Aus der Ferne braust der Zug heran. «Gleis 7. Einfahrt des Intercity 5 nach Aarau, Zürich», erklingt die vertraute Stimme aus dem Lautsprecher. Gerade Berufspendlern, aber auch allen anderen Zugreisenden ist die Stimme aus den Lautsprecherdurchsagen bestens bekannt. Damit könnte bald Schluss sein: Die SBB planen nun ein neues System für die Durchsagen. Ab September 2019 soll die neue Lösung schweizweit eingeführt werden.
Ob dabei die bestehenden Stimmen in das neue System übernommen werden, ist laut den Ausschreibungsunterlagen noch nicht entschieden. Momentan suchen die SBB eine Firma, welche die entsprechende Software entwickelt. Weiter Details gaben die SBB gestern auf Anfrage nicht bekannt. Fest steht jedoch, die SBB setzen auf Automatisierung: «Text-to-Speech-System» ist das Zauberwort. Damit werden geschriebene Texte in gesprochene Sprache umgewandelt.
Damit verschwinden wohl die bekannten Stimmen der SBB. Heute werden Durchsagen im Zug und an den Bahnhöfen aus 10'000 einzelnen Tonfragmenten zusammengefügt, die im Vornherein von professionellen Sprecherinnen eingesprochen wurden. Das Einsprechen dauerte jeweils Monate.
Die SBB wollen mit der Umstellung für die «Zukunft gerüstet sein». Die heutigen Ansagen sind seit über 15 Jahren im Einsatz. Ein grosses Problem bei bestehenden Text-to-Speech-Lösungen ist die Sprechmelodie, welche bisweilen holprig und unnatürlich klingt.
Die Vision der SBB: In einem weiteren Schritt soll das neue System weitgehend automatisch situations-, zeit- und bedürfnisgerecht die Passagiere informieren, wie es in den Ausschreibungsunterlagen heisst. Das System wird dabei von Daten gefüttert, welche automatisch in Sprachnachrichten umgewandelt werden. Ob weiterhin die Zugchefs die Ansagen im Zug vornehmen, um auf Verbindungen und Verspätungen hinzuweisen, ist nicht klar. Es könnte also durchaus sein, dass künftig nicht mal mehr ein freundlicher Guten-Morgen-Gruss oder eine nette Entschuldigung für Verspätungen durch die Züge hallen.
Falls sich das System bewährt, wollen die SBB die Durchsagen auch anderen Bahnen zur Verfügung stellen. Erste Gespräche dazu wurden offenbar schon geführt, konkrete Plänen würden aber nicht vorliegen, schreibt die SBB in den Ausschreibungsunterlagen.
Ob weiterhin eine weibliche Stimme eingesetzt wird, liessen die SBB in den Unterlagen offen. In einem Blogeintrag der SBB heisst es aber: «Der Grund, weshalb die Sprecherinnen weiblich sind, ist psychologisch. Studien zeigen, dass weibliche Tonlagen sympathischer rüberkommen. Und das bei beiden Geschlechtern.»
Bereits im Frühling 2019 soll ein erstes Pilotprojekt gestartet werden, um das System zu testen. Dabei müsste eine neue Lösung mindestens so gut funktionieren wie die alte, schreiben die SBB.
Pro Tag laufen in der Schweiz zwischen 20'000 und 30'000 Ansagen über die Lautsprecher. Dies an rund 800 Bahnhöfen der SBB, 130 der BLS und in Tausenden Zügen von SBB und BLS.