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Zuerst gefördert, dann «geböscht»: Bevor der «Blick» sie zur «Bier-Bösch» machte, castete er sie als 8. Bundesrätin

Sarah Bösch im April 2014 beim «Blick»-Casting zum 8. Bundesrat.
Sarah Bösch im April 2014 beim «Blick»-Casting zum 8. Bundesrat.bild: screenshot/blick webtv

Zuerst gefördert, dann «geböscht»: Bevor der «Blick» sie zur «Bier-Bösch» machte, castete er sie als 8. Bundesrätin

watson machte ihren Fall publik, für Sarah Böschs Ausschluss aus der SVP-Fraktion sorgte aber ein Artikel im «Blick». Zuvor hatte man die exotische SVPlerin stets gerne im Blatt – als Kandidatin für den 8. Bundesrat, zum Beispiel. 
11.05.2015, 08:0711.05.2015, 12:14
Rafaela Roth
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Schon ziemlich genau vor einem Jahr, als Sarah Bösch noch eine aufstrebende Jungpolitikerin und als dunkelhäutige Vollblut-SVPlerin hochkarätiges Boulevard-Material war, konnte der «Blick» sie sich nicht entgehen lassen. Als eine von 160 aus 700 Bewerbern wurde Sarah Bösch zum Casting als 8. Bundesrat eingeladen. 

Mit der Werbeaktion der «Blick»-Gruppe und von Jung von Matt sollte ein Bundesrat des Volkes gefunden werden, der in einer eineinhalb-monatigen Amtszeit den Politikern in Bern die Leviten lesen sollte. Obwohl es Bösch nicht bis ganz ins Finale schaffte, machte sie beim Casting eine gute Falle:

Sarah Bösch im Video vom «Blick»-Bundesratscasting, veröffentlicht am 15. April 2014.YouTube/Blick webTV

Auch rund ein Jahr später bei der «Blick on Tour»-Podiumsdiskussion – zum heute unfreiwillig komisch wirkenden Thema «Autofahrer, Deppen der Nation» – konnte man nicht auf Sarah Bösch als Blickfang auf der Zeitungsseite verzichten: «Man darf die Autofahrer nicht gezielt schwächen», quotet der «Blick» die schöne Politikerin. 

«Unternehmerin» Sarah Bösch im März 2015 im «Blick». 
«Unternehmerin» Sarah Bösch im März 2015 im «Blick». Bild: screenshot/blick

Eineinhalb Monate nach dieser Podiumsdiskussion machte watson Böschs Blaufahrt publik, die diese (feucht-)fröhlich auf Facebook teilte und berichtete über ihre widersprüchlichen Facebook-Posts. Die Blick-Gruppe zog nach und nannte die Ex-SVP-Politikerin ab sofort nur noch «Bier-Bösch». Von hoffnungsvoller Bundesrats-Kandidatin war nie mehr etwas zu lesen. 

«Bier-Bösch» war geboren – mit passendem, auf Facebook heruntergeladenem Bild am 14. April im «Blick am Abend».
«Bier-Bösch» war geboren – mit passendem, auf Facebook heruntergeladenem Bild am 14. April im «Blick am Abend».Bild: screenshot/blick am Abend

Mehrere Tage dominierte «Bier-Bösch» die «Blick»-Headlines. Am 19. April doppelte der Sonntagsblick mit dem Artikel «Sarah Bösch und die spendablen SVPler» richtig nach: Sarah Bösch zog Parteikollegen mit einer nie eröffneten Kindertagesstätte für Behinderte Kinder über den Tisch, kolportiert der Text. 

Zehn Tage später wurde der Fall Sarah Bösch beim «Blick» dann zur Chef-Sache: Chefredaktor René Lüchinger griff höchstpersönlich für das Porträt der gestolperten Politikerin in die Tasten. «Im Visier: eine völlig unbekannte SVP-Politikerin im Stadtparlament von Wil SG», heisst es im Texteinstieg. Das «Blick»-Porträt sollte Böschs Ausschluss aus der SVP-Fraktion bedeuten.

Das Porträt über Sarah Bösch von «Blick»-Chefredaktor René Lüchinger.
Das Porträt über Sarah Bösch von «Blick»-Chefredaktor René Lüchinger.Bild: screenshot/blick

Nach diesem Auftritt hatte die SVP-Fraktion des Wiler Stadtparlaments genug. Sogar Fraktionspräsident Mario Schmitt, der am Abend zuvor noch als Zünglein an der Waage gegen ihren Ausschluss gestimmt hatte: Bösch habe keine interne Abmachung, keine Zusagen und Auflagen eingehalten, sagte er gegenüber dem «St.Galler Tagblatt». Zu den gemachten Auflagen gehörte auch: Zurückhaltung bei Auftritten in klassischen und sozialen Medien. 

«Blick»-Chefredaktor René Lüchinger sagt: «Das Porträt wurde nicht zur Chef-Sache erklärt. Es entstand spontan, nachdem Sarah Bösch mich kontaktiert hatte.»

Und: Es hätten sich hunderte Kandidaten als achter Bundesrat beworben. Erst nach dem zweiten Artikel über Sarah Böschs Blaufahrt sei es jemandem beim «Blick» aufgefallen, dass sie darunter war. Deswegen habe man es nicht thematisiert. «Das wäre auch gar nicht nötig gewesen», sagt Lüchinger. 

Sarah Böschs Politkarriere sieht nach dieser Geschichte nicht mehr ganz so hoffnungsvoll aus. Kurz bevor ihre Fraktion sie letzte Woche ausgeschlossen hat, trat sie selber aus der SVP aus und suchte – wiederum auf Facebook – nach «einer neuen beruflichen Herausforderung». Als Parteilose im Wiler Stadtparlament dürfte es allerdings schwierig werden, den nächsten Karriereschritt zu schaffen. Zur Bundesrätin wird es ganz sicher nicht reichen, nicht mal zur achten.

Veröffentlicht am 26. März 2015: Sarah Bösch bei der «Blick on Tour»-Podiumsdiskussion zur Frage: Sind Autofahrer die Deppen der Nation?YouTube/Blick webTV

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Amanaparts
11.05.2015 08:37registriert Januar 2014
Sollte man die Frau nicht langsam in Ruhe lassen? Bin kein Fan von Ihr aber Bullies mag ich auch nicht.
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Ilovepies
11.05.2015 08:13registriert Februar 2015
Vielleicht gar nicht so schlimm diese Entwicklung. Jetzt hätte sie Zeit sich eine richtige Anstellung zu suchen statt diesen Politik Nonsense.
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moimoimoi
11.05.2015 13:53registriert Februar 2015
Sinngemäss nach Axel Springer: Wer die Medien für den Aufstieg benutzt, den werden sie beim Abstieg weiter begleiten.
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