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Fall Adeline: Wiederholungsgefahr beim Täter laut Experten «sehr hoch»

Fall Adeline: Wiederholungsgefahr beim Täter laut Experten «sehr hoch»

16.05.2017, 18:35
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Der Angeklagte vor Gericht.Bild: KEYSTONE

Im Prozess um das Tötungsdelikt Adeline in Genf haben zwei französische Gutachter am Dienstag keine langfristige Prognose zur Therapierbarkeit des Täters gemacht. Der Angeklagte zeigte sich am zweiten Prozesstag selbstbewusster und zuweilen aufbrausend.

Die beiden französischen Experten sahen den Angeklagten nicht im psychiatrischen Sinne als krank an, sprachen jedoch von einer krankhaften Persönlichkeit. Der 42-Jährige sei ein pervers gestörter Psychopath.

Beide Gutachter schätzen das Risiko für Wiederholungstaten als hoch ein. «Kurzfristig ist die Gefahr sehr hoch, mittelfristig ist es schwierig- und langfristig unmöglich zu sagen», gaben die beiden Experten Daniel Zagury und Pierre Lamothe dem Gericht an.

Die beiden Gutachter erachten den Angeklagten als voll schuldfähig. Bei einem Psychopathen könne man keine Therapie wie bei einer psychisch kranken Person anordnen. Es sei zudem unmöglich, dem französisch-schweizerischen Doppelbürger zu helfen, wenn sich dieser nicht kooperativ zeige.

Falls er nicht kooperiere, könne eine Behandlung sogar kontra-produktiv sein, gaben die beiden Experten am Dienstagnachmittag an. Sie machten keine Prognose zur Frage, ob der Angeklagte auf Lebenszeit therapierbar sei oder nicht.

Entscheidend für Verwahrung

Es fehlten die klinischen Grundlagen und Studien dazu. Man müsse seine Entwicklung regelmässig überprüfen, sagten die beiden Gutachter. Diese Frage ist entscheidend bezüglich der Verurteilung zu einer lebenslänglichen Verwahrung.

Nach der Befragung der französischen Gutachter erscheint es fraglich, ob eine allfällige lebenslängliche Verwahrung bis vor Bundesgericht bestätigt würde. Bislang hat das höchste Gericht sämtliche lebenslänglichen Verwahrungen aufgehoben.

Nur wenn zwei psychiatrische Gutachten unabhängig voneinander zum Schluss kommen, dass ein Straftäter dauerhaft nicht therapierbar ist, kann die Höchststrafe verhängt werden. Die beiden Schweizer Experten, welche das zweite Gutachten erstellt hatten, werden am Mittwoch befragt.

Am Dienstagvormittag wurde die Befragung des Angeklagten abgeschlossen. Der Staatsanwalt Olivier Jornot und der Anwalt der Angehörigen des Opfers, Simon Ntah, rückten dabei vor allem Tötungsfantasien des Angeklagten und den Vorwurf des Vorsatzes ins Zentrum.

Der 42-Jährige wirkte am zweiten Prozesstag selbstbewusster und verschärfte vor allem gegen Ntah den Tonfall, wenn im Fragen nicht passten: «Sie hören mir nicht zu», rief er dem Anwalt zu. «Ich bin es leid, mich zu wiederholen.»

Notiz im Tagebuch

Der Angeklagte rückte am Dienstag keinen Millimeter von seiner Verteidigungsstrategie ab. Er habe einzig die Flucht nach Polen geplant, wo er laut Anklage seine Ex-Freundin aufspüren und töten wollte. Die Bluttat an der Sozialtherapeutin des auf Resozialisierung spezialisierten Zentrums «La Pâquerette» habe er hingegen nicht geplant, sondern in einem «animalischen Zustand» begangen.

Der französisch-schweizerische Doppelbürger bestritt aber nicht, die Mutter eines damals acht Monate alten Kleinkinds am 12. September 2013 auf dem Weg zu einer Reittherapie bedroht und in einen Wald geführt zu haben. Auch dass er sie an einen Baum gefesselt und ihr die Kehle durchgeschnitten hatte, gab er zu.

In seinem Tagebuch wurde nach dem Tötungsdelikt die Notiz «try to slayer before» (versuche vorher zu schlachten) gefunden. Der Satz bezog sich auf den Fluchtplan, welcher vorsah, seine Ex-Freundin in Polen ausfindig zu machen.

Tötung auf Flucht «wahrscheinlich»

Auf den Tagebuch-Eintrag angesprochen, sagte der Angeklagte am Dienstag, jemand auf der Flucht zu töten sei eine «wahrscheinliche Möglichkeit» gewesen. Eine Tötungsabsicht wies der Angeklagte jedoch sofort zurück. «Das betraf nicht unbedingt Adeline», sagte er.

Im Gefängnis hatte er sich wiederholt eine Szene aus dem Film «Braveheart» angeschaut, in der einer Frau die Kehle durchgeschnitten wird. Der Angeklagte wies einen Zusammenhang mit den geschauten Filmszenen und dem Tötungsdelikt zurück.

Vielmehr zitierte er seinen aktuellen Gefängnistherapeuten, der diese Filme in einen Zusammenhang mit der schwierigen Beziehung zur Mutter des Angeklagten gestellt habe. Diese Theorie wurde von Generalstaatsanwalt Olivier Jornot und Simon Ntah bezweifelt. (sda)

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Triumvir
16.05.2017 18:46registriert Dezember 2014
Sollte dieses Monster nicht lebenslang wegesperrt werden, dann verstehe ich echt die Welt nicht mehr!
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