylberechtigt sind.
10516
Melden
Zum Kommentar
avatar
3fuss
05.02.2017 15:46registriert Januar 2017
Es braucht weitere Vetschärfungen.
Desertion ist kein Asylgrund.
9223
Melden
Zum Kommentar
51
Mann am Zürcher HB bei Gewaltdelikt schwer verletzt
Bei einem Gewaltdelikt am vergangenen Samstagabend im Hauptbahnhof Zürich ist ein Mann schwer verletzt worden. Eine Person wurde verhaftet.

Kurz nach 21 Uhr attackierte ein 31-jähriger Marokkaner im Hauptbahnhof unvermittelt einen 88-jährigen Schweizer. Dabei erlitt das Opfer Kopfverletzungen und musste mit einem Rettungswagen in ein Spital gebracht werden, wo sich die Verletzungen als schwer herausstellten. Der mutmassliche Täter wurde von Passanten bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten. Er wurde festgenommen und der Staatsanwaltschaft zugeführt. Wie ein Sprecher der Kapo Zürich gegenüber watson sagt, waren keine Waffen im Einsatz. Es habe sich um «Körpergewalt» gehandelt.

Zur Story