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NSA hat NZZ belauscht – jetzt spricht Abhör-Opfer und Chefredaktor Eric Gujer

Eric Gujer, Chefredaktor der NZZ (22.05.2015).
Eric Gujer, Chefredaktor der NZZ (22.05.2015).Bild: KEYSTONE

NSA hat NZZ belauscht – jetzt spricht Abhör-Opfer und Chefredaktor Eric Gujer

09.07.2015, 08:0109.07.2015, 11:25
Kian Ramezani
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Die National Security Agency (NSA) hat neben dem Spiegel auch das «Handelsblatt» und die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) abgehört. Dies meldet Bild am Sonntag in ihrer aktuellen Ausgabe.

Primäres Abhörziel sei allerdings kein Journalist, sondern ein hochrangiger deutscher Regierungsbeamter gewesen: Hans-Josef Vorbeck, vormals Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und später Leiter der Geheimdienstabteilung im Kanzleramt. Er soll Medien Dienstgeheimnisse verraten haben.

Darin erkannten die US-Geheimdienste, die ihn sowie zahlreiche andere deutsche Regierungsbeamte überwachten, offenbar eine Gefahr. Der CIA-Chef in Berlin höchstpersönlich soll Vorbecks Vorgesetzten im Sommer 2011 bei einem konspirativen Spaziergang über dessen Kontakte zu den Medien unterrichtet haben. Vorbeck wurde wenig später versetzt. 

Beim NZZ-Abhöropfer dürfte es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um keinen Geringeren als Chefredaktor Eric Gujer handeln. Dieser war von 1998 bis 2008 für die Zeitung Deutschland-Korrespondent in Berlin. «In dieser Zeit habe ich mich als Journalist mit Vertretern von Regierung und Verwaltung zu politischen Themen ausgetauscht, darunter auch mit Josef Vorbeck», erklärt Gujer gegenüber watson. Die beiden sind auch Mitglieder des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland.

In welchen Ausmass die NSA Gespräche zwischen Vorbeck und Gujer abgehört hat, ist schwer zu eruieren. Der NZZ-Chefredaktor äussert sich zurückhaltend: 

«Bei einer ernsthaften und differenzierten Diskussion nachrichtendienstlicher Themen ist immer abzuwägen, welchen Nutzen eine Aktion etwa in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus haben kann. Freiheitsrechte und Sicherheit stehen grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zueinander. Die Medienfreiheit steht in demokratischen Rechtsstaaten unter einem besonderen Schutz. Sollte die NSA tatsächlich Journalisten abgehört haben, ist dies als eine Verletzung der Medienfreiheit zu verurteilen. Ein solches Verhalten wäre eines demokratischen Staates unwürdig. Um unsere journalistische Aufgabe in einer freien Gesellschaft auszuüben, müssen wir unsere Quellen schützen können.»

Eric Gujer gilt als Befürworter einer weitreichenden Überwachung durch Nachrichtendienste. Vom Schweizerischen Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wurde er als Strategie-Experte konsultiert. Den NSA-Whistleblower Edward Snowden hat er wiederholt als «Verräter» bezeichnet. 

Im Gegensatz zum «Spiegel» verzichtet die NZZ zum jetzigen Zeitpunkt auf juristische Schritte, «da die Faktenlage nicht hinreichend klar ist», wie Sprecherin Myriam Käser auf Anfrage von watson erklärt.

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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C0BR4.cH
09.07.2015 08:41registriert März 2015
Wer Snowden als Verräter bezeichnet, ist ein Feind der Menschenrechte, Privatsphäre und dem Recht auf Information (von mir aus noch mehr). Snowden sollte eher als Held gefeiert werden, denn ihm verdanken wir, dass Staatliche Überwachung nicht mehr nur als Verschwörungstheorie abgehalten wird, sondern dass darüber geredet wird und Massnahmen umgesetzt werden.

In dem Sinne, Karma Herr Gujer? : D

Btw.: Umso wichtiger, dass Referendum gegen das BÜPF und NDG zu unterstützen!
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Amaranth17
09.07.2015 08:22registriert April 2015
Ziemlich kurzsichtig für einen Chefredaktor. Die Medienfreiheit steht natürlich auch in einem Spannungsverhältnis zur Sicherheit, schliesslich können Medien den Geheimdiensten weit grösseren Schaden zufügen (via Snowden z.B.) als irgend ein Bürger. Heisst dann irgendwann Informationsterrorismus.

Man kann doch nicht die Privatssphäre der Bürger aufgeben und ernsthaft erwarten, dass die Medienfreiheit unangetastet bleibt.
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poesie_vivante
09.07.2015 09:34registriert Februar 2014
Eric Gujer ist selbst zutiefst mit dem Nachrichtenddienst verbandelt. Er hat sogar ein Buch über den BND geschrieben: «Kampf an neuen Fronten. Wie sich der BND dem Terrorismus stellt».

In seinen Leitartikeln für die NZZ schreibt er immer wieder, dass er aus «zuverlässigen nachrichtendienstlichen Quellen» dieses und jenes wisse (zum Beispiel zum Ukrainekonflikt). Da läufen Fäden von Gujer offensichtlich zum BND.

Gujer hat übrigens noch ein zweites sehr umstrittenes Buch geschrieben: Safety, Liberty, and Islamist Terrorism: American and European Approaches to Domestic Counterterrorism
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